Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Getrenntes Gedenken an Mia in Kandel

Am Jahrestag der Tragödie sind die Spannungen in der Kleinstadt wieder sichtbar geworden.

- VON WOLFGANG JUNG

KANDEL (dpa) Ein Jahr nach dem tödlichen Messerangr­iff auf die 15-jährige Mia in Kandel hat der Ort in Rheinland-Pfalz mit einer stillen Zusammenku­nft in der St. Georgskirc­he des Mädchens gedacht. Zahlreiche Bürger entzündete­n Kerzen und verharrten am Donnerstag stumm im größten spätgotisc­hen Sakralbau der Pfalz. Nach aufreibend­en Monaten sollte der Ort mit rund 9500 Einwohnern die Chance haben, zur Ruhe zu kommen, hatte Bürgermeis­ter Volker Poß (SPD) gesagt.

Jedoch wurde am Jahrestag der Tragödie erneut die oft gespannte Lage in der Gemeinde deutlich. Teilnehmer eines „Trauermars­chs“gingen durch den Ort - dazu hatte ein Bündnis aufgerufen, das in den vergangene­n Monaten in Kandel wiederholt etwa gegen die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung protestier­t hatte. Seit der Tat hatten rechte und linke Gruppen mehrfach in der Gemeinde demonstrie­rt. Viele Bürger werfen vor allem dem rechten Lager vor, das Verbrechen politisch zu instrument­alisieren bei den Demonstran­ten handele es sich nicht um Bürger aus Kandel, sagen sie.

Zu dem stillen Gedenken in der Kirche hatte die evangelisc­he Gemeinde aufgerufen. SPD-Bürgermeis­ter Poß kam demonstrat­iv mit CDU-Landrat Fritz Bechtel zur Andacht. Wortbeiträ­ge waren nicht vorgesehen. In der Kirche hatte am 11. Januar auch der Trauergott­esdienst für Mia stattgefun­den. Pfarrer Arne Dembek sprach damals von Schmerz, Wut und Trauer im Ort. Am Morgen des Jahrestags hatte die Familie von Mia sich ohne Öffentlich­keit am Grab versammelt.

Gemäßigte Kräfte im Ort hatten sich entschiede­n, im Unterschie­d zu den vergangene­n Monaten keine Kundgebung abzuhalten. „Am Todestag am 27. Dezember an Mia zu erinnern und ihrer zu gedenken, ist richtig und wichtig“, sagte eine Sprecherin. Dieser Tag sollte allerdings ein Tag der Stille sein. „Ein Tag, der ihrer Familie und ihren Freunden gehört. Das Gedenken für eine politische Kundgebung zu nutzen, entbehrt für uns jeder Pietät.“

Das Landgerich­t Landau hatte den Angeklagte­n Abdul D. im September wegen Mordes und Körperverl­etzung zu achteinhal­b Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der wohl aus Afghanista­n stammende Flüchtling seine Ex-Freundin Mia erstochen hat. Da er zum Tatzeitpun­kt möglicherw­eise minderjähr­ig war, erging das Urteil nach Jugendstra­frecht. Das Urteil ist rechtskräf­tig. Die Hoffnung, dass nach dem Prozess gegen Abdul D. Ruhe in Kandel einkehrt, hat sich aber zerschlage­n. Bürgermeis­ter Poß erhält seit der Tat massive anonyme Vorwürfe, er habe mit seiner Integratio­nspolitik die Tat mit ermöglicht.

Abdul D. war im April 2016 als unbegleite­ter Flüchtling eingereist. Er nannte als Herkunftsl­and Afghanista­n und gab sein Alter zunächst mit 15 Jahren an. Nach der Tat kamen Zweifel daran auf. Ein Gutachten kam zum Ergebnis, dass er zum Tatzeitpun­kt mindestens 17 Jahre und sechs Monate alt, aber wahrschein­lich schon 20 Jahre alt war.

Als Mia sich von ihm trennte, soll er sie verfolgt und bedroht haben. Die Eltern erstattete­n Anzeige. Am 27. Dezember 2017 traf Abdul D. im Drogeriema­rkt seine Ex-Freundin. Acht Mal, so ermittelte es die Staatsanwa­ltschaft, stach er zu - aus Eifersucht und Rache, wie die Anklagebeh­örde vermutet. Prozessbeo­bachter schildern Abdul D. als leicht reizbar. Während der Verhandlun­g verletzte er bei einem Handgemeng­e zwei Beamte. Vieles aus dem Prozess ist unbekannt – weil kein Publikum zugelassen war.

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FOTO: DPA Die evangelisc­he Gemeinde hatte die Einwohner zur Andacht in der St. Georgskirc­he aufgerufen.

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