Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Getrenntes Gedenken an Mia in Kandel
Am Jahrestag der Tragödie sind die Spannungen in der Kleinstadt wieder sichtbar geworden.
KANDEL (dpa) Ein Jahr nach dem tödlichen Messerangriff auf die 15-jährige Mia in Kandel hat der Ort in Rheinland-Pfalz mit einer stillen Zusammenkunft in der St. Georgskirche des Mädchens gedacht. Zahlreiche Bürger entzündeten Kerzen und verharrten am Donnerstag stumm im größten spätgotischen Sakralbau der Pfalz. Nach aufreibenden Monaten sollte der Ort mit rund 9500 Einwohnern die Chance haben, zur Ruhe zu kommen, hatte Bürgermeister Volker Poß (SPD) gesagt.
Jedoch wurde am Jahrestag der Tragödie erneut die oft gespannte Lage in der Gemeinde deutlich. Teilnehmer eines „Trauermarschs“gingen durch den Ort - dazu hatte ein Bündnis aufgerufen, das in den vergangenen Monaten in Kandel wiederholt etwa gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung protestiert hatte. Seit der Tat hatten rechte und linke Gruppen mehrfach in der Gemeinde demonstriert. Viele Bürger werfen vor allem dem rechten Lager vor, das Verbrechen politisch zu instrumentalisieren bei den Demonstranten handele es sich nicht um Bürger aus Kandel, sagen sie.
Zu dem stillen Gedenken in der Kirche hatte die evangelische Gemeinde aufgerufen. SPD-Bürgermeister Poß kam demonstrativ mit CDU-Landrat Fritz Bechtel zur Andacht. Wortbeiträge waren nicht vorgesehen. In der Kirche hatte am 11. Januar auch der Trauergottesdienst für Mia stattgefunden. Pfarrer Arne Dembek sprach damals von Schmerz, Wut und Trauer im Ort. Am Morgen des Jahrestags hatte die Familie von Mia sich ohne Öffentlichkeit am Grab versammelt.
Gemäßigte Kräfte im Ort hatten sich entschieden, im Unterschied zu den vergangenen Monaten keine Kundgebung abzuhalten. „Am Todestag am 27. Dezember an Mia zu erinnern und ihrer zu gedenken, ist richtig und wichtig“, sagte eine Sprecherin. Dieser Tag sollte allerdings ein Tag der Stille sein. „Ein Tag, der ihrer Familie und ihren Freunden gehört. Das Gedenken für eine politische Kundgebung zu nutzen, entbehrt für uns jeder Pietät.“
Das Landgericht Landau hatte den Angeklagten Abdul D. im September wegen Mordes und Körperverletzung zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der wohl aus Afghanistan stammende Flüchtling seine Ex-Freundin Mia erstochen hat. Da er zum Tatzeitpunkt möglicherweise minderjährig war, erging das Urteil nach Jugendstrafrecht. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Hoffnung, dass nach dem Prozess gegen Abdul D. Ruhe in Kandel einkehrt, hat sich aber zerschlagen. Bürgermeister Poß erhält seit der Tat massive anonyme Vorwürfe, er habe mit seiner Integrationspolitik die Tat mit ermöglicht.
Abdul D. war im April 2016 als unbegleiteter Flüchtling eingereist. Er nannte als Herkunftsland Afghanistan und gab sein Alter zunächst mit 15 Jahren an. Nach der Tat kamen Zweifel daran auf. Ein Gutachten kam zum Ergebnis, dass er zum Tatzeitpunkt mindestens 17 Jahre und sechs Monate alt, aber wahrscheinlich schon 20 Jahre alt war.
Als Mia sich von ihm trennte, soll er sie verfolgt und bedroht haben. Die Eltern erstatteten Anzeige. Am 27. Dezember 2017 traf Abdul D. im Drogeriemarkt seine Ex-Freundin. Acht Mal, so ermittelte es die Staatsanwaltschaft, stach er zu - aus Eifersucht und Rache, wie die Anklagebehörde vermutet. Prozessbeobachter schildern Abdul D. als leicht reizbar. Während der Verhandlung verletzte er bei einem Handgemenge zwei Beamte. Vieles aus dem Prozess ist unbekannt – weil kein Publikum zugelassen war.