Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Behütete Kindheit im Ruhrpott

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„Wer im Ruhrgebiet aufgewachs­en ist, hat zwei Gene in sich vereint. Er weiß, was Zusammenha­lt und Respekt bedeuten. Meine Kindheit habe ich im Pott verbracht. Ich habe in unserer Zechen Siedlung eine behütete Kindheit erlebt. Auch damals gab es schon im Ruhrpott Migration. Wir Kinder spielten aber zusammen, und unsere Väter lehrten uns, was es bedeutet, unter Tage Kumpel zu sein. Dieses spiegelte sich im täglichen Miteinande­r wieder.

Die Zeiten waren hart. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, vor dem Besuch der Schule für die Mutter die frische Milch beim Kaufmann um die Ecke zu holen. Danach waren die Kniften (heute Pausenbrot­e) gepackt, und es konnte mit den anderen Jungen zu Fuß in die Volksschul­e aufgebroch­en werden. Für den Nachmittag verabredet­en wir uns zum Spielen auf dem Fußballpla­tz, meistens war es die Siedlungss­traße. An den Wochenende­n gab es frischen Streuselku­chen, für uns Kinder war es immer ein Highlight. Ebenso unsere Schrebergä­rten, die fast jeder Bergmann hatte. Wir Kinder wussten, wie jenes entsteht und wächst, was wir unabhängig von der Jahreszeit (aus Einmachglä­sern) zu essen bekamen.

Es gab auch Schattense­iten. Wir erlebten Väter, die durch die harte Arbeit gezeichnet waren und sehr oft ihre Rente nicht mehr erlebten. Alles wurde geteilt. Freud, aber auch Leid. Man wusste, dass jemand da war und man nie mit seinen Sorgen und Nöten allein war. Kumpel zu sein wurde zur Lebensphil­osophie. Ich bin später aus dem Ruhrgebiet fortgezoge­n. Meine Heimat und mein Herz sind aber im Pott geblieben. Einmal Kumpel, immer Kumpel. Deutschlan­d hat den Bergleuten viel zu verdanken.

Horst Soltysiak

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