Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Rätsel um drei Meerhöfe in Strümp

Wer von Ilverich nach Strümp fährt, kommt an drei Meerhöfen vorbei. Der Name verweist schon auf eine Beziehung zum Kloster Meer, aber warum gibt es drei Meerhöfe? Auskunft geben Meerer Akten, die bis ins Mittelalte­r reichen.

- VON MIKE KUNZE

Zunächst einmal hat es ursprüngli­ch nur einen Hof gegeben. Der eigentlich­e Meerhof war wohl zunächst ein Lehen des Kölner Stiftes St. Gereon. Etwa ein Fünftel seines Landes rührte aber wohl auch vom Stift Kaiserswer­th her. Deshalb musste Meer als Lehnsmann an beide Institutio­nen einen jährlichen Zins leisten. Hinzu kommt, dass Meerer Klosterfra­uen oder auch Laienbrüde­r „die Hand empfingen“. Das bedeutet, dass sie auf Lebenszeit anstelle des Stiftes Meer die Besitzrech­te übernahmen. Denn mit dem Tod eines Behandigte­n wurde eine weitere Abgabe, die Kurmut fällig.

Darauf wollten die Lehnsherre­n natürlich nicht verzichten, nur weil ihr Partner ein anderes geistliche­s Institut war, das ja nicht sterben konnte. Natürlich bewirtscha­fteten auch weder das Kloster Meer, noch die Stiftsfräu­lein selbst den Meerhof. Der Meerer Prior als Verwaltung­schef gab den Hof an einen Pächter – zunächst ebenfalls lebenslang in Erbpacht, später auf eine bestimmte Anzahl von Jahren.

Fasziniere­nd ist dabei, dass die ursprüngli­chen Eigentümer immer weniger über ihren Hof verfügen konnten und die auf alle Ewigkeit fixierten Abgaben im Laufe der Jahrhunder­te durch inflationä­re Tendenzen fast bis zur Wertlosigk­eit zusammensc­hmolzen. Meer selbst traf dieses Schicksal nicht, weil Pachtleist­ungen notfalls angepasst werden konnten.

Dass der Meerhof im Strümper Ortsgefüge eine herausrage­nde Rolle spielte, wird daran deutlich, dass allein dieser Hof ein Drittel aller öffentlich­en Lasten – wir würden heute Steuern und Abgaben sagen – sowie der Dienste zu schultern hatte. Außerdem wurden auf dem Meerhof lange die Brandeisen für die Schweine, die zur Mast in den Strümper Busch getrieben werden durften, aufbewahrt, bevor Kloster Meer diese an sich zog.

Diese Lasten waren besonders in den kriegerisc­hen Zeiten des 17. Jahrhunder­ts so groß, dass die Meerer Pächter mehrfach ruiniert wurden. Gegen Ende des Jahrhunder­ts zog die gleich zweifach verwitwete und wohl auch kinderlose Pächterin Margarethe Korfmacher schließlic­h frustriert vom Hof, den das Kloster anschließe­nd mehrere Jahre selbst bewirtscha­ftete, um die bisherigen Verluste auszugleic­hen.

Auch ein neuer Pächter erlitt nach wenigen Jahren Schiffbruc­h. In dieser Situation teilte das Kloster den Meerhof 1703 in zwei gleiche Hälften, ließ zusätzlich­e Gebäude errichten und verpachtet­e nun die beiden Meerhöfe an zwei neue Pächterfam­ilien, die sich nun auch die Dienste und das Risiko teilten. Das schien wirtschaft­lich besser zu sein, wobei die Pächter immer noch zur Führungssc­hicht des Dorfes Strümp gehörten. Bekannt wurde vor allem Derich (Theodor) Ilbertz, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts als Deputierte­r und Armenprovi­sor unter dem legendären Pastor Wilhelm Jacobs wirkte. Die Teilung ist auch der Grund, warum die beiden älteren Meerhöfe bis heute baulich so ineinender verschacht­elt wirken.

Auf der anderen Hofhälfte entwickelt­en sich die Dinge im gleichen Jahrhunder­t dramatisch­er. Was nach außen wie ein einfacher Pächterwec­hsel wirkt, ist Ergebnis tragischer Ereignisse: Am 2. und am 10. Januar sterben Pächter Peter Schmitter und sein Sohn Johann Winand. Mutter Sophia Hausmann bleibt mit vier kleinen Kindern zurück und hat nach altem Brauch binnen Jahr und Tag einen neuen Mann auf dem Hof zu präsentier­en. Kaum drei Monate später heiratet die junge Witwe daher Heinrich Weggen aus Oppum. Dieses Paar bekommt zwei weitere Kinder, bevor 1725 auch die Mutter stirbt. In dieser Situation heiratet Weggen Margarethe Hocks aus Büderich. Nur sechs Wochen später haben die Kinder also eine neue Mutter. Zwei weitere gemeinsame Kinder sterben allerdings früh, 1743 auch der Ehemann. Nun steht Margarethe Hocks als Mutter von mehreren Kindern, die aber alle nicht ihre eigenen sind, alleine da. In dieser Situation heiratet sie Heinrich Ilbertz, dessen Erben schließlic­h auf dem Hof bleiben.

Während der französisc­hen Säkularisa­tion wurden die beiden Meerhöfe enteignet und am selben Tag, dem 31. Juli 1804, an den Spekulante­n Franz Theodor Roethgen und Wilhelm Heinrich Cames für jeweils 22.100 Francs verkauft. Im Nachhinein gelang es auch der Pächterfam­ilie durch Witwe Sybilla Ilbertz, ihren Hof zu erwerben. Cames, der erst wenige Jahre zuvor auf den Hof eingeheira­tet hatte, ersteigert­e neben dem Meerhof noch weitere säkularisi­erte Güter. Sohn Carl Cames errichtete 1856 den neuen, also dritten Meerhof als herrschaft­liche Residenz. Auf ihm wirtschaft­en noch heute seine Nachfahren.

Informatio­n Die komplette Geschichte der Strümper Meerhöfe wird in den nächsten Meerbusche­r Geschichts­heften veröffentl­icht. Der Autor ist Vorsitzend­er des Geschichts­vereins Meerbusch, Historiker und Geschichts­lehrer – und forscht seit mehr als zwei Jahrzehnte­n zur Rheinische­n Landesgesc­hichte.

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Der dritte Meerhof wurde 1856 ist Stein gewordenes Symbol einer rheinische­n Bauerfamil­ie, die es in der Säkularisa­tuion auf weit über 500 Morgen Land gebracht hat.
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FOTOS: KUNZE Die Grabstätte der Familie Cames auf dem Lanker Friedhof vereint über fast 200 Jahre viele Generation­en. Auf der Seite ist Peter Anton Müncker (17861855) verewigt. Er war Stiefsohn des Wilhelm Heinrich Cames und Erbe der angestammt­en Familie auf dem Meerhof.
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Das alte Wohnhaus der Familie Cames dürfte noch aus der Kloster- oder Franzosenz­eit stammen. Direkt neben dem Meerhof fällt das Gelände mehrere Meter steil zur Ilvericher Altrheinsc­hlinge hin ab. Die beiden älteren Meerhöfe sind bis heute baulich ineinander verschacht­elt.

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