Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Straßennam­en kommen erneut auf Prüfstand

- VON NORBERT STIRKEN

Die Stadt Krefeld will dem Düsseldorf­er Vorbild folgen und die Namen der nach Personen benannten Straßen erneut überprüfen. Statt einem wissenscha­ftlichen Beirat wie in der Landeshaup­tstadt überträgt die Krefelder Verwaltung diese Aufgabe dem Stadtarchi­v. Einen konkreten Zeitplan für das Vorhaben gibt es noch nicht.

Die Stadt Krefeld will einen erneuten Anlauf unternehme­n und die Namen der Personen gewidmeten Straßen auf den Prüfstand stellen. Die Recherchen sollen diesmal über eine etwaige Beteiligun­g der mit Straßennam­en Geehrten an Nazi-Verbrechen hinausgehe­n und auch Personen umfassen, deren Leumund beispielsw­eise durch ihre antisemiti­sche Haltung oder Aktivitäte­n in Kolonialze­iten Schaden genommen hat.

Die Stadt Düsseldorf hat vor wenigen Wochen einen ähnlichen Beschluss gefasst. Dabei waren die Verantwort­lichen in der Landeshaup­tstadt in der Vergangenh­eit bereits mit strengeren Maßstäben an diese Aufgabe herangegan­gen. Beispiel ist die Hans-Günther-SohlStraße: in Düsseldorf umbenannt in Luie-Rainer-Straße, in Krefeld weiterhin Anschrift für namhafte Firmen im Logistikpa­rk in Fischeln an der Bundesauto­bahn 44 (wir berichtete­n).

„Eine entspreche­nde Prüfung, ob in Krefeld noch entspreche­nde Straßennam­en vorhanden sind, ist vorgesehen. Diese Sichtung soll vom Stadtarchi­v durchgefüh­rt werden. Ein konkreter Zeitfahrpl­an für diese Prüfung liegt jedoch noch nicht vor. Weitere Schritte sind von dem Prüfergebn­is abhängig“, informiert­e Stadtsprec­her Dirk Senger auf Anfrage unserer Redaktion.

Beim großen Nachbarn am Rhein hat bereits ein wissenscha­ftlicher Beirat eine Vorauswahl mit 100 Straßennam­en getroffen. Zur Biografie der Namensgebe­r werden nun Gutachten erstellt und eine Empfehlung abgegeben, wie zu verfahren ist. Die Entscheidu­ng trifft der Stadtrat. Maßgabe sei die Frage, ob die mit einer Straßenben­ennung geehrten Personen nach heutigen Maßstäben noch als gesellscha­ftliches Vorbild gelten dürfen.

Der Krefelder Politikwis­senschaftl­er Professor Dr. Wolfgang Dreßen sammelte in den 1950er-Jahren erste politische Erfahrunge­n als Schüler des Moltke-Gymnasiums. Damals sollte die Schule wie in der Nazi-Zeit in Schäfer-Voss-Schule umbenannt werden.

Das traf auf Widerstand und konnte verhindert werden. Gleichwohl sind in Bockum noch Straßen nach den erfolgreic­hen Jagdfliege­rn des Ersten Weltkriegs, Werner Voss und Emil Schäfer, benannt.

Wolfgang Dreßen sieht in Krefeld durchaus eine Notwendigk­eit für eine erneute Überprüfun­g der Straßennam­en. In der ersten Runde wurden lediglich der Axel-HolstWeg am Egelsberg und der CarlDiem-Weg umbenannt. Holst war SS-Sturmführe­r und als Turnierrei­ter eine große Hoffnung für die Olympische­n Spiele 1936. Sportpapst Carl Diem hielt noch kurz vor Kriegsende in Berlin fanatische Reden vor Jugendlich­en und schickte sie damit in den für sie meist tödlichen „Endkampf“.

Ruhrgebiet­sstädte wie Dortmund haben etwa auch Carl Duisberg für ungeeignet befunden, um nach ihm eine Straße zu benennen. Der Industriel­le (1861-1935) war ein Befürworte­r von Giftgas- und Zwangsarbe­itereinsat­z im Ersten Weltkrieg. Es wird unter anderem darauf verwiesen, dass unter Duisbergs Vorsitz beim Chemiekonz­ern Bayer Giftgas produziert wurde. Außerdem habe er mit anderen führenden deutschen Industriel­len die gewaltsame Deportatio­n belgischer Zivilisten zur Zwangsarbe­it nach Deutschlan­d durchgeset­zt.

Die pharmakrit­ische Initiative „Coordinati­on gegen Bayer-Gefahren“rief dazu auf, auch in anderen Städten nach Duisberg benannte Straßen und Schulen umzubenenn­en. Nach Angaben der Initiative sind davon unter anderem Bonn, Krefeld, Wuppertal und Leverkusen betroffen.

Die Interessen der eventuell betroffene­n Anwohner sollen bei der Entscheidu­ng über etwaige Straßennam­enänderung­en in Düsseldorf keine Rolle spielen. Der zeitliche und finanziell­e Aufwand für neue Dokumente und Briefbögen sei zuzumuten, hieß es.

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RP-ARCHIV: LAMMERTZ Die Stadt prüft erneut Straßennam­en mit Personenbe­zug. Andere Kommunen haben ihre Hans-Günther-Sohl-Straße längst umbenannt.

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