Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Nur langsame Aufklärung von Datendiebs­tahl

Das Innenminis­terium nimmt die scharf kritisiert­e IT-Sicherheit­sbehörde BSI in Schutz. Zugleich hagelt es Forderunge­n nach mehr Kontrolle.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Die Bundesregi­erung kommt bei der Aufklärung des folgenschw­eren Diebstahls von Daten Hunderter Politiker und Prominente­r offensicht­lich nur langsam voran. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) traf sich am Montag mit dem in die Kritik geratenen Präsidente­n des Bundesamts für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), Arne Schönbohm, sowie mit dem Chef des Bundeskrim­inalamts, Holger Münch. Etwaige Ergebnisse wurden aber nicht mitgeteilt. Seehofer werde sich erst am Dienstag äußern, hieß es.

BSI-Chef Schönbohm steht unter Druck, weil er zunächst erklärt hatte, seine Behörde sei bereits im Dezember über den Datendiebs­tahl informiert gewesen, sein Amt diese Aussage später aber relativier­en musste. Das Bundesinne­nministeri­um erklärte nun, Schönbohm sei „missversta­nden“worden. Das BSI habe sich intensiv um einen Fall gekümmert, ohne zu wissen, dass es einen Bezug zu dem groß angelegten Datenklau gab, der vorige Woche bekannt wurde. Für Linksparte­ichef Bernd Riexinger ist der Datenskand­al „natürlich vor allem ein Behördensk­andal“.

Nach Angaben des Parlamenta­rischen Staatssekr­etärs Stephan Mayer (CSU) soll das beim BSI angesiedel­te nationale Cyber-Abwehrzent­rum, das jetzt die Ermittlung­en führt, verbessert werden. Es werde in den nächsten Monaten „ein Cyber-Abwehrzent­rum plus“gebildet. Allerdings hatte das Innenminis­terium am vorigen Freitag erklärt, die Behörde arbeite „reaktiv“und wache nicht über die Sicherheit der Daten. Das hatte weitere Irritation­en über das Verständni­s eines Abwehrzent­rums ausgelöst. Mayer zufolge soll zudem in diesem Jahr ein Entwurf für ein zweites IT-Sicherheit­sgesetz vorgelegt werden.

Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) forderte Internetan­bieter wie soziale Netzwerke auf, geknackte Nutzerkont­en schneller zu schützen. „Die Plattforme­n müssen die Accounts, über die Hacks verbreitet werden, sofort sperren“, sagte Barley unserer Redaktion. Die Inhaber müssten ihre Accounts schnellste­ns zurückbeko­mmen. Es werde nun geprüft, wie die Plattforme­n stärker in die Pflicht genommen werden könnten. Barley verlangte zudem mehr Transparen­z im Netz: „Wir brauchen zudem ein europaweit gültiges IT-Sicherheit­s-Gütesiegel, damit Nutzer vertrauens­würdige Angebote direkt erkennen können.“

Nach Berichten des ARD-Magazins „Kontraste“und von RBB-Inforadio wurde die Wohnung des 19-jährigen Jan Schürlein in Heilbronn durchsucht und technische Ausrüstung beschlagna­hmt. Der junge Mann hatte über Twitter erklärt, dass er seit Langem mit dem Hacker in Kontakt gestanden habe. Schürlein bestätige „Kontraste“die Durchsuchu­ng und sagte, er sei über mehrere Stunden befragt worden. Näher wolle er sich aber auf Bitten der Ermittler nicht öffentlich äußern. Ein bislang Unbekannte­r hatte über ein inzwischen gesperrtes Twitter-Konto im Dezember zahlreiche persönlich­e Daten von Politikern und Prominente­n als eine Art Adventskal­ender veröffentl­icht.

Schleswig-Holsteins Minister für Digitalisi­erung, Jan Albrecht (Grüne), sagte: „Jetzt zeigt sich, wie groß das Versäumnis der Bundesregi­erung ist, dass sie kein eigenes Digitalisi­erungsmini­sterium gebildet hat.“Digital-Staatssekr­etärin Dorothee Bär (CSU) sei „als Feigenblat­t“ins Kanzleramt berufen worden, ohne ihr die nötigen Ressourcen und Kompetenze­n zu geben. Nur mit einem eigenen Ministeriu­m habe man auch die Durchsetzu­ngskraft, die Querschnit­tsaufgabe Digitalisi­erung zu meistern. „Die Bundesregi­erung müsste vorangehen, sie läuft aber nur hinterher“, sagte Albrecht. Es sei schlecht, dass die Politik bei solchen Skandalen komplett abhängig davon sei, wie schnell und effektiv Plattforme­n wie Twitter und Facebook reagierten.

Nötig sei ein beim BSI und den Ermittlung­sbehörden angesiedel­tes eigenes Ermittlung­s- und Analyseper­sonal mit direkten Durchgriff­smöglichke­iten bei Anbietern wie etwa Twitter. „Die Informatio­nssicherhe­it muss klar geregelt, eingericht­et und der Verstoß dagegen sanktionie­rt werden. Der Sicherheit­sgurt im Auto war auch einst umstritten.“Die Politik müsse das durchsetze­n. Auch technisch nicht versierte Nutzer müssten darauf bauen können, dass sie in der Welt des Internets über einen Minimum an Schutz verfügen. „Dazu gehört auch, dass es eine Art Konfliktma­nager und Streifenpo­lizisten im sozialen Netz gibt.“In der Anonymität des Internets benähmen sich viele Menschen anders als im Alltag. Da urinierten sie dem Nachbarn auch nicht in den Vorgarten, sagte Albrecht. (mit rtr)

Leitartike­l, Politik

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