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Nur langsame Aufklärung von Datendiebstahl
Das Innenministerium nimmt die scharf kritisierte IT-Sicherheitsbehörde BSI in Schutz. Zugleich hagelt es Forderungen nach mehr Kontrolle.
BERLIN Die Bundesregierung kommt bei der Aufklärung des folgenschweren Diebstahls von Daten Hunderter Politiker und Prominenter offensichtlich nur langsam voran. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) traf sich am Montag mit dem in die Kritik geratenen Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, sowie mit dem Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch. Etwaige Ergebnisse wurden aber nicht mitgeteilt. Seehofer werde sich erst am Dienstag äußern, hieß es.
BSI-Chef Schönbohm steht unter Druck, weil er zunächst erklärt hatte, seine Behörde sei bereits im Dezember über den Datendiebstahl informiert gewesen, sein Amt diese Aussage später aber relativieren musste. Das Bundesinnenministerium erklärte nun, Schönbohm sei „missverstanden“worden. Das BSI habe sich intensiv um einen Fall gekümmert, ohne zu wissen, dass es einen Bezug zu dem groß angelegten Datenklau gab, der vorige Woche bekannt wurde. Für Linksparteichef Bernd Riexinger ist der Datenskandal „natürlich vor allem ein Behördenskandal“.
Nach Angaben des Parlamentarischen Staatssekretärs Stephan Mayer (CSU) soll das beim BSI angesiedelte nationale Cyber-Abwehrzentrum, das jetzt die Ermittlungen führt, verbessert werden. Es werde in den nächsten Monaten „ein Cyber-Abwehrzentrum plus“gebildet. Allerdings hatte das Innenministerium am vorigen Freitag erklärt, die Behörde arbeite „reaktiv“und wache nicht über die Sicherheit der Daten. Das hatte weitere Irritationen über das Verständnis eines Abwehrzentrums ausgelöst. Mayer zufolge soll zudem in diesem Jahr ein Entwurf für ein zweites IT-Sicherheitsgesetz vorgelegt werden.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) forderte Internetanbieter wie soziale Netzwerke auf, geknackte Nutzerkonten schneller zu schützen. „Die Plattformen müssen die Accounts, über die Hacks verbreitet werden, sofort sperren“, sagte Barley unserer Redaktion. Die Inhaber müssten ihre Accounts schnellstens zurückbekommen. Es werde nun geprüft, wie die Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden könnten. Barley verlangte zudem mehr Transparenz im Netz: „Wir brauchen zudem ein europaweit gültiges IT-Sicherheits-Gütesiegel, damit Nutzer vertrauenswürdige Angebote direkt erkennen können.“
Nach Berichten des ARD-Magazins „Kontraste“und von RBB-Inforadio wurde die Wohnung des 19-jährigen Jan Schürlein in Heilbronn durchsucht und technische Ausrüstung beschlagnahmt. Der junge Mann hatte über Twitter erklärt, dass er seit Langem mit dem Hacker in Kontakt gestanden habe. Schürlein bestätige „Kontraste“die Durchsuchung und sagte, er sei über mehrere Stunden befragt worden. Näher wolle er sich aber auf Bitten der Ermittler nicht öffentlich äußern. Ein bislang Unbekannter hatte über ein inzwischen gesperrtes Twitter-Konto im Dezember zahlreiche persönliche Daten von Politikern und Prominenten als eine Art Adventskalender veröffentlicht.
Schleswig-Holsteins Minister für Digitalisierung, Jan Albrecht (Grüne), sagte: „Jetzt zeigt sich, wie groß das Versäumnis der Bundesregierung ist, dass sie kein eigenes Digitalisierungsministerium gebildet hat.“Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU) sei „als Feigenblatt“ins Kanzleramt berufen worden, ohne ihr die nötigen Ressourcen und Kompetenzen zu geben. Nur mit einem eigenen Ministerium habe man auch die Durchsetzungskraft, die Querschnittsaufgabe Digitalisierung zu meistern. „Die Bundesregierung müsste vorangehen, sie läuft aber nur hinterher“, sagte Albrecht. Es sei schlecht, dass die Politik bei solchen Skandalen komplett abhängig davon sei, wie schnell und effektiv Plattformen wie Twitter und Facebook reagierten.
Nötig sei ein beim BSI und den Ermittlungsbehörden angesiedeltes eigenes Ermittlungs- und Analysepersonal mit direkten Durchgriffsmöglichkeiten bei Anbietern wie etwa Twitter. „Die Informationssicherheit muss klar geregelt, eingerichtet und der Verstoß dagegen sanktioniert werden. Der Sicherheitsgurt im Auto war auch einst umstritten.“Die Politik müsse das durchsetzen. Auch technisch nicht versierte Nutzer müssten darauf bauen können, dass sie in der Welt des Internets über einen Minimum an Schutz verfügen. „Dazu gehört auch, dass es eine Art Konfliktmanager und Streifenpolizisten im sozialen Netz gibt.“In der Anonymität des Internets benähmen sich viele Menschen anders als im Alltag. Da urinierten sie dem Nachbarn auch nicht in den Vorgarten, sagte Albrecht. (mit rtr)
Leitartikel, Politik