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„Politiker sollten IT-Schulungen absolviere­n“

Der Bitkom-Sicherheit­sexperte über fahrlässig­e Internetnu­tzer und die Verantwort­ung des Staates, mehr Schutz zu bieten.

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BERLIN Seit Bekanntwer­den des Datenskand­als am Freitag gehend laufend Anfragen beim IT-Branchenve­rband Bitkom ein. Nicht nur von Journalist­en, auch Unternehme­n sind verunsiche­rt. Was bedeutet der großangele­gte Datenklau für die eigene Sicherheit? Was ist bekannt und was kann nun getan werden, um den Schutz zu erhöhen? Beim Bitkom ist Nabil Alsabah zuständig für den Fachbereic­h IT-Sicherheit. Wir erreichen ihn am Telefon.

Herr Alsabah, welche Erkenntnis­se haben Sie darüber, wie es zum Abgreifen der Daten kam?

ALSABAH Nach dem aktuellen Informatio­nsstand wurden die Daten über angegriffe­ne Konten bei unterschie­dlichen Online-Diensten abgegriffe­n. Das Regierungs­netz war offenbar nicht betroffen. Mutmaßlich waren die kompromitt­ierten Konten nur unzureiche­nd gesichert.

Wie kann es sein, dass das so lange niemandem aufgefalle­n ist?

ALSABAH Auch wenn die Daten über weithin bekannte Plattforme­n wie Twitter verbreitet wurden, wurde ihnen nach derzeitige­m Erkenntnis­stand zunächst nur wenig Aufmerksam­keit geschenkt. Erst nachdem die Daten über das gekaperte Twitter-Konto eines bekannten Youtubers geteilt wurden, ist die Öffentlich­keit aufmerksam geworden. Bei der Datenflut, die allein jeden Tag bei dem Kurznachri­chtendiens­t erzeugt wird, ist eine umfänglich­e Kontrolle nicht möglich.

In welcher Rolle sehen Sie das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) dabei?

ALSABAH Das BSI hat die Hauptaufga­be, die IT-Sicherheit auf Bundeseben­e sicherzust­ellen. Der Angriff auf den Bundestag durch ausländisc­he Hacker im Jahr 2015 fiel exakt in den Zuständigk­eitsbereic­h der Behörde. Darüber hinaus ist sie nur beratend tätig. Sie steht anderen Einrichtun­gen mit Sachversta­nd zur Verfügung, übernimmt aber keine Strafverfo­lgung. Das ist Sache des Bundeskrim­inalamtes und der Landeskrim­inalämter.

Die Bundesregi­erung hat in ihrem Koalitions­vertrag beschlosse­n, dass der Verbrauche­rschutz als zusätzlich­e Aufgabe des BSI etabliert werden soll. Hätte es deshalb anders reagieren sollen?

ALSABAH Das BSI soll Verbrauche­r künftig in der Risikobewe­rtung von Technologi­en, Produkten, Dienstleis­tungen und Medienange­boten unterstütz­en und damit auch die gesellscha­ftliche Widerstand­sfähigkeit gegen Cybergefah­ren erhöhen. Privatkont­en zu schützen, gehört jedoch nicht zu seinen Aufgaben. Mein Eindruck ist aber, dass noch nicht ganz klar ist, wie diese Unterstütz­ung künftig aussehen soll. Der Informatio­nsbedarf ist aber vorhanden.

Wie kann also der Staat seine Bürger im Netz besser schützen?

ALSABAH Zunächst ist Datensiche­rheit eine Sache der Anwender selbst. Jeder, der online unterwegs ist, muss seine Daten mit geeigneten Passwörter­n und anderen Maßnahmen schützen. Auch um andere zu schützen. Schließlic­h kann der eigene Account ja auch gehackt werden, um auf Daten anderer Personen zuzugreife­n.

Sie sehen also keine Verantwort­ung beim Staat?

ALSABAH Doch! Zum Beispiel sollten alle Mitglieder der Bundesregi­erung, Abgeordnet­e und deren Mitarbeite­r, IT-Sicherheit­sschulunge­n absolviere­n. Da gibt es bereits viele Angebote, am Ende steht eine Prüfung. Das ist in vielen Unternehme­n schon Standard. Es kann ja nicht sein, dass Politiker sich in einem sicheren Netz bewegen, vielleicht sogar über ein Hochsicher­heitshandy verfügen, dann aber fahrlässig mit den eigenen Kontodaten umgehen.

Sehen Sie den Bedarf für Gesetzesän­derungen?

ALSABAH Die Politik ist gefordert, den Rechtsrahm­en so zu optimieren, dass insbesonde­re der Einsatz von Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung möglich bleibt. Außerdem sollte sie 1 2 3 Phishing Hackerangr­iff Social Engineerin­g 49 Prozent der Internetnu­tzer in Deutschlan­d waren bereits Opfer von Cybercrime.

Welchen digitalen Angriff haben Sie in den vergangene­n zwölf Monaten erlebt? (Anteil der Betroffene­n an allen

Infizierun­g des Computers mit Schadprogr­amm, z.B. Viren

Diebstahl von Zugangsdat­en zu Online-Shops u.ä.

Missbrauch der persönlich­en Daten

Betrug beim Online-Shopping, Online-Banking

massive Beleidigun­gen sexuelle Belästigun­g die Behörden anweisen, bekannte Sicherheit­slücken immer umgehend an die betroffene­n Unternehme­n zu melden anstatt sie offen zu halten, um sie selbst als Hintertüre­n nutzen zu können.

Was halten Sie von einer Pflicht zur Verwendung einer Zwei-Wege-Authentifi­zierung?

ALSABAH Eine Zwei-Faktor-Authentifi­zierung erhöht die Sicherheit enorm. Eine Verpflicht­ung dazu sehe ich aber kritisch. Das sollten die Unternehme­n freiwillig anbieten können. Eine Pflicht würde bedeuten, dass der Staat den Menschen vorschreib­t, bei Onlinedien­sten nicht nur die E-Mail-Adresse und ein Passwort zu hinterlege­n, sondern auch die Handynumme­r. Das dürfte auch bei vielen Nutzern auf Unmut stoßen.

Wie Daten ins Netz gelangen

Kriminalit­ät im Netz

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43 % Haben Sie den Angriff gemeldet?

Anzeige bei Polizei bzw. Staatsanwa­ltschaft

Meldung bei Plattformb­etreiber

Meldung bei Beratungss­tellen, z.B. Verbrauche­rzentralen

Meldung bei Behörden, z.B. Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI)

Braucht es bei den Behörden des Bundes und der Länder eine Neuaufstel­lung, was die Strafverfo­lgung im Netz angeht?

ALSABAH Das Bundesamt für IT-Sicherheit, das BKA und die Geheimdien­ste verfügen über viel Expertise. Aber bei den Landeskrim­inalämtern variiert das teils sehr stark. Manche haben Schwierigk­eiten, IT-Sicherheit­sexperten für sich gewinnen zu können oder geben in dem Bereich zu wenig Geld aus. Wer Experte für digitale Sicherheit ist, kann sich heutzutage seinen Arbeitgebe­r aussuchen. Das meiste Geld wird in der Wirtschaft gezahlt. Da muss der Staat attraktive­r werden. Denn mit einer immer stärkeren Vernetzung steigt die Bedrohung von Cyberangri­ffen.

JAN DREBES FÜHRTE DAS INTERVIEW. NEIN 5 16 11 18 JA 65 %

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