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Unterhaus stimmt am 15. Januar über den Brexit ab
Die Briten bereiten sich auf den Ernstfall vor, den ungeregelten Austritt aus der EU.
LONDON Der Tag der Entscheidung steht: Am 15. Januar wird das Unterhaus über die Annahme des EU-Austrittsvertrages abstimmen. Premierministerin Theresa May hatte am Wochenende zugesichert, das Votum nicht erneut zu verschieben. Dabei stehen die Chancen schlecht, dass ihr Brexit-Deal vom Haus angenommen wird. May hatte darauf spekuliert, dass die Rebellen in ihrer Fraktion während der Weihnachtspause zur Besinnung kämen. Stattdessen deutet jetzt alles darauf hin, dass die Fronten sich verhärtet haben. Am Mittwoch beginnen die Abgeordneten eine fünftägige Debatte über den Brexit-Deal, die am Dienstag wohl mit einer Niederlage von May enden wird.
Die Regierung bereitet sich auf ein No-Deal-Szenario vor. Denn sollte der Austrittsvertrag abgelehnt werden, steuert Großbritannien automatisch auf einen ungeregelten Brexit am 29. März zu, wie es das einschlägige Austritts-Gesetz vorschreibt. Das würde sofortige Zollschranken bedeuten und den Warenverkehr zwischen Kontinent und Königreich massiv behindern. Bisher durchgesickerte Pläne sehen vor, dass die Armee Soldaten bereitstellen wird, um die Lebensmittelversorgung zu sichern, oder dass die Provinz Nordirland 1000 zusätzliche Polizisten bekommen soll, um mögliche Unruhen zu verhindern. Das Verkehrsministerium hat Reedereien angeheuert, um zusätzliche Fährverbindungen zur Dover-Calais-Strecke bereitzustellen. Als herauskam, dass ein Auftrag an ein Unternehmen ging, das kein einziges Schiff besitzt, regnete es Hohn und Spott, zumal der Fährverkehr über Ramsgate erfolgen soll, dessen Hafen erst noch ausgebaggert werden muss. Am Montag begann in der Grafschaft Kent ein Feldversuch mit rund 100 Lastkraftwagen, um zu testen, wie verstopft die Straßen wären, wenn Lkws wie geplant auf dem Flugplatz Manston zwischengeparkt werden müssen.
Volksvertreter aller Fraktionen schlossen sich am Montag zusammen, um gegen ein No-Deal-Szenario zu protestieren. Sie unterzeichneten einen Brief an Theresa May, in der sie die Premierministerin aufforderten, einen ungeregelten Brexit auszuschließen. Neben den 209 Abgeordneten unterschrieben auch namhafte Wirtschaftsvertreter den Brief. Eine andere Gruppe von Volksvertretern wählt eine Sabotagetaktik, um einen No Deal zu verhindern. Yvette Cooper von Labour und Nicky Morgan von den Konservativen führen eine Handvoll Parlamentarier an, die einen Zusatz zum Finanzgesetz einreichten. Der Zusatz fordert, dass im Fall eines No Deal das Finanzministerium keine Steuern anheben darf ohne den Zuspruch des Parlaments. Ziel der Rebellen ist es, die Regierung finanziell auszubluten.
Vom Rand tönt Boris Johnson, dass ein Chaos-Brexit eine gute Sache wäre. In seiner montäglichen Kolumne im Daily Telegraph, wofür der der ehemalige Außenminister rund 300.000 Euro erhält, postuliert er, dass ein „No Deal das nächstgelegene ist, wofür die Leute im Referendum gestimmt haben“. Und vor einem Chaos sollte man keine Angst haben, auf das Land würden nur vorübergehende „bürokratische und logistische Herausforderungen“zukommen. Unter Wählern der Konservativen findet er Gehör: Eine klare Mehrheit von ihnen würde laut einer Umfrage einen No Deal bevorzugen.