Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Viva Las Vegas, adieu Hannover
Der Erfolg der Technikmesse CES sorgt in Niedersachsen für lange Gesichter. Die CES zeigt die Zukunft, die es für die Cebit nicht gibt.
LAS VEGAS Im Grunde sind Messen ja nichts anderes als ein analoges Amazon: Ein Marktplatz, auf dem sich Menschen und Unternehmen tummeln, um anderen ihre Innovationen anzupreisen. Früher, da brauchte man solche Marktplätze noch überall. In den USA, China, Frankreich und natürlich in Deutschland. Landauf, landab begrüßen Schilder Reisende mit dem Spruch „Willkommen in der Messestadt“. In Wahrheit begrüßte man natürlich nicht nur die Besucher, sondern auch das viele Geld, das sie mitbrachten. Angeblich gab es in manchen Restaurants in den sogenannten Messestädten sogar verschiedene Speisekarten: eine mit normalen und eine mit Messepreisen. Was kostet die Welt, wenn die Firma zahlt?
Doch im Zeitalter des Internets braucht es diese Marktplätze immer weniger. Zwar gilt vielerorts noch immer die Devise, dass nichts den persönlichen Austausch ersetzt. Aber die hohen Kosten eines Messestandes rechtfertigt das nicht automatisch. Und so hat bei den Unternehmen ein Umdenken stattgefunden. Messe ja, aber nur noch die wichtigen.
Für die deutsche Messelandschaft sind das keine guten Nachrichten. Die Mobilfunkbranche trifft sich beim Mobile World Congress in Barcelona – oder bei der CES in Las Vegas. Die Elektronik-Hersteller treffen sich bei der South by Southwest im texanischen Austin – oder bei der CES in Las Vegas. Und die Autohersteller, die immer mehr zu Digitalkonzernen werden wollen? Die gehen einfach auch direkt zur CES nach Las Vegas.
Nach 40 Jahren wurde deswegen zuletzt bereits die frühere Digital-Leitmesse Cebit eingestellt. Auch der Versuch im vergangenen Jahr, aus der angestaubten Veranstaltung ein hippes Digital-Festival zu machen, konnte den Niedergang nicht aufhalten. Die Messestadt Hannover verliert damit eines der wichtigsten Air-100-Drohne Aushängeschilder. „Früher war Microsoft-Gründer Bill Gates da, irgendwann gab es nicht mal mehr Stau bei der Anfahrt“, schreibt die „Welt“in einem Nachruf.
Auch in der Messestadt Frankfurt schwächelt ein Aushängeschild. Viele Autohersteller wie Renault, Volvo oder General Motors verzichten auf die Messe, die früher Pflichttermin für die Branche war: die IAA. Und selbst die deutsche Premiummarke BMW tritt auf die Bremse. Im Herbst wird das Unternehmen laut „Bild“nur noch auf 3000 statt der bisherigen 11.000 Quadratmeter ausstellen. Bei der CES in Las Vegas sind die Münchner dafür längst vertreten.
„Die CES ist Sinnbild der Veränderung des Autos“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Auto-Experte von der Universität Duisburg-Essen: „Technik war früher Stahl, der Zwölf-Zylinder-Motor GanzinAurora-Brille
„Codi“
unter der Haube, die Hochgeschwindigkeitsfahrwerke.“Heute sei Technik das, was in Las Vegas im Mittelpunkt stehe: Internet of Things, 5G, Machine Learning und Artificial Intelligence, Drohnen, Smart Home. „Das Auto ist nur ein Teil davon, ein Beispiel für die Anwendung“, so Dudenhöffer.
Und so ist die CES inzwischen zu einem bunten Sammelsurium von Konsumgütern geworden. Innovationen für das Kinderzimmer werden hier genauso gezeigt wie digitale Gesundheitstechnologie, Smart-City-Lösungen oder E-Sport-Vorführungen, bei denen Zuschauer live dabei sein können, wie andere Computer spielen – und irgendwo dazwischen die deutsche Autoindustrie.
Bei der CES geht es weniger darum, Tausende Gäste an seinen Stand zu locken. Die Besucherzahlen sind automatischen Bäckerei, SpectraX
mit zuletzt rund 180.000 in etwa auf dem Niveau der Cebit aus dem Jahr 2017 (im vergangenen Jahr waren es dann nur noch rund 120.000). Aber es ging auch nie darum, ein Publikumsmagnet zu werden – dafür wäre die Wüstenstadt Las Vegas wohl auch der falsche Standort trotz all der Casino-Hotellerie.
Wichtig ist, dass die richtigen Unternehmen vor Ort sind – und von denen sind bis auf den iPhone-Hersteller Apple, der seit Jahren auf die CES verzichtet, fast alle da. Und gleichzeitig lebt die CES von der Macht der Marke, die die Cebit zuletzt nicht mehr war. Ein Großteil der Kommunikation wird ausgelagert aus den Messehallen ins Internet. Das liegt auch daran, dass vielfach echte Neuheiten gezeigt werden. Da lohnt sich der Besuch auf dem modernen Marktplatz.