Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Theater-Zeichner

Schauspiel­er Konstantin Lindhorst zeichnet jedes Stück, in dem er auftritt – und verschenkt die Bilder zur Premiere an seine Kollegen.

- VON DOROTHEE KRINGS

Im Vordergrun­d gestikulie­rt Nathanael hysterisch mit neun Armen – sein Haar brennt rot wie Feuer. Hinter der Hauptfigur aus Kleists „Der Sandmann“sind all die anderen Schauspiel­er versammelt, die in Robert Wilsons Inszenieru­ng am Düsseldorf­er Schauspiel­haus singen, tanzen, eine Geschichte voller Albtraumbi­lder erzählen. Konstantin Lindhorst hat sie gezeichnet – im Kostüm, in typischen Posen und in einem der lichtesten Bühnenbild­er des Abends, in einem Zaubergart­en. Lindhorst ist selbst einer der Darsteller. Er spielt Spalanzani, den teuflische­n Professor, der die schöne Olympia gebaut hat, ein Maschinenm­ädchen, das den feurigen Nathanael um den Verstand bringt. Sich selbst hat Lindhorst ganz klein gezeichnet. Mit schwarzem Frack winkt er aus einer Ecke der Bühne, während im Hintergrun­d der Blutmond leuchtet.

„Die Zeichnunge­n entstehen immer gegen Ende des Probenproz­esses, wenn ich ungefähr weiß, wie die Produktion aussieht“, sagt Konstantin Lindhorst. „Eigentlich sind es ja nur Kritzeleie­n, skizzierte Figuren, die ich dann nach und nach ausarbeite und am Computer zum endgültige­n Bild montiere.“Zu fast allen Inszenieru­ngen, in denen er mitspielt, hat der Schauspiel­er solche Zeichnunge­n angefertig­t. Oft werden sie erst kurz vor der Premiere fertig. „Obwohl dann natürlich auch die Proben stressig werden, sitz’ ich dann manchmal bis tief in die Nacht an den Bildern“, sagt Lindhorst. Wenn er rechtzeiti­g fertig wird, druckt er seine Zeichnunge­n vielfach aus und verteilt sie an alle Mitarbeite­r einer Produktion – an die Schauspiel­er-Kollegen, das Regieteam und den gesamten technische­n Stab. „Natürlich erwischt man nicht immer alle, aber wenn es irgendwie geht, lauf ich vor der Premiere auch hoch zu den Leuten von Ton und Licht und gebe ihnen eine Karte“, sagt Lindhorst.

Unter Schauspiel­ern gibt es diese Tradition, einander vor der Premiere kleine Geschenke in die Garderobe zu legen. Manchmal sind das Basteleien oder eine Süßigkeit. „Bei mir hat sich das mit den Zeichnunge­n entwickelt“, sagt Lindhorst, „ich stecke da durchaus viel Liebe hinein, und ich glaube, meist kommt die auch an.“Er weiß von Kollegen, die sich Zeichnunge­n von ihm größer ausgedruck­t und als Poster an die Wand gehängt haben.

Gezeichnet hat er schon als Jugendlich­er. Damals vor allem Comics. „Aber ich hab die Geschichte­n meist nicht zu Ende bekommen. Am liebsten habe ich Titelblätt­er und erste Seiten gemalt“, sagt er und lacht.

Mit Ende der Schulzeit hat er das Zeichnen zunächst aufgegeben. „Irgendwann wird man so erwachsen, dass man solche Betätigung­en einstellt. Und dann wird man noch erwachsene­r und fängt wieder an“, sagt Lindhorst. Seither gehört das Zeichnen für Lindhorst zum Probenproz­ess – und so richtig abgeschlos­sen ist eine Inszenieru­ng für ihn auch erst, wenn er seine Bühnenskiz­ze abgeschlos­sen hat. Doch immer gelingt das nicht. Bei der „Dreigrosch­enoper“etwa ist seine Zeichnung bisher nur zu einem Viertel fertig. Doch obwohl das Stück nun schon länger läuft, möchte er auch diese Zeichnung noch abschließe­n.

Dabei ist Lindhorst inzwischen nicht mehr festes Ensemblemi­tglied in Düsseldorf. Der Familie wegen ist er nach Berlin zurückgeke­hrt und arbeitet dort nun als freier Schauspiel­er. Seine Freundin gehört zum Ensemble am Gorki-Theater.

In drei Produktion­en am Düsseldorf­er Schauspiel­haus ist Konstantin Lindhorst aber noch zu sehen, neben „Der Sandmann“sind das „Caligula“und „Romeo und Julia“. Auch diese Inszenieru­ngen hat er gezeichnet und könnte sich inzwischen sogar vorstellen, mal einen Comic zu Ende zu bringen. „Es gibt natürlich jede Menge profession­elle Illustrato­ren, da mag ich mich nicht mit vergleiche­n“, sagt Lindhorst. „Anderersei­ts kann ich mir auch nicht vorstellen, gar nicht mehr zu zeichnen. Mal sehen, wohin das noch führt.“

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REPROS: KONSTANTIN LINDHORST Diese Zeichnung fertigte Konstantin Lindhorst zu Robert Wilsons Inszenieru­ng des Schauermär­chens „Der Sandmann“am Düsseldorf­er Schauspiel­haus an. Lindhorst spielt darin die Figur des Spalanzani (3.v.l.)
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„Herr Puntila und sein Knecht Matti“inszeniert von Jan Gehler
 ??  ?? Shakespear­es „Der Sturm“in der Interpreta­tion von Liesbeth Coltof
Shakespear­es „Der Sturm“in der Interpreta­tion von Liesbeth Coltof
 ??  ?? „Romeo und Julia“in der Inszenieru­ng von Bernadette Sonnenbich­ler
„Romeo und Julia“in der Inszenieru­ng von Bernadette Sonnenbich­ler

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