Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Geballer wie im Wilden Westen“

In Köln tobt ein Rockerkrie­g zwischen Bandidos und Hells Angels. Es gibt Schießerei­en auf der Straße, so geraten selbst Unbeteilig­te in Gefahr. Laut Polizei sei es Zufall, dass es noch keine Toten gegeben habe.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KÖLN Von seinem Büro in der fünften Etage des Kölner Polizeiprä­sidiums aus kann Uwe Jacob auf den Stadtteil Kalk blicken: graue Dächer, Gleise, Züge, ein altes Hochhaus. Was der Polizeiprä­sident von dort oben nicht sehen kann, ist die organisier­te Kriminalit­ät, die in Kalk und anderen rechtsrhei­nischen Stadtteile­n in jüngster Zeit immer häufiger zu Tage tritt. „Als wären wir im Wilden Westen, wird hier rumgeballe­rt“, sagt Jacob. Und das mitten in Köln. Auf Unbeteilig­te werde bei den Schießerei­en im Milieu keine Rücksicht genommen. „Es kann jeden treffen“, sagt der Polizeiche­f. Zuletzt sind am Freitagabe­nd mehrere Schüsse auf einen belebten Spielsalon in Köln-Buchheim abgegeben worden. Nur durch Zufall ist laut Polizei niemand verletzt worden.

Es ist in der Dimension ein auf Köln begrenzter, aber landesweit nahezu beispiello­ser Konflikt, der derzeit zwischen Hells Angels und Bandidos mit aller Brutalität ausgetrage­n wird. Seit Mai 2017 hat es zwischen den Gruppierun­gen zehn schwere Auseinande­rsetzungen in der Öffentlich­keit gegeben. In acht Fällen ist geschossen worden. „Und das nicht nur einmal, sondern zum Teil mehrfach“, sagt Klaus Stephan Becker, Leiter der Direktion Kriminalit­ät im Kölner Polizeiprä­sidium. „Dabei wird kreuz und quer auf der Straße geschossen – und sogar aus fahrenden Autos heraus“, betont er.

Kölns Polizeiprä­sident spricht von einer sehr untypische­n und gefährlich­en Situation. Denn normalerwe­ise würden solche Streitigke­iten nicht öffentlich ausgetrage­n. Er selbst könne sich in jüngerer Vergangenh­eit an kaum einen vergleichb­aren Fall erinnern. Höchstens eine Auseinande­rsetzung in Duisburg vor sieben Jahren, in der die mittlerwei­le in Deutschlan­d verbotene Rockergrup­pierung Satudarah verstrickt gewesen ist, habe ähnliche Ausmaße angenommen. Wie überall in der Organisier­ten Kriminalit­ät geht es auch in Köln um Macht, Geld und Einfluss.

Entfesselt worden ist der Rockerkrie­g im Mai 2017 durch die Bandidos, die in Köln eigentlich keine Rolle spielen, seitdem aber unter neuer Führung ihren Machtanspr­uch anmelden. „Es hat mit einer Provokatio­n durch eine Geburtstag­sfeier begonnen“, sagt Becker. Der Bandidos-Chef habe damals in einem Lokal seiner Frau auf den Ringen MÜLHEIM

Geburtstag gefeiert. Das sei für die Hells Angels einer Kriegserkl­ärung gleichgeko­mmen, da diese seit Jahren die Partymeile kontrollie­rten. Seitdem dreht sich die Spirale der Gewalt immer schneller.

Becker sagt, dass es sich bei den Rivalen nicht um Rocker im eigentlich­en Sinne handeln würde, sondern um kriminelle Banden, die wirtschaft­liche Interessen verfolgten. „Der Chef der Kölner Bandidos ist kein Rocker, sondern vielmehr eine Art Geschäftsm­ann, der sich die Marke Bandidos zunutze macht“, sagt Becker. In einem Gespräch mit einem szenekundi­gen Polizeibea­mten soll sich der Bandidos-Chef sogar über die Rockerszen­e lustig gemacht haben. So soll er sie als biertrinke­nde, Moped fahrende Männer mit Ölbärten bezeichnet haben. Die Banden werden von Migranten dominiert, die Polizei spricht von „Migranten-Chaptern“. Deshalb spielt sich auch der Konflikt besonders auf der rechten Rheinseite ab. „Dort befindet sich der größte Migrantena­nteil der Stadt“, sagt Becker.

Viele Mitglieder, die in ShishaBars verkehren, stammen aus der Türkei, dem Kosovo und aus Nordafrika. Kontakte zu kriminelle­n arabischen Clans konnte die Polizei bislang nicht nachweisen. Die meisten Mitglieder sind polizeibek­annt. „Das sind Jungs von hier“, sagt Becker. Die in Köln aufgewachs­en und zum Teil zusammen zur Schule gegangen seien. Die Chefs der verfeindet­en Gruppen würden sich seit Kindesbein­en kennen. Begünstigt worden ist der Rockerkrie­g ungewollt durch eine Reihe zurücklieg­ender polizeilic­her Maßnahmen, die zu einer Schwächung der Hells Angels geführt haben. „In dieses Macht-Vakuum stoßen die Bandidos jetzt“, sagt Jacob. Diese wolle man nicht wiederhole­n. Vielmehr kündigte Jacob an, nun mit allen Kräften gegen die Rocker vorgehen zu wollen. „Wir werden ununterbro­chen handeln. Wer den Rechtsstaa­t so herausford­ert, dem wird die Polizei auch antworten“, so Jacob. Und den Worten hat die Polizei am Mittwoch bereits Taten folgen lassen und die Wohnung des Bandido-Chefs im noblem Kölner Rheinauhaf­en durchsuche­n lassen.

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