Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Geballer wie im Wilden Westen“
In Köln tobt ein Rockerkrieg zwischen Bandidos und Hells Angels. Es gibt Schießereien auf der Straße, so geraten selbst Unbeteiligte in Gefahr. Laut Polizei sei es Zufall, dass es noch keine Toten gegeben habe.
KÖLN Von seinem Büro in der fünften Etage des Kölner Polizeipräsidiums aus kann Uwe Jacob auf den Stadtteil Kalk blicken: graue Dächer, Gleise, Züge, ein altes Hochhaus. Was der Polizeipräsident von dort oben nicht sehen kann, ist die organisierte Kriminalität, die in Kalk und anderen rechtsrheinischen Stadtteilen in jüngster Zeit immer häufiger zu Tage tritt. „Als wären wir im Wilden Westen, wird hier rumgeballert“, sagt Jacob. Und das mitten in Köln. Auf Unbeteiligte werde bei den Schießereien im Milieu keine Rücksicht genommen. „Es kann jeden treffen“, sagt der Polizeichef. Zuletzt sind am Freitagabend mehrere Schüsse auf einen belebten Spielsalon in Köln-Buchheim abgegeben worden. Nur durch Zufall ist laut Polizei niemand verletzt worden.
Es ist in der Dimension ein auf Köln begrenzter, aber landesweit nahezu beispielloser Konflikt, der derzeit zwischen Hells Angels und Bandidos mit aller Brutalität ausgetragen wird. Seit Mai 2017 hat es zwischen den Gruppierungen zehn schwere Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit gegeben. In acht Fällen ist geschossen worden. „Und das nicht nur einmal, sondern zum Teil mehrfach“, sagt Klaus Stephan Becker, Leiter der Direktion Kriminalität im Kölner Polizeipräsidium. „Dabei wird kreuz und quer auf der Straße geschossen – und sogar aus fahrenden Autos heraus“, betont er.
Kölns Polizeipräsident spricht von einer sehr untypischen und gefährlichen Situation. Denn normalerweise würden solche Streitigkeiten nicht öffentlich ausgetragen. Er selbst könne sich in jüngerer Vergangenheit an kaum einen vergleichbaren Fall erinnern. Höchstens eine Auseinandersetzung in Duisburg vor sieben Jahren, in der die mittlerweile in Deutschland verbotene Rockergruppierung Satudarah verstrickt gewesen ist, habe ähnliche Ausmaße angenommen. Wie überall in der Organisierten Kriminalität geht es auch in Köln um Macht, Geld und Einfluss.
Entfesselt worden ist der Rockerkrieg im Mai 2017 durch die Bandidos, die in Köln eigentlich keine Rolle spielen, seitdem aber unter neuer Führung ihren Machtanspruch anmelden. „Es hat mit einer Provokation durch eine Geburtstagsfeier begonnen“, sagt Becker. Der Bandidos-Chef habe damals in einem Lokal seiner Frau auf den Ringen MÜLHEIM
Geburtstag gefeiert. Das sei für die Hells Angels einer Kriegserklärung gleichgekommen, da diese seit Jahren die Partymeile kontrollierten. Seitdem dreht sich die Spirale der Gewalt immer schneller.
Becker sagt, dass es sich bei den Rivalen nicht um Rocker im eigentlichen Sinne handeln würde, sondern um kriminelle Banden, die wirtschaftliche Interessen verfolgten. „Der Chef der Kölner Bandidos ist kein Rocker, sondern vielmehr eine Art Geschäftsmann, der sich die Marke Bandidos zunutze macht“, sagt Becker. In einem Gespräch mit einem szenekundigen Polizeibeamten soll sich der Bandidos-Chef sogar über die Rockerszene lustig gemacht haben. So soll er sie als biertrinkende, Moped fahrende Männer mit Ölbärten bezeichnet haben. Die Banden werden von Migranten dominiert, die Polizei spricht von „Migranten-Chaptern“. Deshalb spielt sich auch der Konflikt besonders auf der rechten Rheinseite ab. „Dort befindet sich der größte Migrantenanteil der Stadt“, sagt Becker.
Viele Mitglieder, die in ShishaBars verkehren, stammen aus der Türkei, dem Kosovo und aus Nordafrika. Kontakte zu kriminellen arabischen Clans konnte die Polizei bislang nicht nachweisen. Die meisten Mitglieder sind polizeibekannt. „Das sind Jungs von hier“, sagt Becker. Die in Köln aufgewachsen und zum Teil zusammen zur Schule gegangen seien. Die Chefs der verfeindeten Gruppen würden sich seit Kindesbeinen kennen. Begünstigt worden ist der Rockerkrieg ungewollt durch eine Reihe zurückliegender polizeilicher Maßnahmen, die zu einer Schwächung der Hells Angels geführt haben. „In dieses Macht-Vakuum stoßen die Bandidos jetzt“, sagt Jacob. Diese wolle man nicht wiederholen. Vielmehr kündigte Jacob an, nun mit allen Kräften gegen die Rocker vorgehen zu wollen. „Wir werden ununterbrochen handeln. Wer den Rechtsstaat so herausfordert, dem wird die Polizei auch antworten“, so Jacob. Und den Worten hat die Polizei am Mittwoch bereits Taten folgen lassen und die Wohnung des Bandido-Chefs im noblem Kölner Rheinauhafen durchsuchen lassen.