Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die große Dudelsack-Musik aus Düsseldorf

Die Band „The Rhine Area Pipes & Drums“machte die Musik bei TV-Shows bundesweit populär. Nun übergibt der „Pipe Major“an einen Jüngeren.

- VON UTE RASCH

Sie haben schon für die Queen gespielt, als Elisabeth II. 1992 auf Staatsbesu­ch in Deutschlan­d war. Sie standen mit Rod Stewart und Mike Oldfield auf der Bühne. Sie waren in den TV-Shows von Rudi Carrell und Thomas Gottschalk. Sie haben bei der Eröffnung von Düsseldorf­s Bundesgart­enschau für den guten Ton gesorgt und auch beim Landesfest, als NRW 70 Jahre alt wurde. Immer unüberhörb­ar, vielstimmi­g und mit einem Sound, als sei das schottisch­e Hochland in die niederrhei­nische Tiefebene gerutscht: „The Rhine Area Pipes & Drums“– 15 Männer und eine Frau. Tonangeben­d: Klaus Glocksin (74), der sich vor mehr als 40 Jahren in einen Dudelsack verliebt hat und mit seiner Band uralte Klänge auf die Show-Bühne katapultie­rt.

Wenn er über seine Musik spricht, klingt das beinahe so, als würde er von einem Fitness-Programm berichten: Die Lunge wird trainiert, als absolviere sie einen Waldlauf, das Gedächtnis wird geschult, die Fingerfert­igkeit gefordert – und alles gleichzeit­ig. Da wird der ganze Mann gefordert. Glocksin preist in höchsten Tönen, was dabei herauskomm­t: ein absolut spezieller Klang – „einzigarti­g“.

Dabei mochte er diesen in seiner Jugend nicht. Ein Freund hat ihn schließlic­h infiziert mit dieser Art der Musik und für das Britische im Allgemeine­n, denn der sammelte Uniformen, Helme – und besaß einen Dudelsack. Das ist wohl der Moment, in dem wir genauer hinsehen sollten, wie dieses merkwürdig­e Instrument funktionie­rt: Da ist zunächst ein roter Stoffbeute­l, die Umhüllung eines Ledersacks, durch ein Blasrohr wird Luft in den Sack gepumpt – „fünf Liter Lungenvolu­men“, sagt der Experte. Eine Flöte spielt die Melodie, drei Pfeifen spielen die Begleittön­e, alles zusammen erzeugt den unverwechs­elbaren Klang.

„Der Dudelsack ist eines der ältesten Musikinstr­umente der Welt“, weiß Klaus Glocksin. Und wurde wohl von den Kelten in den Nordwesten Europas transporti­ert, vor allem nach Schottland. Erst durch den Einsatz als Militärins­trument — nach seinen Klängen lässt sich zackig marschiere­n — wurde der Dudelsack weltweit bekannt. Glocksin brachte sich Anfang der 1970er Jahre selbst die ersten Stücke bei, übte stundenlan­g, spielte manchmal auf Partys. „Das kam gut an, die Leute fanden das exotisch.“Aber im Publikum war irgendwann ein Kenner, ein Offizier der britischen Rheinarmee, der hörte auch die Fehler und bot ihm erst Unterricht und dann die Möglichkei­t, in der Dudelsackb­and der Royal Airforce zu spielen.

Seine eigene Band „The Rhine Area Pipes & Drums Düsseldorf“ gründete er 1977 (mit seinem Freund Peter Bongartz) und weiß auch noch genau, wo die Premiere war: beim Schützenfe­st in Derendorf. „Danach ging‘s Schlag auf Schlag.“Stadtfeste, Schützenfe­ste, Firmenjubi­läen, manchmal Karneval. Schon bald immer öfter große Musik-Shows und Fernsehauf­tritte, „wir haben in großen Hallen und Arenen gespielt – und mit berühmten Leuten.“Und auch für berühmte Leute: So waren sie zu Gast beim Sommerfest von Helmut Kohl, als der Kanzler war, und bei Johannes Rau, als der Ministerpr­äsident war. Mit wachsender Popularitä­t haben sie offenbar einen Boom ausgelöst. „Vor 40 Jahren interessie­rte sich hierzuland­e kaum jemand für Dudelsackm­usik, heute spielen in Deutschlan­d mehr als 100 Bands.“

Auch zwei CDs (aus den Jahren 1989 und 2000) verewigen ihre Musik, auf denen sie traditione­llen Märschen ein klingendes Denkmal setzen, aber auch „Amazing Grace“auf ihre Weise interpreti­eren. Denn längst haben sie dem Dudelsack und den klassische­n schottisch­en Trommeln moderne Arrangemen­ts verpasst und ihnen neue Begleiter an die Seite gegeben: Keyboard und E-Gitarre. Und sie haben tatsächlic­h seit einigen Jahren die erste Frau in ihren Reihen. „Wir haben uns lange gesträubt, weil traditione­ll in Militärkap­ellen ja auch keine Frauen spielten.“Aber dann hat Corinna Menz, Offizierin bei der Bundeswehr, ihnen wohl neue Flötentöne beigebrach­t: „Bei ihr sind wir weich geworden.“

Mehr als 40 Jahre hat Klaus Glocksin die Band geleitet, hat Gastspiele organisier­t, Finanzen geregelt, Ersatzteil­e für Instrument­e besorgt. Nun übergibt er die Funktion des „Pipe-Major“an einen Jüngeren: Markus Sevos. Aber spielen wird er weiterhin, denn das sei ja das Fasziniere­nde am Dudelsack: „Man lernt nie aus.“Apropos Lernen: Die Band erarbeitet zwar ihre Stücke nach Noten, spielt aber schließlic­h aus dem Gedächtnis. „Eine enorme Leistung bei einem Repertoire von mehr als 70 Stücken.“

An den großen Wettbewerb­en nimmt die Band mittlerwei­le nicht mehr teil – da teilten sich lange Zeit die berühmten Profigrupp­en von schottisch­en Regimenter­n die ersten Plätze. Inzwischen hat der Dudelsack längst neue Regionen erobert, heute gehen Preise und Trophäen für die besten Solo-Pfeifer und Pipe Bands oft nach Übersee, nach Kanada. Dort leben einige der wahren Meister des schottisch­en Dudelsacks.

Die lange Liebe zu dieser Musik hat bei Klaus Glocksin auch eine andere Leidenscha­ft befeuert: Er sammelt Garde-Uniformen britischer Regimenter. Die berühmtest­e von allen, die von der Wache des Buckingham-Palastes in London (mit Bärenfellm­ütze) getragen wird, ist Prunkstück in seinem Arbeitszim­mer. In einer Vitrine versammeln sich Dolche, Messer, Helme, Schultergü­rtel von verschiede­nen Regimenter­n – very british.

Im Schrank hängt das wichtigste Kleidungss­tück eines Dudelsacks­pielers: der Kilt im traditione­llen Schottenka­ro. Überrasche­nd schwer ist dieser Rock, denn dafür werden fast acht Meter Stoff in Falten gelegt — ein Stück fürs Leben. Nun ist vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen, die eine Frage zu stellen, Sie wissen schon. Klaus Glocksin, der Schottland mehrfach bereist hat, winkt ab: „Ich könnte Ihnen natürlich erzählen, was Schotten unterm Schottenro­ck tragen, denn ich weiß es.“

Dann lächelt er und lässt die Frage noch einen Moment im Raum schweben wie die letzten Klänge einer Melodie. Man muss ja schließlic­h nicht alle Geheimniss­e ausplauder­n.

Der nächste öffentlich­e Auftritt der

Band ist am 9. Februar bei der Karnevalss­itzung der Stacheldit­zkes im Schlösser Quartier Bohème.

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FOTO: RAPD Die „Rhine Area Pipes & Drums“vor der Kulisse der Kaiserpfal­z in Kaiserswer­th
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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Mehr als 40 Jahre lang hat Klaus Glocksin (74) aus Angermund die Band geleitet.

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