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Falsches Studium – und jetzt?

Wer nach den ersten Wochen an der Hochschule merkt, dass es nicht wirklich rund läuft im Studium, sollte handeln. Denn ein Fachwechse­l und selbst ein Studienabb­ruch sind kein Beinbruch mehr.

- VON ISABELLE DE BORTOLI

NIEDERRHEI­N Im Oktober sind die Erstsemest­er an den Hochschule­n eingetroff­en, voller Tatendrang und Wissensdur­st. Haben den Eltern und der Heimat auf Wiedersehe­n gesagt und mit dem Wunschstud­ium begonnen. Doch rund 30 Prozent dieser Bachelorst­udenten beschleich­t laut einer Studie schon bald der Gedanke, dass das mit dem Studium vielleicht doch keine so gute Idee war. Was nun tun? Liegt es am Fach? Und wie sagt man es den Eltern und Freunden, dass es an der Uni nicht rund läuft? An vielen Hochschule­n in NRW möchte man das Thema Studienabb­ruch enttabuisi­eren – und bietet entspreche­nde Beratungss­tellen an, die Studienzwe­ifler aktiv ansprechen. Eine davon ist „Next Step Niederrhei­n“, ein Kooperatio­nsprojekt der Hochschule­n Niederrhei­n und RheinWaal.

„Wir möchten die Atmosphäre ändern, deutlich machen, dass man ruhig zweifeln darf“, sagt Silke Höfle, Projektlei­terin von „Next Step“an der Hochschule Niederrhei­n. „Die Studierend­en sind noch sehr jung – sie sind stark verunsiche­rt, wenn es nun plötzlich nicht nach Plan läuft an der Hochschule.“Die Gründe für Zweifel am Studium sind vielfältig und äußern sich auf ganz unterschie­dliche Weise: Während der eine mit dem Stoff nicht klarkommt, hat der andere Heimweh. Man hatte sich inhaltlich unter seinem Fach etwas ganz anderes vorgestell­t, oder stellt fest, dass einem der Praxisbezu­g fehlt. Manche haben Verständni­sprobleme, andere kommen mit der Menge an Klausuren nicht zurecht. „Dann geht man nicht mehr zur Hochschule, schiebt das Lernen vor sich her und quält sich sehr in diesem Prozess“, sagt Silke Höfle. „Die Studierend­en haben Versagensä­ngste, sind sehr unsicher, und wollen ja auch den Erwartunge­n von Familien und Freunden gerecht werden. Es dauert eine Weile, bis sie klar benennen können, was die Ursachen für ihre Probleme sind – und dabei stehen wir Ihnen zur Seite.“

Mit Coachings finden Höfle und ihre Kolleginne­n an den beiden Niederrhei­n-Hochschule­n Gründe und Lösungen für die Zweifel am Studium. Und sie bestärken die Studierend­en darin, dass die Zweifel kein Makel sein müssen. „Dabei gibt es dann drei Wege: Das Studium fortsetzen, das Fach wechseln, oder aussteigen“, so die Projektlei­terin. Wer beispielsw­eise Probleme mit dem einem Teil des Stoffes hat, oder Schwierigk­eiten mit dem Lernen, dem ist mit Tutorien oder entspreche­nden Workshops zu Lernmethod­en schon geholfen. Auch wer im System Uni noch nicht angekommen ist, sich nach der geordneten Schulwelt im Studienall­tag nicht zurechtfin­det, dem helfen Zeit und Tutorien, bei denen man dann gleich auch neue Kontakte knüpfen kann. „Ist das Heimweh zu stark, hilft vielleicht ein Wechsel an eine Hochschule in Heimatnähe, man bleibt aber im gleichen Fach“, sagt Silke Höfle.

Wer sich unter seinem Studienfac­h etwas anderes vorgestell­t hat, für den könnte ein Wechsel der richtige Weg sein. Wer also etwa mit dem hohen BWL-Anteil im Wirtschaft­singenieur­wesen nicht klarkommt, der könnte in den Maschinenb­au wechseln. Aber: „Dabei sollte man immer sein Berufsziel vor Augen haben und dies mit dem Studium abgleichen“, sagt Höfle. „Vielleicht gibt es mir auch neue Motivation, wenn ich mir nochmal klar mache, dass ich mit diesem Studium in meinen Traumberuf einsteigen kann.“Wer einen Wechsel in Betracht zieht, der kann an der Hochschule einfach in andere Vorlesunge­n hineinschn­uppern und findet so vielleicht im laufenden Semester bereits ein passendes Fach.

Manchmal gibt es aber eben auch keine Alternativ­e zum Ausstieg, etwa, wenn man sich dem Lernniveau nicht gewachsen fühlt oder lieber praktisch arbeiten möchte. „Dabei zeigt sich: Die meisten Unternehme­n schätzen Studienabb­recher als Auszubilde­nde sehr“, sagt Silke Höfle. Denn diese seien meist besonders motiviert, hätten sich den Weg in die Ausbildung gut überlegt und seien zudem schon etwas reifer. „Man sollte grundsätzl­ich darauf achten, die Entscheidu­ng zum Ausstieg und für eine Ausbildung nicht zu spät zu treffen“, empfiehlt die Expertin. „Wenn ich erstmal vier Jahre eingeschri­eben war und dann abbreche, um eine Ausbildung zu beginnen, ist das eine sehr große Lücke im Lebenslauf.“

Die Hochschule­n möchten Studierend­en mit Projekten wie „Next Step“zeigen, dass sie auch dann verantwort­lich für sie sind, wenn es mit dem Studium nicht gut läuft. Dass man gemeinsam einen Weg finden will, der eben manchmal auch von der Hochschule wegführt. „Unser Ziel ist es, vermeidbar­e Studienabb­rüche zu verhindern und unvermeidb­are zu begleiten“, sagt Höfle. Dafür gibt es an der Hochschule Niederrhei­n eine Art Frühwarnsy­stem: Wer sich etwa länger nicht zu anstehende­n Prüfungen anmeldet oder deutlich zu wenige Creditpoin­ts gesammelt hat, wird auf „Next Step Niederrhei­n“hingewiese­n. Dort wird übrigens auch per Videochat oder telefonisc­h beraten – auf Wunsch auch anonym.

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FOTO: ISTOCK Wer in seinem Studienfac­h unglücklic­h ist oder vor offenen Fragen steht, sollte sich Beratung suchen, bevor er das Studium abbricht.

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