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Falsches Studium – und jetzt?
Wer nach den ersten Wochen an der Hochschule merkt, dass es nicht wirklich rund läuft im Studium, sollte handeln. Denn ein Fachwechsel und selbst ein Studienabbruch sind kein Beinbruch mehr.
NIEDERRHEIN Im Oktober sind die Erstsemester an den Hochschulen eingetroffen, voller Tatendrang und Wissensdurst. Haben den Eltern und der Heimat auf Wiedersehen gesagt und mit dem Wunschstudium begonnen. Doch rund 30 Prozent dieser Bachelorstudenten beschleicht laut einer Studie schon bald der Gedanke, dass das mit dem Studium vielleicht doch keine so gute Idee war. Was nun tun? Liegt es am Fach? Und wie sagt man es den Eltern und Freunden, dass es an der Uni nicht rund läuft? An vielen Hochschulen in NRW möchte man das Thema Studienabbruch enttabuisieren – und bietet entsprechende Beratungsstellen an, die Studienzweifler aktiv ansprechen. Eine davon ist „Next Step Niederrhein“, ein Kooperationsprojekt der Hochschulen Niederrhein und RheinWaal.
„Wir möchten die Atmosphäre ändern, deutlich machen, dass man ruhig zweifeln darf“, sagt Silke Höfle, Projektleiterin von „Next Step“an der Hochschule Niederrhein. „Die Studierenden sind noch sehr jung – sie sind stark verunsichert, wenn es nun plötzlich nicht nach Plan läuft an der Hochschule.“Die Gründe für Zweifel am Studium sind vielfältig und äußern sich auf ganz unterschiedliche Weise: Während der eine mit dem Stoff nicht klarkommt, hat der andere Heimweh. Man hatte sich inhaltlich unter seinem Fach etwas ganz anderes vorgestellt, oder stellt fest, dass einem der Praxisbezug fehlt. Manche haben Verständnisprobleme, andere kommen mit der Menge an Klausuren nicht zurecht. „Dann geht man nicht mehr zur Hochschule, schiebt das Lernen vor sich her und quält sich sehr in diesem Prozess“, sagt Silke Höfle. „Die Studierenden haben Versagensängste, sind sehr unsicher, und wollen ja auch den Erwartungen von Familien und Freunden gerecht werden. Es dauert eine Weile, bis sie klar benennen können, was die Ursachen für ihre Probleme sind – und dabei stehen wir Ihnen zur Seite.“
Mit Coachings finden Höfle und ihre Kolleginnen an den beiden Niederrhein-Hochschulen Gründe und Lösungen für die Zweifel am Studium. Und sie bestärken die Studierenden darin, dass die Zweifel kein Makel sein müssen. „Dabei gibt es dann drei Wege: Das Studium fortsetzen, das Fach wechseln, oder aussteigen“, so die Projektleiterin. Wer beispielsweise Probleme mit dem einem Teil des Stoffes hat, oder Schwierigkeiten mit dem Lernen, dem ist mit Tutorien oder entsprechenden Workshops zu Lernmethoden schon geholfen. Auch wer im System Uni noch nicht angekommen ist, sich nach der geordneten Schulwelt im Studienalltag nicht zurechtfindet, dem helfen Zeit und Tutorien, bei denen man dann gleich auch neue Kontakte knüpfen kann. „Ist das Heimweh zu stark, hilft vielleicht ein Wechsel an eine Hochschule in Heimatnähe, man bleibt aber im gleichen Fach“, sagt Silke Höfle.
Wer sich unter seinem Studienfach etwas anderes vorgestellt hat, für den könnte ein Wechsel der richtige Weg sein. Wer also etwa mit dem hohen BWL-Anteil im Wirtschaftsingenieurwesen nicht klarkommt, der könnte in den Maschinenbau wechseln. Aber: „Dabei sollte man immer sein Berufsziel vor Augen haben und dies mit dem Studium abgleichen“, sagt Höfle. „Vielleicht gibt es mir auch neue Motivation, wenn ich mir nochmal klar mache, dass ich mit diesem Studium in meinen Traumberuf einsteigen kann.“Wer einen Wechsel in Betracht zieht, der kann an der Hochschule einfach in andere Vorlesungen hineinschnuppern und findet so vielleicht im laufenden Semester bereits ein passendes Fach.
Manchmal gibt es aber eben auch keine Alternative zum Ausstieg, etwa, wenn man sich dem Lernniveau nicht gewachsen fühlt oder lieber praktisch arbeiten möchte. „Dabei zeigt sich: Die meisten Unternehmen schätzen Studienabbrecher als Auszubildende sehr“, sagt Silke Höfle. Denn diese seien meist besonders motiviert, hätten sich den Weg in die Ausbildung gut überlegt und seien zudem schon etwas reifer. „Man sollte grundsätzlich darauf achten, die Entscheidung zum Ausstieg und für eine Ausbildung nicht zu spät zu treffen“, empfiehlt die Expertin. „Wenn ich erstmal vier Jahre eingeschrieben war und dann abbreche, um eine Ausbildung zu beginnen, ist das eine sehr große Lücke im Lebenslauf.“
Die Hochschulen möchten Studierenden mit Projekten wie „Next Step“zeigen, dass sie auch dann verantwortlich für sie sind, wenn es mit dem Studium nicht gut läuft. Dass man gemeinsam einen Weg finden will, der eben manchmal auch von der Hochschule wegführt. „Unser Ziel ist es, vermeidbare Studienabbrüche zu verhindern und unvermeidbare zu begleiten“, sagt Höfle. Dafür gibt es an der Hochschule Niederrhein eine Art Frühwarnsystem: Wer sich etwa länger nicht zu anstehenden Prüfungen anmeldet oder deutlich zu wenige Creditpoints gesammelt hat, wird auf „Next Step Niederrhein“hingewiesen. Dort wird übrigens auch per Videochat oder telefonisch beraten – auf Wunsch auch anonym.