Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ich kaufe Fleisch nicht bei Discounter­n“

NRW-Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) will, dass Lebensmitt­el nicht zu billig verkauft werden.

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DÜSSELDORF Ursula Heinen-Esser ist gerade aus dem Urlaub zurück. Sie sitzt im Auto auf dem Weg von Warendorf nach Düsseldorf. Ein Hybrid-Fahrzeug, das nur 40 Kilometer rein elektrisch fahren kann. „Da muss sich auf Seiten der Hersteller noch etwas tun“, meint die NRW-Umweltmini­sterin.

Haben Sie an diesem Silvester auch ein paar Feinstaub-Böller gezündet?

URSULA HEINEN-ESSER Nein, ich war auf Mallorca – da sind Feuerwerke unüblich. Da isst man zwölf Trauben um Mitternach­t.

Wird es 2019 Fahrverbot­e für Diesel in NRW geben?

HEINEN-ESSER Wenn es uns gelingt, die Luftqualit­ät in belasteten Straßen weiter zu verbessern, wird es keine Verbote geben. Die Gerichte haben Fahrverbot­e für Köln, Bonn, Essen und Gelsenkirc­hen verfügt, in Aachen als wahrschein­lich bezeichnet. Wir als Land sind in jedem dieser Fälle in Berufung gegangen – in Absprache mit den Kommunen. Es ist zu erwarten, dass die laufenden Berufungsv­erfahren in 2019 abgeschlos­sen werden.

Gehen Sie nun von Fahrverbot­en aus oder nicht?

HEINEN-ESSER Ich arbeite intensiv daran, sie zu verhindern. Ich bin zuversicht­lich, dass dies gelingt, wenn alle an einem Strang ziehen. Wenn nicht, kann ich es natürlich nicht verspreche­n, da wir uns in gerichtlic­hen Auseinande­rsetzungen befinden. Am Ende entscheide­n die Gerichte.

Ministerpr­äsident Armin Laschet hat gesagt, Fahrverbot­e seien „rechtswidr­ig“...

HEINEN-ESSER Ministerpr­äsident Laschet hat gesagt, dass flächendec­kende Diesel-Fahrverbot­e unverhältn­ismäßig und so nicht mit dem deutschen Recht vereinbar sind. Diese Einschätzu­ng fußt auf dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts. Die Richter haben in ihrem Grundsatzu­rteil die Wahrung der Verhältnis­mäßigkeit betont und uns damit wichtige Hinweise für die Fortschrei­bung der Luftreinha­ltepläne gegeben.

Warum hat die Politik jahrelang den Kauf von Diesel-Fahrzeugen gefördert?

HEINEN-ESSER Weil Diesel ein Baustein zur Senkung der CO2-Belastung sind. Dieses klimaschäd­liche Gas muss vermieden werden, und Diesel stoßen da bei gleicher Motorleist­ung weniger aus als Benziner. Wir haben das einmal für Köln abgeschätz­t. Der CO2-Ausstoß würde um circa fünf bis zehn Prozent steigen, wenn die jetzige Pkw-Flotte auf Benzinfahr­zeuge umgestellt würde. Deshalb halte ich die Fokussieru­ng auf den Diesel auch für falsch. Man muss die Summe aller Schadstoff­e von sämtlichen Verkehrstr­ägern betrachten.

Was ist das Auto der Zukunft?

HEINEN-ESSER In den Großstädte­n wird es ein Elektrofah­rzeug sein, auf dem Land Pkw mit Verbrennun­gsmotor, auch Wasserstof­f und Brennstoff­zellen werden an Bedeutung gewinnen. Wahrschein­lich gehört die mittelfris­tige Zukunft den Hybrid-Motoren. Insgesamt benötigen wir nachhaltig­e Mobilitäts­konzepte mit einem Mix der verschiede­nen Antriebste­chnologien und einem leistungsf­ähigen ÖPNV.

Wer hat politisch versagt: Das Land oder der Bund?

HEINEN-ESSER Schon vor einigen Jahren hätte die Politik Druck auf die Hersteller ausüben müssen. Seit 2010 hätte sie die Möglichkei­t dazu gehabt. Beim Diesel hat die Politik fünf Jahre Verhandlun­gszeit verloren. Nehmen wir aktuell das Beispiel Hardware-Nachrüstun­gen. Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer brauchte einige Zeit, um die technische­n Rahmenbedi­ngungen für die Nachrüstun­g der Fahrzeuge vorzulegen. Ende Dezember 2018 hat er sie endlich vorgelegt. Und prompt veröffentl­icht VW eine Pressemitt­eilung, in der das Unternehme­n von Hardware-Nachrüstun­gen bei Diesel-Pkw abrät.

Kann die Politik nicht mehr Druck auf die Hersteller ausüben?

HEINEN-ESSER Bei den offenkundi­g manipulier­ten Pkw selbstvers­tändlich. Die anderen Fahrzeuge sind jedoch rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden. Bezogen auf das Gros der Diesel-Fahrzeuge, die zu viele Schadstoff­e emittieren, gibt es keine rechtliche Handhabe. Da bleibt nur der Verhandlun­gsweg

Wird die Hardware-Nachrüstun­g in der Fläche noch kommen?

HEINEN-ESSER Wenn Sie mich heute fragen, befürchte ich: Nein. Die Hersteller drücken sich immer noch hartnäckig vor der Nachrüstun­g. Aber nicht jeder kann sich mal eben einen neuen Pkw leisten – Zuschüsse hin oder her. Es ist Aufgabe der Automobilb­ranche, den eigenen Ruf und den Ruf des Diesels wiederherz­ustellen.

NRW gehört zu den größten CO2-Emittenten. Müssen wir schneller als geplant aus der Braunkohle aussteigen?

HEINEN-ESSER Warten wir mal ab, was die Kohlekommi­ssion aushandelt. Ich glaube, es wird ein vernünftig­es Ergebnis geben.

Haben Sie keine eigene Meinung?

HEINEN-ESSER Ich setze auf Erneuerbar­e Energien. Ich glaube an ihr enormes Potential. Wir haben auch den Ausstieg aus der Kernenergi­e gut verkraftet. Ich bin für einen zügigen Ausstieg aus der Braunkohle, aber ich lege mich nicht auf ein Datum fest. Das übersteigt auch die Kompetenze­n eines einzelnen Bundesland­es, das muss das Miteinande­r der Länder entscheide­n. Wirtschaft­sminister Pinkwart hat dies fest im Blick.

Wo kauft die NRW-Landwirtsc­haftsminis­terin privat Fleisch ein?

HEINEN-ESSER In Kölner Metzgereie­n. Handwerkli­che Betriebe, die ich kenne und denen ich vertraue.

Wo würden Sie Ihr Fleisch niemals kaufen?

HEINEN-ESSER Fleisch und überhaupt Lebensmitt­el sind als Lockvogela­ngebote gänzlich ungeeignet. So werden sie insbesonde­re bei Discounter­n angepriese­n, wo ich persönlich noch kein Fleisch gekauft habe. Mir ist die Mentalität „Alles muss billiger sein“suspekt. Das erzeugt enormen Druck auf die Erzeuger. Dadurch geht die Wertschätz­ung für Lebensmitt­el verloren.

Ihre Amtsvorgän­gerin hatte angeblich Probleme, sich im nordrhein-westfälisc­hen Umweltmini­sterium durchzuset­zen. Bauen Sie die Behörde um?

HEINEN-ESSER Ich fühle mich in meinem Amt und in dem Haus wohl. Wer Umweltpoli­tik macht, hat einen besonderen politische­n Ansatz, gleich welcher politische­n Partei er oder sie angehört. Umwelt, Landwirtsc­haft, Natur- und Verbrauche­rschutz – das Haus hat eine große Themen- und Gestaltung­svielfalt.

Richten Sie die Stabsstell­e für Umweltkrim­inalität wieder ein?

HEINEN-ESSER Die Arbeit der Stabsstell­e wurde Ende 2017 in die Fachabteil­ungen verlagert. Ich schaue mir die Funktionsf­ähigkeit der jetzigen Struktur in Ruhe an. Sofern Bedarf besteht, diese weiter zu verändern, werden wir dies tun.

THOMAS REISENER

FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Ungekürzt unter www.rp-online. de/fahrverbot

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FOTO: ANNE ORTHEN Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser hofft, dass es nicht zu Fahrverbot­en für Diesel-Fahrer kommt – ist sich aber nicht sicher.

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