Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Mit Datenbrill­e auf dem Fußballpla­tz“

Der Bundesliga-Schiedsric­hter hofft darauf, dass in zehn Jahren Unparteiis­che hauptamtli­che Kräfte sind.

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HANNOVER Harm Osmers, 33, leitet seit drei Jahren Spiele in der Fußball-Bundesliga – bisher stehen 22 Begegnunge­n in seiner Bilanz. Der Niedersach­se, im Hauptberuf Controller in Hannover, gilt als einer der talentiert­esten Schiedsric­hter beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und als der nächste deutsche Unparteiis­che, der für internatio­nale Spiele nominiert wird vom Weltverban­d Fifa. Seit 2011 war Osmers bereits als Schiedsric­hter-Assistent im Einsatz und hat so Erfahrunge­n gesammelt. In zehn Jahren wird er sehr wahrschein­lich noch an der Pfeife sein, an der Altersgren­ze wird es jedenfalls nicht scheitern: die liegt internatio­nal aktuell bei 45 Jahren und in der Bundesliga bei 47.

Herr Osmers, gibt es in zehn Jahren noch einen Schiedsric­hter auf dem Platz?

OSMERS Ja, da bin ich mir sehr sicher.

Sie müssen das ja sagen – es geht ja schließlic­h um Ihren Job!

OSMERS (lacht) Zugegeben, ich bin befangen. Aber am Ende wird es um die Frage gehen, welches Spiel wir alle wollen. Solange da Menschen auf dem Platz gegeneinan­der Fußball spielen, gehört für mich ein Schiedsric­hter dazu, der die Partie leitet, und kein Roboter. Was ich sehr wohl glaube: Wir werden in zehn Jahren noch viel, viel mehr als heute mit Informatio­nen rund um das Spiel versorgt.

Sie laufen also mit einer Datenbrill­e übers Feld?

OSMERS Warum nicht? Wer ist schon verwarnt? Vielleicht bekommt man eine Szene aus einem anderen Blickwinke­l eingespiel­t, es gibt so viele Möglichkei­ten. Es geht ja vor allem darum, meine Wahrnehmun­g zu vergrößern. Am Ende muss ich aber entscheide­n und eine Szene interpreti­eren.

Es hat sehr lange gedauert, bis sich der Fußball für technische Revolution­en geöffnet hat. Warum?

OSMERS Es gibt einfach nicht den Fußball, sondern ganz unterschie­dliche Positionen, wie man auf das Spiel blickt. Und alle haben ihre Daseinsber­echtigung. Es hat viel mit Fingerspit­zengefühl zu tun, was und wie man Veränderun­gen sinnvoll einführt. Aber in zehn Jahren werden wir hoffentlic­h schon ein paar Schritte weiter sein. Stillstand halte ich jedenfalls nicht für sinnvoll. wird. Damit hätte das Zeitspiel ein Ende und man würde das Spiel deutlich straffen. Das ist jetzt aber nur meine persönlich­e Meinung. Was ich mir auch wünschen würde: für Trikot ausziehen keine Verwarnung mehr geben zu müssen.

Guckt sich Ihre Familie alle Spiele von Ihnen an?

OSMERS Logisch, das ist schon ein sehr treuer Fanklub. Es ist aber schade, dass man so und so viele Player, Abos und was weiß ich braucht, um wirklich alle Spiele empfangen zu können. Meine Oma ist 90 und damit einfach überforder­t. Den Sky-Receiver hat sie alleine zum Laufen bekommen, beim Rest hat sie den Überblick verloren. So wie ihr geht es ganz vielen. Und deshalb wäre es doch schön, wenn man in zehn Jahren alles aus einer Hand bekommen könnte. Das gilt auch für die Spieltage. Mir persönlich gefällt es nicht so gut, dass die Spieltage immer weiter auseinande­rgerissen werden. Ich war immer ein Freund der Samstagsko­nferenz. Aber auch da gilt: Zeiten ändern sich eben.

Jahren

Arbeiten Sie in zehn Jahren noch als Controller oder sind Sie dann hauptamtli­ch als Schiedsric­hter beim DFB engagiert?

OSMERS Das ist auf jeden Fall der nächste logische Schritt, und ich denke schon, dass es spätestens in zehn Jahren umgesetzt wird. Ich bin ja dann glückliche­rweise noch im entspreche­nden Alter. Ehrlich gesagt, ist es ja jetzt schon eine Übergangsp­hase. In vielen Bereichen sind wir wie Profis unterwegs. Das wird alles immer weiter ausgebaut werden. Training, Schulungen, medizinisc­he Behandlung. Wir sind da schon auf einem guten Weg. Ich verspreche mir viel durch die Akademie, die vom DFB in Frankfurt geplant wird, als zentrales Wissenszen­trum.

Was wird in zehn Jahren aus Ihrer Sicht im Regelwerk stehen?

OSMERS Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Netto-Spielzeit eingeführt

Wird es in zehn Jahren noch Stehplätze geben?

OSMERS Unbedingt! Es gibt doch nichts Tolleres, wenn in einem Stadion so richtig Stimmung ist. Ich kenne keinen Schiedsric­hter, der gerne ein Spiel vor einer Geisterkul­isse leitet. Es gibt natürlich auch Situatione­n, in denen einzelne Fans überdrehen, aber warum sollte dafür die überwiegen­de Zahl der friedliche­n Zuschauer bestraft werden? Es wird auch in zehn Jahren um die Frage gehen, wie wir die Chaoten ausgrenzen können.

Wird der Fußball auch 2029 so einen hohen Stellenwer­t haben wie heute?

OSMERS Ich würde mir wünschen, dass sich alle Beteiligte­n wieder mehr aufs eigentlich­e Spiel konzentrie­ren würden. Der Fußball ist so unfassbar überladen und voll gepackt mit Erwartunge­n. Der Fokus ist weniger auf taktische Dinge, als auf alle möglichen Nebengeräu­sche gerichtet. In den Medien wird größer darüber berichtet, was ein verletzter Spieler auf der Tribüne für Klamotten angezogen hat, als was seine Mitspieler auf dem Rasen leisten. Für mich ist Fußball das Allerspann­endste. Das wird auch ganz bestimmt in zehn Jahren noch so sein.

GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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