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Was Düsseldorf liest

„Buch-Talk Ddorf“in der Stadtbibli­othek: Die persönlich­en Schätze der Literaturf­reunde kommen auch ohne Preise aus.

- VON VIKTOR MARINOV Info

Die Situation wirkt wie aus der Zeit gefallen: Menschen sitzen zusammen in einer Bibliothek und unterhalte­n sich miteinande­r – über Bücher. Sie reichen ihre Lieblingse­xemplare im Kreis herum, nicht auf einem E-Reader, sondern in echt. Im Plenum erzählen sie einander die Handlung, am Ende wird geklatscht. Ja, wo sind wir denn? Hat hier keiner einen Netflix-Account? Doch, wahrschein­lich schon. Trotzdem haben sich die rund 40 Besucher an diesem kalten Abend für den „Buch-Talk Ddorf“in der Düsseldorf­er Stadtbibli­othek entschiede­n. Sie berichten leidenscha­ftlich über die 20. Fortsetzun­g einer Krimi-Reihe, einen philosophi­schen japanische­n Roman und ein Sachbuch mit Landkarten, die nicht stimmen.

Die Sanduhr wird umgedreht – die vorgesehen­en fünf Minuten laufen. Michael Arounopoul­os räuspert sich, er ist einer der zwei „normalen“Besucher, die sich schon bei dem ersten „Buch-Talk“trauen, ihr Lieblingsw­erk vorzustell­en. An diesem Abend kommen die Mitarbeite­r der Bibliothek häufiger als die Besucher zu Wort. Arounopoul­os hat sich für „Die Moselreise“entschiede­n. Geschriebe­n von dem damals elfjährige­n Hanns-Josef Ortheil ist es mehr als nur ein Tagebuch. „Man beobachtet einen Autor bei seiner Entstehung. Für ein Kind sind die Tiefe der Erkenntnis­se und die Genauigkei­t der Beobachtun­gen erstaunlic­h.“Es ist kein neues Buch und auch kein Pulitzerpr­eisträger. Hört man Arounopoul­os zu, will man es trotzdem am liebsten sofort kaufen. „Es ist ein kleines Juwel“, sagt er.

Die Bücher, die einem am Herzen liegen, müssen eben nicht immer preisgekrö­nt oder aktuell sein. Manchmal führen sie ein Nischendas­ein. So wie das Lieblingsb­uch von Sonja Meier, der „Atlas der erfundenen Orte“von Edward Brooke-Hitching. Es ist ein Band mit Landkarten, die allesamt falsch sind: Man findet Inseln, die mal entdeckt wurden, aber später im Ozean versanken, eine Skizze vom paradiesis­chen Land Atlantis und eine Zeichnung von der Erde als Scheibe. Meier hat Geschichte studiert, heute arbeitet sie in der Stadtbibli­othek. Das Buch mit den zahllosen Karten hat sie zufällig durch einen E-Mail-Verteiler gefunden. Seit zwei Jahren steht es in ihrem Bücherrega­l, immer wieder blättert sie darin. „So ein Buch hätte ich mir im Studium gewünscht“, sagt sie.

Ein Werk aus einer ganz anderen Nische hat Tobias Schegerer mitgebrach­t: „Sanshiros Wege“von Natsume Soseki. Es ist ein Werk aus dem frühen 20. Jahrhunder­t, welches das Leben im damaligen Japan schildert, politisch und philosophi­sch. „Je mehr man liest, desto mehr Ebenen eröffnen sich einem“, sagt der Manga-Liebhaber.

Auch Norbert Kamp, der Direktor der Stadtbibli­othek, hat sich dazu gesetzt – seinen Beruf verrät er den anderen Teilnehmer­n nicht, dafür aber sein Lieblingsb­uch. Es ist kein Einzelwerk, sondern eine ganze Reihe – eine, die ihn schon sein Leben lang begleitet. Es sind die Inspector-Lynley-Romane von Elizabeth George, mittlerwei­le sind 20 von ihnen erschienen. Den ersten las Kamp mit 30, bald wird er 60, die Faszinatio­n von damals bleibt ungebroche­n. „Es sind zeitlose Bücher, insgesamt 17.000 Seiten, aber jede einzige lohnt sich“, sagt der Direktor. Er muss es wissen, denn er hat sie (in 30 Jahren) alle verschlung­en.

Der nächste „Buch-Talk Ddorf“findet statt am Dienstag, 24. April, ab 18.30 Uhr in der Zentralbib­liothek, Bertha-vonSuttner-Platz 1.

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FOTO: ANNE ORTHEN Tobias Schegerer präsentier­te beim ersten „Buch-Talk“den japanische Roman „Sansiros Wege“, ein Buch über einen jungen Mann, der sich im frühen 20. Jahrhunder­t in Tokio zurechtfin­den muss.

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