Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Ich vertrete die Interessen meines Landes“
Der US-Botschafter verteidigt seine Kritik an deutschen Firmen, die an der Pipeline Nord Stream 2 mitarbeiten. Herr Botschafter, Sie drohen deutschen Firmen mit Sanktionen, wenn diese ihr Engagement an der Pipeline Nord Stream 2 weiterführen. Ist das Aufgabe eines Diplomaten?
GRENELL Meine Aufgabe als Botschafter der USA ist es, gegenüber der deutschen Regierung, Wirtschaftsführern, der Zivilbevölkerung, den Medien und der Öffentlichkeit die Politik meiner Regierung zu repräsentieren. Der Inhalt dieser Briefe unterscheidet sich nicht von Aussagen, die wir öffentlich getätigt haben: Firmen, die im Bereich des russischen Energie-Exportsektors arbeiten, riskieren Sanktionen. Die zentrale Verantwortung eines Diplomaten besteht darin, die Bürger seines Heimatlandes zu schützen und die Interessen dieses Heimatlandes zu verteidigen. Die US-Regierung und der Kongress haben klare Vorbehalte bezüglich Energiesicherheit und der geopolitischen Auswirkungen von Nord Stream 2, und ich werde die diesbezügliche US-Politik auch weiterhin vorantreiben.
Die Bundesregierung verteidigt Nord Stream 2, weil die Pipeline zur Sicherheit der Energieversorgung
in Deutschland beitragen soll. Ist das nicht verständlich?
GRENELL Wenn es um die Pipeline eines verlässlichen, marktbasierten Energielieferanten ginge, würden wir dieses Gespräch nicht führen. Das Problem mit Nord Stream 2 ist, dass es sich nicht um ein Wirtschaftsprojekt handelt. Es wurde nur aus einem Grund entwickelt: um für den Transport von russischem Gas auf dem Weg nach Europa eine alternative Route zu schaffen, die nicht durch die Ukraine führt. Die Frage lautet also, ob die europäischen Regierungen abhängiger von einem Land werden wollen, das chemische Waffen einsetzt, um einen politischen Gegner in Europa zu töten. Will Europa abhängiger von einem Land werden, das in einen souveränen Staat einmarschiert ist und ein Gebiet illegal annektiert hat?
Die EU will selbst entscheiden, welchen Energiemix sie importiert, die USA entscheiden ja auch über ihre Energieimporte.
GRENELL Ich stimme zu, dass die Europäer selbst entscheiden müssen, wie und von wo sie Energie importieren. Nord Stream 2 wird aber Auswirkungen auf Europa haben – nicht nur auf Deutschland –, und es haben sich Europäer dagegen ausgesprochen. Viele europäische Regierungen sind gegen das Projekt. Das Europäische Parlament hat Nord Stream 2 am 12. Dezember mit großer Mehrheit verurteilt. Deutschland sollte die Bedenken anderer EU-Staaten und seiner Nachbarn hinsichtlich negativer Auswirkungen des Pipelineprojektes auf sie berücksichtigen.
Russland behauptet, die Pipeline wäre eine Ergänzung der Gas-Pipelines durch die Ukraine und kein Ersatz. Glauben Sie das?
GRENELL Putin hat eindeutig gesagt, dass er den Transit von russischem Gas durch die Ukraine beenden will. Die beiden Projekte, die ihm dies ermöglichen werden, sind Nord Stream 2 und Turk Stream 2. Gemeinsam machen diese beiden Projekte den Transit von russischem Gas durch die Ukraine praktisch überflüssig.
Wie wird es sich auf die transatlantischen Beziehungen auswirken, wenn Kanzlerin Merkel das Projekt trotzdem beschleunigt?
GRENELL Das Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland ist stark, und die Verbindungen sind vielseitig. Es gibt kein Thema, das allein für sich die Beziehungen verderben kann. Wir sind großartige Bündnispartner. Die Gefahr besteht darin, dass Russland wieder entscheiden könnte, Energie als Waffe gegen Europa einzusetzen oder anderes destruktives Verhalten an den Tag zu legen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Deutschland Ziel derartiger Maßnahmen wird, aber die Nachbarn Deutschlands im Osten könnte dies betreffen. Hier steht die europäische Einheit auf dem Spiel.
MICHAEL BRÖCKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.