Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Großbankenfusion ist ein Langzeitprojekt
Immer wieder wird über einen Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank spekuliert. Der könnte auf Dauer Sinn machen. Kurzfristig würde er manche Probleme in den Unternehmen verschärfen – vor allem, weil viel Geld nötig wäre.
FRANKFURT Unter den deutschen Großbanken hat es in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwei nennenswerte Fusionsversuche gegeben. Der zwischen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank im Jahr 2000 ist krachend gescheitert, weil sich die Dresdner-Verantwortlichen von jenen des vermeintlichen Partners über den Tisch gezogen fühlten. Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank 2009 gelang zwar, aber die Milliardenlasten der Grünen stürzten die Gelben in eine existenzbedrohende Krise, die diese nur mit Hilfe des Staates überstanden. Davon erholt, so sagen Experten, habe sich die Commerzbank nie. Die Dresdner verschwand von der Bildfläche, die Deutsche Bank und die Commerzbank sind von einstigen Ansprüchen meilenweit entfernt. Das Geschäft ist zu ertragsschwach, die Kosten sind zu hoch. Für Investoren sind beide kaum noch attraktiv, die Aktienkurse im Keller. Die Commerzbank ist aus dem Dax abgestiegen, die Deutsche Bank nach mehreren Kursabstürzen kaum noch mehr als 15 Milliarden Euro wert.
Kann durch eine Fusion der Kranken ein gesunder neuer Bankriesen entstehen? Seitdem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Jahr seine Sympathie für einen Zusammenschluss verkündet (und diese mehrfach bekräftigt) hat, wird spekuliert. Irgendwo taucht immer ein Gerücht auf, das die Manager beider Banken gebetsmühlenartig mit der Bemerkung beantworten, sie müssten erst mal ihre Hausaufgaben machen.
Tatsache ist: Natürlich kann eine Fusion generell Sinn machen. Eine neue deutsche Großbank könnte mehr Marktmacht entwickeln, es gäbe enormes Sparpotenzial in beiden Häusern, und es entstünde ein schlagkräftigerer Partner, der den industriellen Großkonzernen der Republik ein Rundum-Paket bieten und dank seiner Größe besser als derzeit mit der anglo-amerikanischen Konkurrenz mithalten könnte.
Aber eben nicht von heute auf morgen. Bis beide die Folgen der Fusion verdaut hätten, würden Jahre vergehen. Die beiden Partner, die mit der wachsenden Digitalisierung der Branche schon das vielleicht größte Projekt ihrer Geschichte stemmen müssen, würden durch den Zusammenschluss lange Zeit belastet – strukturell, organisatorisch, finanziell. Beispielsweise durch Zusammenführung und (dringend notwendige) Erneuerung der IT in beiden Häusern, durch Abfindungen für ausscheidende Mitarbeiter (es würden sicherlich noch mal Tausende Arbeitsplätze wegfallen), durch Vorruhestandsregelungen. Das alles in einer Zeit, in der die Digitalisierung schon gewaltige Summen verschlingt, in der immer mehr kleine Konkurrenten mit kostengünstigen Geschäftsmodellen zumindest fürs Massengeschäft auf den Markt drängen, in der die Börse den schnellen Erfolg will und nicht auf langfristige Hoffnungswerte vertrauen will.
Woher sollte aktuell das notwendige Geld für eine Fusion kommen? Ohne Kapitalerhöhung ginge bei einem Zusammenschluss nichts. Also müssen beide erst mal deutlich profitabler werden, Werte schaffen, den Aktienkurs steigern, Investoren anlocken. Andernfalls wäre der Bund, dessen 15-Prozent-Beteiligung an der Commerzbank schon seit langer Zeit nicht mehr gewinnbringend zu verkaufen wäre, gezwungen, in der Rolle eines Ankeraktionärs zu bleiben. Das ist auch gegen die politische Stimmung im Lande, vor allem gegen jene in der Opposition, die die Bundesregierung regelmäßig drängt, das Kapitel Commerzbank so schnell wie möglich zu beenden.
Fazit: Ja, eine Fusion könnte Sinn machen, aber bestimmt nicht in der aktuellen Situation. Das haben die beiden Bankchefs Christian Sewing (Deutsche Bank) und Martin Zielke (Commerzbank) immer wieder gesagt. Dass sie sich regelmäßig in Frankfurt treffen, um über den Stand der Dinge zu reden, widerspricht dieser Einschätzung nicht, weil man auch über die Fortschritte auf dem Weg zur Fusion reden muss. Dass beide versuchen, wenigstens ein bisschen von alter Stärke zurückzugewinnen, ehe sie sich verbrüdern, ist auch in Sachen Außenwirkung besser – besser jedenfalls als ständig wiederkehrende Äußerungen, wie wünschenswert ein nationaler Champion wäre. Die implizieren nämlich auch die Meinung, dass beide für sich auf dem internationalen Markt auf Dauer keine Rolle mehr spielen können. Solche Einschätzungen sind Gift, wenn man auf den Aktienkurs schaut. Der hat vor allem bei der Deutschen Bank schon genug unter Strategiewechseln, juristischen Streitigkeiten und Razzien gelitten.