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Leben mit dem Smartphone retten

Die Software „EmergencyE­ye“soll die Erstversor­gung in Notsituati­onen verbessern. Die Macher sind inzwischen mit allen Leitstelle­n in NRW in Gesprächen. Auch bundesweit ist das Interesse an „EmergencyE­ye“groß.

- VON ELISABETH KELDENICH

Eine plötzliche Notsituati­on kann jeden betreffen – entweder erleidet man sie selbst oder wird zum Ersthelfer und wählt die 112. Danach folgen meistens bange Minuten des Wartens auf den Rettungsdi­enst, währenddes­sen man entweder hilflos neben dem Verunglück­ten ausharrt oder sich verzweifel­t an Erste-Hilfe-Maßnahmen zu erinnern versucht. Doch diese Kenntnisse sind genau dann meistens nicht präsent.

An diesem Punkt setzt das Programm „EmergencyE­ye“(EE) an: Es hilft Helfern helfen. Das „Notfallaug­e“ist eine Software für die Rettungsle­itstelle, von der seit 1. Oktober 2018 nach umfangreic­her Testphase bereits 450.000 Menschen im Rhein-Kreis Neuss profitiere­n. Das Prinzip erläutert Professor Günter Huhle, der das System mitentwick­elt hat: „Fast jeder Notruf wird von einem Smartphone abgesetzt – die Leitstelle fragt daraufhin per SMS nach, ob der Anrufende einen Zugriff durch einen mitgesende­ten Link auf sein Handy erlaubt“, sagt Huhle. Das sei ähnlich wie bei einer Fernwartun­g. Hat der Anrufer den Link aktiviert, kann der Disponent auf das Handy und wichtige Funktionen wie Kamera zugreifen. „Das ist ein Prozess von Sekunden“, betont Internist Günter Huhle.

Vor allem die Ortung des Smartphone­s sei ein entscheide­nder Vorteil, da die Ersthelfer aktuell natürlich einer enormen Stresssitu­ation ausgesetzt seien und oft nicht genau sagen können, wo sie sind – oder es manchmal auch gar nicht wissen, falls der Notfall unterwegs eintritt. Während der Rettungsdi­enst dann zur entspreche­nden Adresse unterwegs ist, kann der Disponent durch die Handykamer­a eine Bildverbin­dung herstellen, die Lage besser einschätze­n und den Notrufende­n bei Erste-Hilfe-Maßnahmen anleiten. Und damit einfach auch Ruhe vermitteln. „Das Trauma der Erstversor­gung wie ‚Habe ich das Richtige getan?‘ kann so deutlich verringert werden“, erklärt Günter Huhle. Die Daten werden übrigens umgehend gelöscht – es bleibt nichts zurück. Es gebe nur die momentane Transparen­z durch den erlaubten Zugriff, da es darauf dann wirklich ankomme.

Auf der Expo Profession­el Mobil Radio (PMR) für Netzwerk sichere Kommunikat­ion in Köln Ende November 2018 wurde „EmergencyE­ye“der Fachwelt mit vielen tausend Besuchern vorgestell­t und entwickelt­e sich laut Professor Huhle zu einem großartige­n Publikumsm­agneten. Es sei ein tolles Erlebnis gewesen, man sei mit offenen Armen empfangen worden, und die Funktional­ität habe überzeugt.

Inzwischen ist man mit allen Leitstelle­n in Nordrhein-Westfalen über eine Installier­ung von „EmergencyE­ye“im Gespräch, und auch bundesweit ist das Interesse groß. Über den genauen Preis schweigt sich Huhle aus, er verrät nur: „Die Kosten belaufen sich auf weniger als einen Cent pro Bürger pro Monat“. Alle Leitstelle­n, die über diverse Modelle finanziert werden, sollen sich „EmergencyE­ye“leisten können. Es kann auch kostenlos für zwei Monate getestet werden.

Wichtig ist Huhle, dass die Resonanz sehr positiv ausfällt, da das System Notversorg­ung durch „EmergencyE­ye“wesentlich effiziente­r arbeiten könne:„Der Disponent bekommt Augen und kann so alles viel besser einschätze­n.“Die Laien genießen die profession­elle Führung durch die direkte Verbindung zwischen Anrufendem und der Notrufzent­rale.

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ARCHIV-FOTO: RKN „EmergencyE­ye“-Partner (v.l.): Leitstelle­nleiter Thomas Dilbens, Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e, Carola Petri und Günter Huhle (beide Corevas).

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