Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Pfund für Pfund in ein neues Leben
Ein Kurs-Angebot des TSV-Meerbusch richtet sich speziell an Menschen mit starkem Übergewicht. Seit zehn Jahren unterstützen Petra Gesthuysen und ihr Team Menschen beim Abnehmen. Bald startet der Kurs für das Jahr 2019.
Als Dino Krause vor einigen Jahren in seinem Haus die Treppe hoch ging, Stufe für Stufe, in den dritten Stock, erreichte er den Treppenabsatz völlig außer Atem, erinnert er sich. „Ich brach fast zusammen.“Das war rückblickend der Moment, als er wusste: „Es muss sich etwas ändern.“Damals, 2017, wog Krause noch 160 Kilogramm – zu viel. Abnehmen wollte er schon lange, aber plötzlich verspürte er eine neue Dringlichkeit. „Ich habe sofort Petra angerufen.“Und er meldete sich noch am selben Abend für das Abnehmprogramm „XXL zu L“an. Zwei Tage später ging es bereits los. „Wir hatten einige Teilnehmer, die eine ähnliche Erfahrung gemacht haben und daraufhin etwas ändern wollten.“, sagt Petra Gesthuysen Mieden, die seit nunmehr zehn Jahren Menschen dabei unterstützt, abzunehmen. Ebenfalls mit von der Partie: Ihr Mann Hans-Peter Mieden, Motivationscoach, die Fitnesstrainerin Simone Rudolph, Roswitha Ogrosky vom Vorstand der Gymnastikabteilung des TSV Meerbusch und die „Walking Instructors“Dorit Anderson und Carmen Siegert.
Das Programm, das sie gemeinsam entwickelt haben, ist speziell zugeschnitten auf Männer und Frauen mit starkem Übergewicht und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: „Wir sprechen mit unserem Programm die XXLer an. Es geht nicht um Body-Shaping, sondern darum, gesünder, beweglicher zu werden und die Blutwerte zu verbessern“, erklärt Simone Rudolph. Dafür setzt „XXL zu L“, auf ein „Drei-Säulen-Programm“bestehend aus Koch-Workshops, Bewegungstraining und Motivationsunterstützung. Das Ganze mit maximal zwölf Teilnehmern pro Gruppe. „Manche Teilnehmer brauchen wirklich eine „Eins-zu-Eins-Betreuung“, erzählt Gesthuysen Mieden. Besonders der Sport ist für viele ein Problem: „Mit der Masse trauen sich viele nicht, in Sportvereine zu gehen. Die Hemmschwelle ist sehr hoch“, weiß die 56-Jährige. Die kleine Gruppe garantiert, dass sich jeder sicher fühlt. Im Koch-Workshop zeigt die Ernährungsberaterin einmal wöchentlich schnelle, leckere und kalorienarme Gerichte. „Nicht wenig, sondern clever essen“lautet der Leitspruch. Und wenn die Moral während des elf-monatigen Programms mal nachlässt, hilft Kommunikationsund Teamtrainer Hans-Peter Mieden.
Das Konzept des Kurses ist wohlüberlegt. „Ich war schon lange als Ernährungsberaterin tätig und wollte immer schon ein Programm speziell für stark übergewichtige Menschen entwickeln“, erzählt Gesthuysen Mieden. Über ihre Tochter sei dann der Kontakt zum TSV zustande gekommen. Diese schrieb ihre Bachelorarbeit beim Meerbuscher Sportverein. „Es dauerte keine drei Stunden und schon hatten wir die drei Säulen“, erzählt Roswitha Ogrosky aus dem Vorstand der Gymnastikabteilung. Als TSV-Gymnastiktrainerin Simone Rudolph von dem Programm erfuhr, war sie sofort Feuer und Flamme: „Ich fand die Idee ganz toll“, so Rudolph. Zwei Walking-Trainerinnen komplettierten schließlich das Team. Das war vor über zehn Jahren – Zeit, Bilanz zu ziehen. Wie viele Tonnen ihre Teilnehmer in all den Jahren schon abgenommen haben, wissen alle nicht so genau. „Puh, auf jeden Fall sehr, sehr viele“, überlegt Rudolph. „So durchschnittlich verliert jeder Teilnehmer etwa 20 Kilogramm.“Fünf Teilnehmer seien in all den Jahren wiedergekommen, weil es langfristig mit der Umstellung des Lebenswandels nicht geklappt habe. Auch dass jemand nicht abnehme, könne vorkommen. „Wir drehen schließlich nicht die Knöpfe“, sagt Gesthuysen Mieden. Eine der Erfolgsgeschichten: Auch Walking-Trainerin Dorit Anderson war einst eine Teilnehmerin (2013), seit 2015 hilft sie anderen, ebenfalls fit zu werden. Und besonders 2017 war ein „Hammer-Jahr“, erinnern sich alle. Das war auch das Jahr, als Dino Krause am Programm teilnahm. 60 Kilogramm hat er während der elf Monate verloren, sich quasi halbiert.
„Der Erfolg des Programms hängt stark vom Einzelnen ab“, erklärt der 44-Jährige aus Willich. „Schließlich lasse ich mich nicht abnehmen, sondern muss mich selber umprogrammieren“. Das Programm biete den Rahmen. „Einen extrem guten Rahmen“, wie er findet. Es ginge darum, tatsächlich sein Verhalten zu ändern. Mit Hilfe eines Pools aus Übungen, Gerichten und Tipps, aus denen man sich selber das „basteln“könne, was zu einem passt. „Es gibt nicht den einen Weg, jeder muss seinen eigenen finden.“Entscheidend war für ihn auch, sich selbst zu fragen: Warum bin ich eigentlich übergewichtig? „Und etwas zu finden, wofür man eigentlich abnimmt“, fügt Krause hinzu. Nach dem Ende des Programms geht der Prozess aber weiter, dann wird es vielleicht erst so richtig schwierig. „Wenn ich merke, dass alte Verhaltensweisen kommen, muss ich mich aktiv mit mir auseinander setzen“, erzählt Dino Krause. Auch Simone Rudolph weiß: „Bei den meisten ist das ein Lebensthema. Das sind gefestigte Strukturen – man muss wach bleiben und aufpassen, nicht in den alten Trott zu fallen.“Doch es lohnt
sich: Wenn erfolgreiche Teilnehmer nach einem Jahr sagen können: „Ich mache jetzt Sachen, die waren vorher nicht möglich.“Und Hans-Peter Mieden erzählt: „Das können ganz banale Dinge sein, wie Achterbahnfahren oder mit dem kleinen Kind auf der Schaukel sitzen zu können.“Wieder ganz normal am Leben teilnehmen zu können, das sei für viele schließlich das Schönste.