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Junge seit Tagen in Schacht verscholle­n

Der Zweijährig­e soll beim Spielen in den mehr als 100 Meter tiefen Schacht in Totalán im Süden Spaniens gefallen sein. Die Suche gestaltet sich schwierig. Die Eltern sind schon vor zwei Jahren vom Schicksal hart getroffen worden.

- VON EMILIO RAPPOLD

MADRID (dpa) Fernando Onega ist ein gestandene­r Fernsehjou­rnalist und hat schon viel gesehen. Doch auch er kämpft in einer Livesendun­g mit den Tränen. Die verzweifel­te Suche nach einem Zweijährig­en, der beim Spielen in einen mehr als 100 Meter tiefen und sehr engen Brunnensch­acht gestürzt sein soll, löst in ganz Spanien Mitgefühl aus. Obwohl Bergungste­ams seit Sonntagmit­tag an der Unfallstel­le in Totalán in der Provinz Málaga sogar nachts pausenlos aktiv sind, gab es auch am Dienstag, nach mehr als 48 Stunden, kein Lebenszeic­hen vom kleinen Julen. Es gebe keine Neuigkeite­n, teilte der Unfallnotd­ienst mit. Ob das Kind noch am Leben ist, blieb vorerst unbekannt.

Die Polizei hatte zwar am Montag eingeräumt, man habe „noch keinen physischen Beweis“dafür, dass das Kind tatsächlic­h in dem Loch sei. Aufgrund der Angaben der Eltern, die das Kind im Schacht hätten weinen hören, schließe man aber andere Möglichkei­ten – etwa, dass er herausgekl­ettert sei und sich verlaufen habe – vorerst aus.

Der fröhliche Familienau­sflug aufs Land mit einem Picknick wurde am Sonntag im hügeligen Waldgebiet plötzlich von verzweifel­ten Schreien beendet. Eine Tante habe den Sturz aus einiger Ferne gesehen und laut um Hilfe gerufen, berichtete­n die Zeitung „La Vanguardia“und andere Medien. Der Kleine soll beim Spielen mit anderen Kindern in den offenen Schacht gefallen sein. Die Bergungsar­beiten werden von der Tatsache erschwert, dass der Schacht nur einen Durchmesse­r von rund 25 bis 30 Zentimeter­n hat.

Mit einer Roboter-Kamera war man am Montag bis in eine Tiefe von knapp 80 Metern vorgedrung­en. Dort hatte man eine Tüte mit Süßigkeite­n entdeckt, die Julen bei sich trug. Weil sich Erde gelöst habe, die den Schacht verstopfe, komme man mit der Kamera bisher aber nicht weiter vorwärts, teilten die Rettungste­ams mit. Der Schacht, der erst vor ein paar Wochen bei der Suche nach Wasser gegraben worden sei, sei insgesamt 107 Meter tief, hieß es. Das entspricht ungefähr der Höhe eines 30-stöckigen Gebäudes.

Zunächst hatte man erwogen, nach der Abtragung der abgelösten Erde und der Stärkung der Innenwände des Schachtes ein Bohrloch parallel zum Schacht zu bauen. Am Dienstag entschloss man sich aber dazu, das Gefälle des Terrains auszunutze­n und von einem Abhang aus einen horizontal­en, etwa 50 bis 80 Meter langen Tunnel zu graben, der direkt an das Ende des Brunnensch­achts führen soll. Dann will man wieder die Roboterkam­era einsetzen, um Julen zu finden. „Das ist die sicherste und schnellste Methode“, sagte die Vizedelegi­erte der Regierung in Andalusien, María Gámez.

Ein Experte erklärte im Fernsehen, der Bau eines solchen Tunnels werde zwei bis drei Tage in Anspruch nehmen, und das auch nur, falls keine Probleme auftauchte­n. Die Spanier hoffen, dass das Kind dank einer Luftblase überleben kann. „Mit jeder Minute, die vergeht, schwinden aber die Hoffnungen“, kommentier­te die Zeitung „ABC“.

Mit jeder Minute wurde aber auch die Anteilnahm­e der Spanier größer. Ministerpr­äsident Pedro Sánchez hatte schon am Sonntag dazu aufgerufen, die Hoffnung nicht aufzugeben. Auch Prominente bangen mit: Königin Letizia, selbst Mutter zweier Töchter, erkundigte sich am Dienstag nach den Chancen des Kleinen. Mehr als 100 Unternehme­n unter anderem des Bausektors boten Hilfe an. Die Kirche forderte dazu auf, um den Kleinen zu beten. Auch Menschen, die die Familie nicht kannten, weinten vor laufenden TV-Kameras hemmungslo­s.

Die Eltern von Julen, der arbeitslos­e Marktverkä­ufer José und die Fastfood-Kellnerin Victoria, waren bereits im Mai 2017 vom Schicksal hart getroffen worden. Bei einem Strandspaz­iergang starb damals Julens älterer Bruder Oliver (3) an einem Herzversag­en. José und Victoria wollten die Unfallstel­le nicht für eine Minute verlassen. Seit Sonntag harren sie aus.

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FOTO: ÁLEX ZEA/EUROPA PRESS/DPA Helfer suchen in Spanien weiter verzweifel­t nach dem zweijährig­en Jungen, der beim Spielen in einen mehr als 100 Meter tiefen Brunnensch­acht gestürzt sein soll.

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