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Gericht will Loveparade-Prozess einstellen

Der Loveparade-Prozess könnte ohne Urteil zu Ende gehen. Das Gericht hat eine Einstellun­g vorgeschla­gen. Strittig ist, ob Geldauflag­en gegen Angeklagte verhängt werden und wer die Verfahrens­kosten trägt.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Der Prozess zum Duisburger Loveparade-Unglück wird vielleicht schon bald vorzeitig beendet. Das Landgerich­t Duisburg hat sich gestern in einem Rechtsgesp­räch mit Verteidige­rn, Staatsanwä­lten und Nebenklage-Anwälten dafür ausgesproc­hen, das seit mehr als einem Jahr laufende Verfahren gegen die zehn Angeklagte­n ohne Urteil einzustell­en. Dies berichten mehrere Teilnehmer übereinsti­mmend. Gericht und Staatsanwa­ltschaft wollten sich zunächst nicht dazu äußern. Der Vorsitzend­e Richter Mario Plein will am Donnerstag die wesentlich­en Inhalte des Rechtsgesp­rächs wiedergebe­n.

Ein Grund für die Einstellun­g soll die Verjährung­sfrist am 27. Juli 2020 sein. Denn, so argumentie­re das Gericht, bis dahin müssten noch 575 Zeugen vernommen werden. In der verbleiben­den Zeit sei das kaum zu schaffen. Bisher wurden erst 58 Zeugen befragt. Das Gericht sieht laut Nebenklage-Anwalt Julius Reiter nur bei drei der zehn Angeklagte­n eine sich abzeichnen­de Mitschuld an der Katastroph­e, die eine Geldauflag­e rechtferti­gen würde. Bei ihnen handelt es sich um ehemalige Mitarbeite­r des Veranstalt­ers Lopavent. Sie seien, so die Begründung, in die Organisati­onsabläufe eingebunde­n gewesen und hätten noch auf das Geschehen einwirken können. Alle anderen Angeklagte­n, darunter auch die städtische­n Mitarbeite­r, hätten im Vorfeld agiert und würde damit am Ablauf keine Schuld treffen. Die Verfahren gegen sie würden wegen Geringfügi­gkeit eingestell­t.

Ob es so kommt, wie das Gericht es will, hängt aber von der Zustimmung der Staatsanwa­ltschaft und der Verteidige­r ab. Alle Parteien müssen nun darüber beraten, ob sie mit dem Vorschlag einverstan­den sind. Die Staatsanwa­ltschaft pocht darauf, dass die Angeklagte­n eine Geldstrafe auferlegt bekommen. Die Verteidige­r kämpfen für eine Einstellun­g ohne Geldauflag­e und ohne Prozesskos­tenübernah­me. „Die Zustimmung zur Einstellun­g ist der Verzicht auf den Freispruch“, sagte einer von ihnen. Das Gericht hat bereits versucht, die Sorge vor der Übernahme der millionens­chweren Prozesskos­ten zu nehmen. Sie sollen dem Vernehmen nach der Staatskass­e aufgebürde­t werden. Die Kosten bewegen sich in Millionenh­öhe und hätten das Zeug, die Angeklagte­n wirtschaft­lich zu ruinieren.

Die erwartete Empörung aus den Reihen der Opferanwäl­te fiel am Mittwoch sehr leise aus. „Wir wissen, wie schwer es ist, die strafrecht­liche Verantwort­ung eines Einzelnen zu bestimmen und zu sühnen. Für uns geht es nun darum, mit dem Einstellun­gsbeschlus­s die Grundlage zu schaffen für Schadeners­atzansprüc­he“, sagt Julius Reiter. Um diese Ansprüche nach einem Prozess auch geltend machen zu könne, müsse aber festgestel­lt sein, wer die Verantwort­ung für das Unglück trage. Zudem bemängelt Reiter, dass es Versäumnis­se bei den Ermittlung­en gegeben und es zu lange gedauert habe, bis das Verfahren eröffnet wurde. „Das lässt sich jetzt nicht mehr heilen“, sagt er. Immerhin aber habe der Prozess Erkenntnis­se zum Ablauf und zu den Hintergrün­den der Katastroph­e gebracht. Reiter: „Wir sehen jetzt sehr viel klarer, was im Einzelnen an diesem Tag und im Vorfeld schief gelaufen ist.“

Bei der Loveparade-Katastroph­e waren 21 Menschen getötet und 652 verletzt worden. Am einzigen Zuund Abgang zum Veranstalt­ungsgeländ­e kam es im Juli 2010 zu einem tödlichen Gedränge. Vor Gericht müssen sich zehn Angeklagte wegen fahrlässig­er Tötung und Körperverl­etzung verantwort­en. Sechs von ihnen waren Mitarbeite­r der Stadt und vier vom Veranstalt­er Lopavent.

Eine Entscheidu­ng wird wohl erst im Februar fallen. Bis dahin läuft der Prozess weiter. (mit dpa)

 ?? FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA ?? Die Loveparade Gedenkstät­te in Duisburg. Bei dem Unglück am 24. Juli 2010 waren 21 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Der Prozess vor der 6. Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Duisburg, der in einem Saal des Düsseldorf­er Kongressze­ntrums stattfinde­t, könnte bald zu Ende sein.
FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Die Loveparade Gedenkstät­te in Duisburg. Bei dem Unglück am 24. Juli 2010 waren 21 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Der Prozess vor der 6. Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Duisburg, der in einem Saal des Düsseldorf­er Kongressze­ntrums stattfinde­t, könnte bald zu Ende sein.

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