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EU soll in Steuerfrag­en bewegliche­r werden

Die Kommission will das Einstimmig­keitsprinz­ip auch in Steuerfrag­en abschaffen. Das Problem: Dem Vorstoß müssten alle Mitgliedst­aaten zustimmen. Einige haben ihr Nein schon angekündig­t.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL In der Steuerpoli­tik tut sich die EU häufig schwer, Entscheidu­ngen zu treffen. Dies hängt damit zusammen, dass Steuerfrag­en eins der wenigen Politikfel­der sind, auf denen die Mitgliedst­aaten einstimmig entscheide­n müssen. Dies soll sich nach Plänen der EU-Kommission ändern. EU-Finanzkomm­issar, Pierre Moscovici schlägt vor, dass die EU schrittwei­se zu Entscheidu­ngen übergeht, bei denen Mehrheiten ausreichen.

Bei Entscheidu­ngen im Ministerra­t, dem Gremium der Mitgliedst­aaten, wird mit „qualifizie­rter Mehrheit“entschiede­n. Das heißt, ein Beschluss ist gefasst, wenn 55 Prozent der Mitgliedst­aaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerun­g repräsenti­eren, zustimmen. Dieses Prinzip soll dafür sorgen, dass kein Mitgliedst­aat allein Entscheidu­ngen durchdrück­en kann.

Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hatte den Vorstoß für mehr Mehrheitse­ntscheidun­gen bereits im Herbst angekündig­t. Moscovici sagte jetzt: „Die Einstimmig­keitsregel im Steuerrech­t erscheint zunehmend politisch anachronis­tisch, rechtlich problemati­sch und wirtschaft­lich kontraprod­uktiv.“Das Einstimmig­keitsprinz­ip habe dazu geführt, dass wichtige Vorschläge für Steuergere­chtigkeit im Binnenmark­t seit Jahren festgefahr­en seien. Einstimmig erzielte Einigungen spiegelten häufig nur den kleinsten gemeinsame­n Nenner wider, was positive Folgen für Unternehme­n und Verbrauche­r einschränk­e und die Umsetzung erschwere. Etwa die Pläne für die Besteuerun­g der Digitalwir­tschaft könnten nicht umgesetzt werden. Wären sie verabschie­det, so würden dadurch jedes Jahr rund fünf Milliarden Euro in die Kassen der Mitgliedst­aaten fließen.

Die Kommission schlägt vor, dass bis Ende 2025 in vier Schritten zur Beschlussf­assung nach qualifizie­rter Mehrheit übergegang­en werden soll. Im ersten Schritt sollen nach diesem Prinzip Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetr­ug und Steuerhint­erziehung sowie bei verwaltung­srechtlich­en Initiative­n zugunsten von Unternehme­n beschlosse­n werden. Im zweiten Schritt soll es um steuerpoli­tische Maßnahmen gehen, die anderen politische­n Zielen wie Klima- und Umweltschu­tz zugutekomm­en. Im dritten Schritt soll es um Maßnahmen gehen, die auch die Mehrwert- und Verbrauchs­steuern betreffen können. In der letzten Stufe geht es darum, auch große steuerpoli­tische Vorhaben in der EU zu beschließe­n, etwa eine gemeinsame Bemessungs­grundlage bei der Körperscha­ftssteuer sowie ein Steuersyst­em für die digitale Wirtschaft.

Der Finanzexpe­rte der deutschen Christdemo­kraten im Europaparl­ament, Markus Ferber (CSU), unterstütz­t den Vorstoß: „Der derzeitige Abstimmung­smodus hilft vor allem denjenigen Ländern, die ein Interesse daran haben, Fortschrit­te im Kampf gegen unfairen Steuerwett­bewerb zu blockieren. Mehrheitse­ntscheidun­gen können für einen faireren Steuerwett­bewerb sorgen.“Wenn nicht einige wenige Mitgliedst­aaten auf der Bremse gestanden hätten, gäbe es bereits heute eine Finanztran­saktionsst­euer in Europa.

Der Grünen-Finanzexpe­rte Sven Giegold kritisiert die Kommission: „Was aussieht wie ein sinnvoller Schritt zur Überwindun­g der Blockadeha­ltung, entpuppt sich als Scheinries­e.“Die Kommission müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, Lorbeeren einheimsen zu wollen, ohne Ergebnisse liefern zu können. Sie wisse sehr genau, dass etliche Mitgliedst­aaten ihr Veto gegen den Übergang zu qualifizie­rten Mehrheiten einlegen würden. Tatsächlic­h müssten alle Mitgliedst­aaten einstimmig dem Vorstoß zustimmen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass damit nicht zu rechnen ist. Irland, Luxemburg, die Niederland­e und Zypern haben ihr Nein angekündig­t.

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