Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Den deutschen Handballer­n fehlt der letzte Biss

Die Handball-Nationalma­nnschaft lässt beim 25:25 gegen Frankreich am Ende einmal mehr Kaltschnäu­zigkeit vermissen. Pechvogel ist diesmal Fabian Böhm. Die Spieler brauchen den absoluten Siegeswill­en, wenn es bei der Heim-WM weit gehen soll.

- VON JESSICA BALLEER

BERLIN Am Morgen nach dem WM-Kracher meldete sich der Kater. Bis spät in die Nacht hatten die deutschen Nationalsp­ieler noch den starken Auftritt beim 25:25 gegen Frankreich aufgearbei­tet. „Ich bin erst um vier Uhr eingeschla­fen“, sagte Torwart Andreas Wolff. „Ich werde heute die meiste Zeit im Bett liegen“, sagte Kreisläufe­r und Defensiv-Experte Patrick Wiencek, der sich am Dienstagab­end mit den Franzosen eine Art Ringkampf auf dem Handballfe­ld geliefert hatte. Neben Müdigkeit schwang da aber noch etwas anderes im Team des Deutschen Handballbu­ndes (DHB) mit. Ein neues Selbstbewu­sstsein. Deutschlan­d ist wieder wer. „Wir gehören wieder zur Weltspitze“, sagte Co-Trainer Alexander Haase zufrieden.

Durchaus kann das Team von Bundestrai­ner Christian Prokop mit der bisherigen Leistung zufrieden sein: vier Spiele, zwei Siege, zwei Unentschie­den. Serbien ist der letzte Gruppengeg­ner (Donnerstag, 18 Uhr), ehe es in die Hauptrunde geht. Dort ist sportlich alles drin. Und die WM-Stimmung im Land wächst ja auch: 8,53 Millionen TV-Zuschauer haben am Dienstag mitgefiebe­rt. Doch ist es für Genügsamke­it nicht etwas zu früh? Woran es noch mangelt, ist der Killerinst­inkt, der echte Siegertype­n von allen anderen unterschei­det. Wenn Deutschlan­d sein Minimalzie­l WM-Halbfinale erreichen will, wird es den brauchen.

Beim 25:25 hatten die Spieler bis kurz vor Schluss – wie schon gegen Russland – alle Trümpfe in der Hand. Es ging nicht nur um ein bemerkensw­ertes Remis. Es ging um den Triumph über den Weltmeiste­r vor kochender Kulisse im eigenen Land. Das misslang. Und die Reaktionen?

Die Charakters­tudie in der Berliner Arena begann nach Spielende bei Torwart Wolff, der in sein Trikot biss und seiner Wut freien Lauf ließ. Hinter ihm tobte sich Uwe Gensheimer am Torpfosten aus. Drei, vier Mal gab er dem schwarz-weiß gestreifte­n Aluminium saftige Tritte mit. Als wolle er ihn dafür bestrafen, beim letzten Wurf der Franzosen in letzter Sekunde nicht einige Zentimeter weiter links gestanden zu haben. „Ich bin froh, dass ich mir nicht den Fuß gebrochen habe“, sagte Gensheimer. Angefresse­n wirkte der Kapitän immer noch. „Das geht nicht spurlos an einem vorbei.“Genau diese Befürchtun­g drängte sich aber dann doch auf: dass das Negative spurlos vorbeigeht.

Prokop zeigte sich „stolz und zufrieden“. Der Pechvogel des Abends tat dies allerdings auch. Fabian Böhms Blick wirkte leer. Ähnlich ausdrucksl­os ging er auf der kleinen Bühne vor den Journalist­en auch seine Spielanaly­se an. Gute Stimmung, gutes Spiel. Dabei hatte er beim Stand von 25:24 den fatalen Fehlpass gespielt, der zum Ausgleich führte. In der Auszeit zuvor noch hatte er die Anweisung erhalten, Initiative zu ergreifen. Doch der „bedingungs­lose Krieger“– als solchen hat Prokop den Hannoveran­er vor der WM charakteri­siert – patzte. Mehr Gefolgsman­n als Krieger, hatte Böhm das Anspiel auf Gensheimer gewählt und den Ball verloren. Böhm gestand seinen Fehler klar ein. Er sagte aber auch: „Im Nachhinein ist es ein bisschen schade, dass wir nur mit einem Punkt rausgehen.“Ein bisschen schade fand er es, dass Deutschlan­d erneut in der „Crunchtime“, also in der heißen Spielphase, den Sieg nicht ins Ziel brachte. Dabei hat das Frankreich-Spiel gezeigt: Mit etwas mehr Gier und Coolness ist alles möglich. Gegen Serbien wird das noch nicht essentiell sein. In der Hauptrunde ab Samstag schon. Es bleibt ein wenig Zeit, das Spielglück zu beschwören und Abgezockth­eit zu trainieren.

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FOTO: IMAGO Feiner Zwirn statt Fußballtri­kot: Marcell Jansen am vergangene­n Wochenende bei einem Neujahrsem­pfang in Hamburg.
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FOTO: DPA Torhüter Andreas Wolff ärgert sich über das späte Tor zum 25:25.

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