Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Skispringerinnen wollen eigene Tournee
Die Gleichberechtigung hört an der Skisprungschanze auf. Noch immer springen die Frauen an anderen Orten als die Männer. Was ihnen aber vor allem fehlt, ist ein Aushängeschild wie die Vierschanzentournee. Das soll sich ändern.
DÜSSELDORF Sie springen genauso weit, schön und spektakulär wie die Männer. In der Luft sind die Skisprung-Frauen auf den TV-Bildern kaum von ihren männlichen Kollegen zu unterscheiden. Und doch ist vieles ganz anders für die Skispringerinnen: die Schanzen, das Preisgeld, die Aufmerksamkeit.
Zehntausende Fans, die sie an den Schanzen anfeuern? Das kennen die Skispringerinnen höchstens von den wenigen gemeinsamen Wettkämpfen mit den Männern. Richtig populär ist Frauen-Skispringen nur in Norwegen und Japan, vielleicht noch in den USA.
Und in Deutschland? Immerhin ist Carina Vogt 2014 in Vancouver die erste Olympiasiegerin in der Geschichte des Skispringens geworden. Die 26-Jährige ist amtierende Weltmeisterin und hat in Katharina Althaus und Juliane Seyfarth zwei weitere Kolleginnen, die regelmäßig um Weltcup-Siege springen.
Das lockt viele Mädchen auf die Schanzen. 700 trainieren in Deutschland in den Skisprung-Vereinen, sagt Horst Hüttel, Sportlicher Leiter Nordische Kombination/Skisprung beim Deutschen Skiverband. An die Schanzen locken sie aber auch nicht viel mehr als ein paar Hundert Zuschauer. Das ist zwar mehr als zu Beginn des Weltcups 2011 – die Popularität von Severin Freund, Andreas Wellinger oder Markus Eisenbichler erreichen die Frauen aber selbst als Weltmeisterin oder Olympiasiegerin nicht.
Auch, weil es ihnen an großen Auftritten fehlt. Auf Skiflugschanzen dürfen sie nicht springen, weil sie zu selten auf Großschanzen Wettkämpfe austragen. Erst seit diesem Winter finden mehrere Weltcups auf Großschanzen statt – 10 von 29. Vorher durften die Frauen nur zwei Mal pro Saison auf die große Schanze. Bei den Weltmeisterschaften treten die Frauen weiter nur auf der Normalschanze an. Auch zehn Jahre nach ihrer ersten WM-Teilnahme noch.
Und in einem weiteren Punkt wird zwischen Skispringern und Skispringerinnen unterschieden: 3000 Schweizer Franken (2650 Euro) bekommt die Siegerin eines Weltcups. Bei den Herren sind es 10.000.
ARD und ZDF übertragen die Frauen-Weltcups inzwischen auch mal live. So selbstverständlich wie die Rodlerinnen, Langläuferinnen oder gar Biathletinnen finden die Zuschauer die Skispringerinnen aber nicht im Wintersportprogramm statt.
Eigentlich stehen sie nur dann im Fokus, wenn sie bei Großevents springen dürfen – und dann vor allem im Mixed-Wettbewerb. Solche gemischten Wettkämpfe könnte es auch im Weltcup geben. Denn zumindest die deutschen Männer würden gerne häufiger mit den Frauen springen. Immerhin lief es im Mixed bisher gut für die Deutschen. Bei der WM in Seefeld im Februar ist das deutsche Frauen-Männer-Quartett Titelverteidiger. Für Mixed-Weltcups müssten Frauen und Männer aber häufiger an einem Ort springen. „Wir sind die einzige Fis-Sportart, bei der die Frauen- und Männer-Weltcups nicht an einem Standort stattfinden“, sagt Frauen-Skisprung-Bundestrainer Andreas Bauer. Dabei würde das viele Synergieeffekte bringen: für Veranstalter, Sponsoren, Fans und Medien. „Wenn wir mit den Männern an einem Ort springen, steigert das die Aufmerksamkeit. Die Veranstalter könnten dann mehr Einnahmen generieren und vielleicht auch das Preisgeld anheben“, sagt Bauer.
Der Vorteil der Skispringerinnen sei, dass sie auf jeder Schanze die gleichen Weiten wie die Männer springen können. Den Zuschauern würden die Unterschiede nicht auffallen, denn: „Technisch können Frauen genauso gut springen wie die Männer. Was ihnen fehlt, ist die Schnellkraft am Schanzentisch“, sagt der Bundestrainer. Die Frauen sind leichter als die Männer. Weniger Gewicht bedeutet weniger Geschwindigkeit bei der Anfahrt. Das wird durch einen längeren Anlauf kompensiert.
Der frühere Weltmeister und Olympiasieger Thomas Morgenstern glaubt sogar, dass eine sehr gute Technik den Kraftnachteil bei den Skispringerinnen bis zu einem gewissen Grad wettmachen kann. „Ein Mann, der eine gute Technik und mehr Kraft hat, wird aber weiter springen als eine Frau mit guter Technik. Aber warum sollten Männer und Frauen nicht trotzdem irgendwann gemeinsam in einem Einzel-Wettkampf springen?“, fragt der Österreicher. Diese Entwicklung werde aber noch Jahre brauchen. Der nächste Schritt, der für die Damen kommen muss, ist so etwas wie eine Vierschanzentournee. Sie brauchen eine Serie, bei der sich eine ähnliche Tradition und Wettkampfgeschichte aufbauen kann“, sagt Morgenstern.
Das sieht auch Bauer so. Er schlägt allerdings vor, dass die Frauen bei der Vierschanzentournee im Vorprogramm der Männer springen. „Am Tag der Qualifikation findet ja nur ein Durchgang statt. Da wäre Zeit, den Wettkampf der Frauen auszutragen“, sagt Bauer. In Oberstdorf kamen zuletzt 16.000 Zuschauer zur Qualifikation. Denen würde man mehr Sport bieten und den Springerinnen mehr Stimmung und Aufmerksamkeit. „Die Tradition der Tournee könnten wir so einfach aufnehmen und hätten am Ende auch eine Vierschanzentournee-Siegerin“, sagt Bauer.
Nur dafür müsste die Fis einen Vorstoß in dieser Sache machen. „Walter Hofer ist bekannt für innovative Ideen. Vielleicht initiiert er das zum Ende seiner Amtszeit noch“, sagt Bauer. Er selbst sitzt inzwischen im Fis-Komitee und kann in solchen Fragen mitentscheiden. Es gelte aber auch, die anderen Nationen von der Idee zu begeistern. Für diese Saison habe sich schon viel getan bei den Frauen. Nicht nur bei der WM springen sie gemeinsam mit den Männern, auch bei der Raw Air in Norwegen.
Und was ist mit gemischten Einzel-Wettkämpfen von Frauen und Männern? Davon hält der Bundestrainer nichts. Denn dann müssten die Frauen mit der gleichen Anlauflänge starten wie die Männer. „Das kann man schon machen, aber dann landet Katharina Althaus allein wegen der Geschwindigkeit halt auf Platz 55“, sagt Bauer. „Das würde keinen Sinn machen.“