Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wo das Leben unvorstellbar einfach ist
Eigentlich ist Juno Ziss Personalerin bei Vodafone. Für drei Monate tauschte sie ihr Büro gegen eine bescheidene Bleibe in Nepal.
Das Zimmer war klein, spartanisch eingerichtet ohne fließend Wasser oder sonstigen Komfort. Dafür standen Elefanten, Wasserbüffel und Hühner gleich vor der Haustür. Rund 7000 Kilometer entfernt von ihrer gemütlichen Wohnung in Düsseldorf lebte Juno Ziss drei Monate lang im kleinen Dorf Bachhauli im Süden von Nepal unter einfachsten Bedingungen.
Ihr Einsatzort, die Bücherei, war nicht nur ein Mini-Raum mit Büchern und zwei Laptops samt Internet, sondern gleichzeitig Versammlungsund Kindertagesstätte, Ort zum Bezahlen der Stromrechnung, für die Dorfbewohner Anlaufstelle für Hilfe jeglicher Art von kostenlosen Gesundheitschecks bis zu Infoveranstaltungen zum Anbau von Gemüse und zur Gesundheit der Nutztiere.
„Dieses Leben war gefühlt weit mehr als nur 7000 Kilometer entfernt von meiner Arbeit im Vodafone-Tower auf dem Campus in Heerdt, von meiner Familie, den Freunden und allem Luxus, der damit verbunden ist“, erzählt die 29-Jährige. Sie empfindet es als „großes Glück, so komfortabel mit so vielen Chancen leben zu dürfen“. Und weil sie etwas davon zurückgeben wollte in einem Land, in dem das Leben nicht so einfach ist, erfüllte sie sich den Traum von einem Leben auf Zeit in Nepal und machte sich mit leichtem Gepäck auf den Weg.
Die junge Psychologin, die in Heidelberg, Paris und Hamburg studiert hat und sich seit 2015 in der Personalabteilung des Telekommunikationsanbieters um die Entwicklung von Führungskräften kümmert, tauschte ihr eng getaktetes und hochspezialisiertes Arbeitsumfeld gegen täglichen Yoga- und Englisch-Unterricht für die Frauen
in Bachhauli, sie half bei Computer-und Powerpointfragen.
Und wie sah ihr Alltag am Rande des Nationalparks von Chitwan umgeben von Nashörnern und Tigern aus? „Wie alle anderen bin ich morgens bei Sonnenaufgang um 5 Uhr aufgestanden“, sagt Juno Ziss. Warmes Wasser zum Duschen – Fehlanzeige, dafür funktionierte die Wasserpumpe. Also schnitt sie sich kurzerhand ihr langes Haar ab, weil es praktischer und pflegeleichter war.
„Das Leben dort ist unvorstellbar einfach“, sagt Juno Ziss. In einem orangefarbenen Plastik-Bottich wusch sie ihre Wäsche, aber auch die Kartoffeln fürs Essen. Um 11 Uhr war Zeit für Yoga, als Matte diente eine einfache Schaumstoffrolle. Eingekauft wurde in einem Mini-Shop, einem Büdchen auf Nepalesisch. Die kleine Welt von Bachhauli wurde zur Welt der Juno Ziss. Ausflüge waren selten – schließlich dauert eine 80 Kilometer lange Fahrt mit dem Bus acht Stunden.
Stattdessen tauchte die junge Düsseldorferin in das Dorfleben ein, lernte Nepali und kümmerte sich vor allem um die Frauen. „Sie haben mich beeindruckt, wie sie zwischen den Welten leben: Wäsche waschen im Bottich und Surfen im Internet. Alle haben ein Smartphone – selbst die Dorfälteste – und sie sind auf Facebook aktiv.“
Das Leben in Nepal sei so anders als das, was sie bisher kannte. „Alles geht in einem viel ruhigerem Tempo voran, die Menschen gehen sogar auf der Straße langsamer“, sagt Juno Ziss. Die Mentalität sei entspannter: Wenn ein Stuhl wackelt, dann ist das eben so. Statt ihn zu reparieren, lebt man damit. Dabei seien die Frauen, die sich übrigens nur die Nägel der linken Hand lackieren, weil sie mit der rechten essen, unglaublich stark.
So wie Juno Ziss, die zielstrebig ihren Weg geht. Neben ihrem Job bei Vodafone ist sie ausgebildete Fitness-Trainerin und als Personal-Coach im Einsatz. Sie reist gerne und oft, war schon als 16-Jährige für längere Zeit in Kanada und nach dem Studium in Australien. „Ich will nicht nur für die Karriere leben, sondern die Welt kennenlernen und sie verstehen“, betont sie.
Was hat sich nach Nepal für sie verändert? „Ich versuche, mir ein Stück Gelassenheit zu erhalten, mich nicht so hetzen zu lassen“, sagt Juno. „Wir merken zu 99 Prozent der Zeit gar nicht, wie unglaublich es ist, wirklich alles haben zu können. Und damit meine ich nicht den Konsum von Luxusgütern, sondern sauberes Wasser aus der Leitung, heiße Duschen, eine funktionierende Müllabfuhr.“
Mit nur einem Rucksack ist Juno Ziss nach Bachhauli aufgebrochen. Mit einem Füllhorn an Erfahrungen und Erinnerungen ist sie zurückgekommen. Eine Woche lang haben die Dorfbewohner ihren Abschied gefeiert. Jeder hat für sie gekocht, es gab viele gute Wünsche, einen maßgeschneiderten Sari für sie und ein herzliches „Namasté“– was so viel bedeutet wie „Ich verbeuge mich vor dir“.