Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Ein Schaukelstuhl für Trotzki
Zum Galerienauftakt am Freitag in Flingern kuratiert Katharina Fritsch „Fette/Koschkarow/Lahme“.
Sie ist eine der Großen in der Schar von Düsseldorfs internationalen Künstler-Stars. Katharina Fritsch hat neben ihrem eigenen Werk und ihrer Professur, die sie soeben an der Kunstakademie aufgegeben hat, eine starke kuratorische Ader. Jetzt fordert sie bei Paul Schönewald in Flingern drei Künstler zum Tanz auf. ,„Fette/Koschkarow/Lahme“heißt die Schau, die sich üblichen Maßstäben entzieht und apodiktisch behauptet: Man wollte keine Themenausstellung, keinen Übertitel, weder Belehrung, noch Interpretationshilfen, keinen Dienstleistungsgedanken und schon gar keine Preisangaben.
Persönlichkeiten zeigen ihr Werk, das unterschiedlicher nicht sein könnte: Der in New York lebende Erbauer von politischen Interieurs, Alexej Koschkarow, die in Düsseldorf lebende melancholische Malerin Angela Fette und der in Düsseldorf verortete Matthias Lahme, der zeichnet, malt, collagiert und Bilder in beseelte Gewebe zerschneidet. Sie alle sind eine Generation, um 1970 geboren, und noch mehr als das vereint sie die hohe Qualität. Sie glauben an das, was sie zeigen, sagt Fritsch, und dass sie für die einmalige leistungsstarke Düsseldorfer Szene stünden. Dieser Glaube an die Kraft der reinen künstlerischen Arbeit, die im Atelier entsteht, sei wichtig, sagt Fritsch.
Im ersten Galerieraum sind Lahmes Werke Augenfänger, der Künstler ist befasst im ewigen Spiel um Zeichen, Zeichnen und Zeigen. Mal malt er duftige Aquarelle von Blumen, die so gar nicht existieren. Jedes Jahr gerate er einmal in Blumenstimmung, erzählt er. Ganz wild und neu sind dagegen seine Gesichtsmotive, die für ihn Emojis in künstlerischer Bildsprache formen. Aus Augen, die Hände sind, fließen Tränen, die ein Rosenkranz generiert, im Mund hingegen könnten dessen Perlen das Blabla der digitalen Kommunikation sein. Fantastisch sind Lahmes Monstertableaus, riesige Bildergitter mit unzähligen Kleinst-Aquarellen, eingerahmt und verdichtet mit schwarzer Tusche, dann rhythmisch zerschnitten, um die Leerstellen auf der Wand mitzukalkulieren.
Martialisch wirkt dagegen der politische Weltraum des in Weißrussland geborenen Koschkarow, dessen Power unter hochglänzender Oberfläche brodelt. Es ist Parabel, eine trügerische Schönheit. Schaukelstühle für Trotzki, Hammer und Sichel als fein lackierte Rückenstärkung, als Basis ein Zylinder aus der Welt des Kapitalismus. Unerhört! Koschkarows Spezialität ist es, Geschichte und Politik in symbolhafte Materialität einzuzementieren. Fünfzackige Keramiksterne vervollständigen den revolutionären Raum, in dem ein „Rambo“-Kopf die böse Karikatur des Filmhelden ist.
Vordergründig harmloser wirkt die Malerei von Angela Fette, deren Tiefe auf der Leinwand altmeisterlich wirkt und metaphysische Kraft ausstrahlt. Monumentale Wesen, oft sind es Tiere, setzt Fette in einen abstrakten Bildraum, der illusionistisch ist. Für sie das Fenster zur Welt.
Die Anregungen der Ausstellung verführen zu einem Gedankenspiel. „Nachts im Museum“begänne Leo Trotzki für Koschkarow zu schaukeln. Die Hände würden die Tränen aus Lahmes Augen wischen und der von Fette „Georg“getaufte Flughund würde in Erinnerung an Baselitz sich auf den Kopf stellen. Das Mantra von Fritsch lautet: „Man muss gucken!“Dann kommt die Fantasie von selber.
Die Preise bewegen sich zwischen 400 und 60.000 Euro, die Eröffnung findet am Galerienwochenende von Flingern am Freitag, 18 bis 21 Uhr, Lindenstraße 182, statt.