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Krefeld sucht Flächen für Insekten

Der Nabu hat eine Liste mit 50 Flächen erarbeitet. Eine Arbeitsgru­ndlage. Die Naturschüt­zer wollen eng mit der Stadt und den Bürgervere­inen zusammenar­beiten, um Konsens über die Auswahl herzustell­en.

- VON JENS VOSS

Der Schock über den Insektensc­hwund in Deutschlan­d, den der Krefelder Entomologi­sche Verein mit seiner bahnbreche­nden Studie ausgelöst hatte, hat in Krefeld erste politische Konsequenz­en. Die Stadt wird Flächen im Stadtgebie­t suchen, die sich als Lebensraum für Insekten herrichten lassen. Die SPD hat dies im Umweltauss­chuss des Rates vorgeschla­gen. Als erste Arbeitsgru­ndlage soll eine Liste mit 50 Flächen dienen, die der Krefelder Nabu-Naturschut­zbund erstellt hat. Der Ausschuss folgte dem Ansinnen. Bis zur nächsten Sitzung sollen Verwaltung und Nabu nun konkrete Flächenvor­schläge mit Kostenbere­chnungen vorlegen.

Die Nabu-Fachleute wollen ihre vorläufige Liste als Anregung verstanden wissen und betonen, dass man jede Fläche mit den Bedürfniss­en der Bürgerscha­ft abstimmen müsse. Aus diesem Grund zögern die Naturschüt­zer, die Liste zu veröffentl­ichen. „Eine Fläche, die als Picknick- und Spielplatz wichtig ist für ein Viertel, fällt natürlich flach“, sagt Michael Müller, der die Liste nach Begehungen mit anderen Nabu-Aktiven mit erstellt hat. Anderersei­ts gebe es in nahezu jedem Park Flächen, die vom Publikum nicht begangen werden.

Um einen Konsens über Flächen herzustell­en, hat der Nabu begonnen, Bürgervere­ine und die Arbeitsgem­einschaft der Krefelder Bürgervere­ine (AKB) als Dachverban­d in die Suche einzubinde­n. Andere Städte, berichtet Klaus Kosmol vom Nabu, hätten gute Erfahrunge­n gemacht; die Bürger begrüßten diese Maßnahmen.

Insekten in der Stadt? Paradoxerw­eise ist die Stadt „ein gutes Reservoir für Insekten“, sagt Müller; in der Stadt gebe es schlicht weniger Insektizid­e als auf landwirtsc­haftlichen Flächen. Auch die Anlage von Naturschut­zinseln sei sinnvoll. „Wenn das Angebot da ist, dann kommen die Insekten. Deswegen sind einzelne Blühfläche­n auch sinnvoll.“Hintergrun­d: Für den Arterhalt braucht man idealerwei­se Verbundflä­chen; gerät eine Art unter Druck, kann sie sich in Nachbarreg­ionen erholen. Deswegen plädieren Naturschüt­zer bei der Ausweisung von Naturschut­zflächen für Verbundsys­teme.

Insektenfl­ächen sind heute weniger reine Blühwiesen. „Besser sind Staudenmis­chpflanzun­gen“, sagt Kosmol. Bei reinen Wiesen gibt es Phasen der Brache; bei Staudenmis­chungen stehen die Pflanzen mehrjährig, der Bewuchs ist ganzjährig präsent. Neben heimischen Pflanzen wie Malven und Margeriten dürfe es auch Lavendel sein, betont Müller – Hauptsache es gibt insektenta­ugliche Blüten.

Die fachgerech­te Anlage solcher Flächen ist wichtig, betonen die Nabu-Experten. Am aufwendigs­ten ist die Aufbereitu­ng von Rasenfläch­en; der Boden muss abgeräumt werden, um unerwünsch­te Pflanzensa­men wegzubekom­men. Brachfläch­en etwa an Bahngleise­n oder in Gewerbegeb­ieten sind einfacher herzuricht­en. „Ist eine Fläche erst einmal angelegt, ist die Pflege weniger kosteninte­nsiv als Rasenmähen“, sagt Emmerich, „auf sechs- bis siebenmal Rasenmähen kommen zwei Pflegedurc­hgänge bei Staudenmis­chpflanzun­gen“. Alle drei Nabu-Leute sehen großes Potenzial für insektenfr­eundliche Flächen sowohl in Privatgärt­en als auch in Gewerbegeb­ieten. „Die IHK hat einen Leitfaden für naturnahe Gestaltung von Firmengelä­nde erstellt“, berichtet Kosmol. Ein Trend: Die Wirtschaft ist zunehmend offen für solche Ideen. So bietet die in Kempen ansässige Firma „SaReEn“die ökologisch­e Gestaltung von Firmenfläc­hen an. Canon in Krefeld habe sich in Gesprächen mit dem Nabu offen gezeigt für solche Pläne. Für den Bau der Castellmüh­le im Hafen (dort entsteht Europas größte Getreidemü­hle) hat der Nabu Vorschläge gemacht, welche Flächen als Öko-Flächen angelegt werden könnten. Privaten Gartenbesi­tzern empfiehlt der Nabu Rücksprach­e mit einem Landschaft­sgärtner, um Gärten so anzulegen, dass die Pflege einfach und der ökologisch­e Ertrag groß ist.

Eigentlich hat sich die Stadt bereits zu solchen Projekten verpflicht­et: Sie hat, darauf weist die SPD in ihrem Antrag hin, die Deklaratio­n „Biologisch­e Vielfalt in Kommunen“unterzeich­net und die Absicht erklärt, Maßnahmen zum Schutz der biologisch­en Vielfalt zu ergreifen.

 ?? RP-FOTO: T.L. ?? Werben für die Anlage von Staudenmis­chpflanzun­gen in der Stadt als Lebensraum für Insekten: Michael Müller, Klaus Kosmol und Hans-Georg Emmerich (v.l.) vom Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu).
RP-FOTO: T.L. Werben für die Anlage von Staudenmis­chpflanzun­gen in der Stadt als Lebensraum für Insekten: Michael Müller, Klaus Kosmol und Hans-Georg Emmerich (v.l.) vom Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu).

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