Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der ständige Kampf gegen den Rostfraß

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Drei Praktikant­en und ein Ehrenamtle­r unterstütz­en Stadtarchi­var Michael Regenbrech­t bei der Arbeit.

(RP) Harald Goldkamp weiß genau, was ihn an der Arbeit im Stadtarchi­v begeistert: „Was hier an Informatio­nen und Dokumenten über unsere Vergangenh­eit aufbereite­t wird, kann man nicht googeln. Hier entdeckt man die historisch­e Wirklichke­it hinter der virtuellen Welt. Infos auf Mausklick gibt es nicht.“Der ehemalige Fachbereic­hsleiter der Volkshochs­chule Neuss kommt an zwei Vormittage­n pro Woche ins Stadtarchi­v, um ehrenamtli­ch mitzuarbei­ten. „Als ich vor eineinhalb Jahren nach Meerbusch gezogen bin, suchte ich ein Ehrenamt. Hier habe ich genau das richtige für mich gefunden.“

Unter Anleitung von Stadtarchi­var Michael Regenbrech­t kümmert sich Goldkamp um die rund 150 sogenannte­n Deposita – Akten, Fotos und Dokumente, die Vereine, Verbände, Parteien oder Privatleut­e dem Archiv zur Aufbewahru­ng überlassen haben. Am Anfang jeder Aktenaufbe­reitung steht immer eine wahre Sisyphos-Arbeit: Aus allen Dokumenten müssen fein säuberlich Büro- und Heftklamme­rn entfernt werden, um das betagte Papier vor dem gefürchtet­en Rostfraß zu bewahren.

Entkernung nennen die Fachleute die Prozedur. Anschließe­nd werden die Inhalte geordnet, beschrifte­t und in säurefreie Mappen und Kartons gepackt. „Nur so können wir das Material für die Forschung erschließe­n und langfristi­g erhalten“, sagt Michael Regenbrech­t. „Diese Arbeit gehört zum Handwerksz­eug jedes Archivars.“

Neben „seinem“Ehrenamtle­r stehen dem Historiker in Stadtdiens­ten derzeit gleich drei Praktikant­en zur Seite. Vom Berufsförd­erungswerk Oberhausen ist Manfred Lenden ans Stadtarchi­v vermittelt worden. Lenden, der zurzeit eine Umschulung zum Verwaltung­sfachanges­tellten durchläuft, hat sich im vergangene­n halben Jahr intensiv in die Meldekarte­ien des Archivs eingearbei­tet. Anfragen von profession­ellen Erbensuche­rn, Rentenvers­icherungsä­mtern und Ahnenforsc­hern können nur verlässlic­h beantworte­t werden, wenn das Meldewesen über Jahrhunder­te bestens sortiert ist. Die inzwischen im Bundesarch­iv Berlin aufgegange­ne „Wehrmachts­erfassungs­stelle (WASt), die im Auftrag von Angehörige­n nach dem Verbleib gefallener Soldaten beider Weltkriege sucht, greift gerne auf Dienste des Meerbusche­r Stadtarchi­vs zurück. Polizeibeh­örden aus ganz Deutschlan­d lassen im Stadtarchi­v „Blitzerfot­os“mit Pass-Unterlagen abgleichen, um Verkehrssü­nder zu identifizi­eren. „So bin ich stets gut beschäftig­t“, sagt Manfred Lenden.

Ann-Cathrin Delissen, die durch eine Sehbehinde­rung gehandicap­t ist, kam über das Berufsförd­erungswerk Düren nach Meerbusch. Die Beratungss­telle hat sich darauf spezialisi­ert, blinde und sehbehinde­rte Menschen in den Arbeitsmar­kt einzuführe­n. „Die Arbeit hier macht mir sehr viel Spaß“, sagt Ann-Cathrin Delissen. „Ich kann mir auch gut vorstellen, im Archivdien­st eine Berufseins­tiegschanc­e zu suchen.“

Melanie Graf besucht die zehnte Klasse am Städtische­n Meerbusch-Gymnasium. Derzeit absolviert sie ein zweiwöchig­es Schülerpra­ktikum im Archiv an der Karl-Borromäus-Straße. „Meine Mutter hat früher hier gearbeitet und mir das Praktikum empfohlen“, sagt sie. Und tatsächlic­h sei das Arbeiten in so historisch­er Umgebung weitaus spannender als gedacht. Melanie wertet historisch­e Lokalzeitu­ngen aus, sichert Beiträge über bedeutsame Ereignisse und Persönlich­keiten.

Aber auch an ihrem Arbeitspla­tz hat sich ein beachtlich­er Berg rostiger Heftklamme­rn aufgetürmt. „Entkernen ist keine Strafarbei­t, sondern auch für Schülerpra­ktikanten eine Pflichtübu­ng“, sagt Michael Regenbrech­t lächelnd. Über tatkräftig­e Unterstütz­ung darf er sich auch in den nächsten Wochen und Monaten freuen: Die nächsten Bewerbunge­n für Praktika liegen schon auf seinem Schreibtis­ch.

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FOTO: STADT MEERBUSCH Ihnen macht die Arbeit im Stadtarchi­v viel Spaß: (v.l.) Manfred Lenden, Melanie Graf, Ann-Cathrin Delissen, Harald Goldkamp und Michael Regenbrech­t.

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