Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Leyhe bleibt auch beim Heimspiel cool
Der Willinger glaubt, dass es beim Weltcup im Sauerland ein volles Haus geben wird. Nervös macht ihn das nicht.
WILLINGEN Er springt auf das Podest, reißt die Arme gen Himmel und lässt seine ganze Freude mit einem gewaltigen Schrei raus. Am Abend dieses 6. Januar 2019 sieht die Skisprung-Welt eine bisher verborgene Seite des Stephan Leyhe. Der 27-Jährige feiert ausgelassen seinen dritten Platz in der Gesamtwertung der Vierschanzentournee. Es ist der bisher größte Einzelerfolg seiner Karriere. Am Freitag startet er beim Weltcup in seiner Heimat Willingen.
Bislang sind ihm dort keine großen Sätze gelungen. Aber davon lässt sich Leyhe nicht beirren. „Ich nehme es als normalen Weltcup, aber mit dem Bonus, dass er in meiner Heimat stattfindet“, sagte Leyhe im Gespräch mit der „Waldekischen Landeszeitung“. Er weiß. dass in Willingen „die Hütte voll sein wird“und freut sich darauf. Für ihn sei es wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um das Drumherum auszublenden. „Ab dann heißt es nur noch: Ich und die Schanze“, sagt Leyhe.
Zu den Lautsprechern gehört er nicht. Vielmehr gilt er als akribischer Arbeiter und Teamplayer mit feinem, manchmal verstecktem Humor. Der für Fans, Reporter und Kollegen immer ein nettes oder aufbauendes Wort parat hat. Der auch dann Rede und Antwort steht, wenn es mal nicht so gut gelaufen ist. Der sich über die Erfolge seiner DSV-Kollegen auch dann freut, wenn er selbst nicht dabei ist. Wie etwa bei den olympischen Einzelspringen 2018, als er mit Olympiasieger Andreas Wellinger jubelte, obwohl Bundestrainer Werner Schuster ihn für die Wettbewerbe nicht berücksichtigt hatte. Die Unterstützung wurde ein paar Tage später mit Silber im Team belohnt. Geduldig, ruhig, bescheiden, immer freundlich – das sind typische Attribute, die fallen, wenn seine Kollegen über Leyhe reden.
Leyhe ist ein unermüdlicher Arbeiter, dem man nicht unbedingt ansieht, dass er sich über einen guten Sprung freut. Ein Lächeln hat er fast immer für die Fans übrig, das gebietet für ihn schon die Höflichkeit. Geballte Fäuste nach dem Sprung sind bei Leyhe schon fast ein Gefühlsausbruch. Als Bundestrainer Werner Schuster 2017 nach Leyhes erstem Top-Ten-Platz forderte, er solle sich mal freuen und aus seinem Schneckenhaus herauskommen, fragte Leyhe nur „Was, ich soll aus mir rausgehen?“. Er werde immer der ruhige Typ bleiben, eher introvertiert als euphorisch, sagte er damals. „Ich freue mich riesig, aber
im Stillen“.
Was also ist in dieser Saison anders? Leyhe ist seit Jahren ein zuverlässiger Top-30-Springer, bei TeamEvents kann sich der Bundestrainer auf „Mister Zuverlässig“verlassen. Zuverlässig verpasste Leyhe in der Vergangenheit aber im Einzel auch immer wieder die Spitzenplätze. Das ist in diesem Winter anders. Leyhe gehört nicht zu den Überfliegern. Der „Preuße“, wie ihn seine Teamkollegen nennen, muss sich seinen Erfolg immer wieder neu erarbeiten. Dafür zog er mit 19 Jahren in den Schwarzwald, weil ihm in Willingen die Konkurrenz fehlte, an der er sich hätte messen können.
Mit 27 Jahren springt er nun die beste Saison seines Lebens. Als Siebter in der Gesamtwertung des Weltcups ist er der konstanteste deutsche Springer. Direkt zu Saisonbeginn sprang er in Wisla als Zweiter zum ersten Mal in seiner Karriere im Weltcup aufs Podest. Und der Erfolg scheint Leyhe doch ein bisschen mehr Euphorie verliehen zu haben. Er springt seit dem gut gelaunt von Top-Ten-Platz zu TopTen-Platz. Auch kleinere Tiefs wie zuletzt in Lahti oder beim Skifliegen in Oberstdorf bringen ihn nicht aus der Ruhe. Ohnehin ist Leyhe kein großer Flieger. Von daher verwundert es auch nicht, dass er auf seiner Heimschanze in Willingen bisher noch nicht in die Top-Ten gesprungen ist. Die Mühlenkopfschanze ist die größte Großschanze im Weltcup-Kalender. Sprünge von mehr als 150 Metern sind dort möglich.