Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Polizist in Todesangst: 33-Jähriger angeklagt

- VON BIRGIT LAMEYER UND NORBERT STIRKEN

Die Zahl der im Dienst verletzten Polizeibea­mten hat sich 2018 mehr als verdoppelt: Gestern schilderte die Staatsanwa­ltschaft zum Prozessauf­takt gegen einen 33-Jährigen am Landgerich­t Krefeld einen besonders gewalttäti­gen Fall. Im Mai soll der Angeklagte in einem Lokal an der Breite Straße einen Polizisten strangulie­rt haben.

Für einen Krefelder Polizeibea­mten war es im Mai in einem Lokal an der Breite Straße ein Kampf um Leben und Tod. Ein um den Hals gelegter Gurt schnürte ihm die Luft ab. Gestern stand der Angreifer vor dem Landgerich­t, um sich wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung und Widerstand­es gegen Vollstreck­ungsbeamte sowie wegen Urkundenfä­lschung zu verantwort­en.

Der sportlich wirkende 33 Jahre alte Angeklagte mit dem markanten Gesicht und dem Dreitageba­rt schweigt zu den Vorwürfen, wie schon während des Ermittlung­sverfahren­s.

Der Übersetzun­g des Dolmetsche­rs hörte der Mann aus dem Kosovo, der vor etwa zehn Monaten nach Deutschlan­d kam, um Bekannte zu besuchen, ruhig zu. Seine Verteidige­rin gab eine Erklärung ab. Demnach sei ihr Mandant im Mai vergangene­n Jahres in der Innenstadt in eine Gaststätte gegangen und kurz darauf nach seinen Ausweispap­ieren gefragt worden.

Er wisse nicht, ob die Männer sich als Polizeibea­mte zu erkennen gegeben hätten. Aus Angst vor einer Festnahme, weil er mit gefälschte­n Dokumenten unterwegs gewesen sei, habe er zu fliehen versucht. Die Beamten hätten ihm aber den Weg zum Ausgang versperrt und ihn geschlagen, habe der Angeklagte seiner Anwältin berichtet.

Der Mandant habe von einer heftigen gewaltsame­n Auseinande­rsetzung zwischen ihm und den Beamten gesprochen. Er habe massive Verletzung­en im Gesicht erlitten. Der 33-Jährige habe keinesfall­s versucht, einen der Beamten mit dem Gurt von dessen Umhängetas­che zu erdrosseln. Es sei allerdings möglich, dass er während der Auseinande­rsetzung “nach irgendetwa­s gegriffen habe, ohne zu wissen, dass der Gurt um den Hals des Polizisten hing”.

Weitere Nachfragen zur Sache werde man nicht beantworte­n, sagte die Verteidige­rin dem Richter. Der Polizeibea­mte war noch merklich betroffen, als er die Situation in der Gaststätte schilderte. Er sei mit einem Kollegen zur Personenfa­hndung unterwegs gewesen. Als sie in der Gaststätte den Angeklagte­n kontrollie­rten, bemerkten sie, dass seine Papiere offensicht­lich gefälscht waren. Sie kündigten an, ihn mit zur Wache zu nehmen. „Und genau in diesem Moment explodiert­e dieser Mensch”, schilderte der Beamte.

In fast 40 Dienstjahr­en habe er keine solche Gewaltentw­icklung bei einer Person gesehen. Obwohl sie zu zweit waren, hätten sie ihn kaum überwältig­en können, der Mann habe um sich getreten, geschlagen und versucht, sich mit allen Mitteln der Festnahme zu entziehen. Irgendwie sei es dem Angreifer gelungen, ihn kniend am Boden zu fixieren. Im Kampf sei dann Rainer Furth Polizeiprä­sident

Anzahl der durch Widerstand verletzten Polizeibea­mten 30

25 20 15

„Im vergangene­n Jahr wurden 15 Beamte nach Angriffen auf ihre Person verletzt“

10 5 0 2007 2008 2009 2010

seine Umhängetas­che verrutscht, sagte der 55-Jährige. Der Angeklagte habe daran gezogen, bis ihm die Luft wegblieb.„Ich hatte wirklich Angst um mein Leben”, erzählte er im Zeugenstan­d.

Erst durch gezielte Schläge mit dem Einsatzmit­telstock habe sich der betroffene Polizeibea­mte aus der Lage befreien und den Gurt von seinem Hals abstreifen können, berichtet die Staatsanwa­ltschaft. Auch danach habe der Angeklagte die Polizisten massiv körperlich attackiert. Beide Beamten hätten Schürfwund­en, Prellungen und Schnittwun­den am ganzen Körper erlitten. Zudem habe einer der Polizeibea­mten deutliche Drosselmar­ken am Hals erlitten. Das Gericht muss nun unter anderem feststelle­n, ob der Angeklagte den Beamten mit Tötungsvor­satz gewürgt hat. Die Verhandlun­g wird am 19. Februar fortgesetz­t.

Die beiden Beamten waren dem Mann im Mai in eine Gaststätte an der Breite Straße gefolgt, weil er einer per Haftbefehl gesuchten Person sehr ähnlich sah. In der Gaststätte habe sich der Mann mit italienisc­hen 2011 2012 2013 2014

Ausweisdok­umenten ausgewiese­n, wobei den Polizisten sofort auffiel, dass die Dokumente gefälscht waren. Aufgrund des Verdachts der Urkundenfä­lschung teilten sie dem Mann mit, dass sie ihn zur Feststellu­ng seiner wahren Identität mit zur Wache nehmen wollten. Unvermitte­lt habe der Mann versucht, aus der Gaststätte zu flüchten. Für ihn sei tatsächlic­h ein Europäisch­er Haftbefehl ausgestell­t gewesen, erklärte die Staatsanwa­ltschaft seinerzeit. Seitdem befand sich der Mann ohne festen Wohnsitz in Untersuchu­ngshaft.

Angriffe auf so genannte Amtsträger sind in Krefeld keine Seltenheit. Der zur Anklage gebrachte Fall fällt durch seine besondere Gewalttäti­gkeit aber aus dem Rahmen. Gleichwohl wurden im vergangene­n Jahr über die beiden verletzten Polizeibea­mten hinaus 13 weitere Kollegen im Dienst angegriffe­n und verletzt. Insgesamt verbuchte die Krefelder Polizei 156 Fälle von Straftaten gegen die Staatsgewa­lt. Das bedeutet, an fast jedem zweiten Tag werden Mitarbeite­r der Strafverfo­lgungsbehö­rde 2015 2016 2017 2018

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany