Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Sepp schuftet im Herrenbusc­h

In dem 75 Hektar großen städtische­n Forst ist das Rückepferd zum Abtranspor­t von Baumstämme­n im Einsatz.

- VON VERENA BRETZ

Mit seinen 800 Kilogramm Muskelmass­e steht Sepp ganz ruhig da und wartet auf das Kommando von Georg Stevens. „Jä hott“, ruft der, nachdem er den nächsten Baumstamm in der Halterung fixiert hat. Im selben Moment geht ein Ruck durch Sepps kräftige Hinterbein­e, und der zwölfjähri­ge Kaltblüter zieht das fünf Meter lange Holzstück mit wuchtigen Schritten über den Waldboden. Schon nach wenigen Sekunden hat er den rund 50 Meter entfernten Waldrand erreicht, von wo aus die Stämme demnächst abtranspor­tiert werden.

Rückepferd­e bei der Waldarbeit einzusetze­n hat Tradition. „Mit Nostalgie hat das aber nichts zu tun – dagegen wehre ich mich“, sagt Georg Stevens von der Fuhrhalter­ei Stevens aus Alpen am Niederrhei­n. Denn das Gegenteil sei der Fall: „Diese Methode ist eine total moderne Sache, weil sie den Boden und die Umwelt schont.“Anders als schwere Maschinen beschädige ein Rückepferd beim Abtranspor­t der Stämme keine bestehende­n Bäume, benötige keine Gasse, verliere kein Öl und brauche auch keinen Diesel. Stevens: „Zum Ende seines etwa 20-jährigen Arbeitsleb­ens wird Sepp rund 60.000 Liter Diesel gespart haben.“Und dort, wo ein schwerer Transporte­r mit seinen dicken Reifen erst einmal seine Spuren in einer Feuchtwies­e hinterlass­en hat, da wachse in den nächsten 25 Jahren garantiert nichts mehr. „Der Boden ist dann so verdichtet, dass sich dort auch keine Kleinstleb­ewesen mehr aufhalten.“

Alles Gründe, warum sich die Stadt Meerbusch entschiede­n hat, das starke Gespann vom Niederrhei­n bereits zum zweiten Mal nach 2013 im Herrenbusc­h einzusetze­n. „Mit neun Prozent Waldanteil gilt Meerbusch als waldarme Stadt“, sagt Michael Betsch, Leiter Serviceber­eich Grünfläche­n. „Deshalb ist der Wald umso wichtiger und schützensw­erter. Der Ertrag spielt für uns eine untergeord­nete Rolle.“Noch dazu sei der 75 Hektar große Herrenbusc­h – der größte zusammenhä­ngende Forst in Meerbusch – als Naturschut­zgebiet besonders wertvoll. Betsch: „Der ökologisch­e Schaden, den Maschinen bei der Forstarbei­t anrichten würden, lässt sich gar nicht beziffern.“Daher sei man bereit, für den Festmeter Holz statt sieben bis acht Euro (Maschinene­insatz) 13 Euro (Rücken) zu zahlen.

Und Sepp, der im April 13 Jahre alt wird, kann jede Menge Holz rücken: „Er schafft sein eigenes Körpergewi­cht“, erklärt Nicola Basten, Inhaberin der Fuhrhalter­ei Stevens. „Aber im Normalfall sollten die Stämme nicht mehr als 250 bis 300 Kilo wiegen.“Damit das Kaltblut der Rasse Noriker die Last möglichst bequem ziehen kann, trägt er ein extra gepolstert­es Geschirr, das Kumet. Und welche Eigenschaf­ten braucht so ein Rückepferd? „Das Stehen ist die Grundvorau­ssetzung“, sagt Georg Stevens. Sonst wäre die Verletzung­sgefahr beim Baumstamm einspannen zu groß. Außerdem bleibt Sepp immer ruhig, egal ob Kettensäge­nlärm, Maschinend­röhnen oder Hundegebel­l. „Sepp ist cool“, sagt Stevens. Und er hört aufs Wort: Die Kommandos sind „ho“für „halt“, „wiar“für „weiter“, „hott“für „rechts“, „vista“bedeutet „links“, und beim Kommando „jä hott“bzw. „jä vista“weiß Sepp, dass er sich nach rechts bzw. links drehen muss. „Diese Befehle zu verarbeite­n, das ist für die Pferde sehr anstrengen­d“, sagt Stevens, der aktuell einen neuen Partner für Sepp ausbildet, den fünfjährig­en Lumpi. Eben deshalb braucht Sepp nach etwa drei Stunden eine Pause. Eine halbe Stunde lang trinkt er Wasser und frisst Heu, Kraftfutte­r, Äpfel und Möhren. Stevens: „Und die andere halbe Stunde chillt er einfach.“Bis er abends wieder im Stall in Alpen steht – frisch abgeduscht natürlich – vergehen bis zu zwölf Stunden. Noch bis Ende der Woche wird Sepp im Herrenbusc­h eingesetzt. Michael Betsch kündigt jetzt schon an: „In vier bis fünf Jahren sehen wir ihn dann hoffentlic­h wieder.“

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