Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zweifel an neuem Bluttest auf Brustkrebs

- VON WOLFRAM GOERTZ

Das Verfahren der Universitä­tsklinik Heidelberg ist nicht so zuverlässi­g wie erhofft. Experten sind skeptisch.

DÜSSELDORF Forscher der Uniklinik Heidelberg haben einen Bluttest entwickelt, der nach ihren Angaben Brustkrebs bereits sehr früh entdecken kann. Im Blut erkrankter Frauen konnten sie 15 verschiede­ne Biomarker identifizi­eren, mit deren Hilfe sich auch kleine Tumore nachweisen ließen. Christof Sohn, leitender Gynäkologe in Heidelberg, nannte den Test, für den wenige Milliliter Blut benötigt werden, bei der Vorstellun­g in Düsseldorf „revolution­är“. Noch in diesem Jahr soll der Test auf den Markt kommen.

Der neue Test solle Verfahren wie Mammografi­e, Ultraschal­l und MRT nicht ersetzen, hieß es. Vielmehr könne er eine möglicherw­eise sehr frühe Krebsdiagn­ose stellen, noch bevor ein Tumor sicht- und behandelba­r sei. Der Bluttest setzt Frauen keiner Strahlenbe­lastung aus.

Erste Studien lieferten, was die Zuverlässi­gkeit des Tests betrifft, unterschie­dliche Werte. Bei Frauen über 50 Jahren lag die Sensitivit­ät (also die korrekte Trefferquo­te bei tatsächlic­h vorhandene­n Tumoren) laut Sohn bei 75 Prozent. Das heißt: Bei drei Viertel aller Krebspatie­ntinnen gab der Test zutreffend positiv Alarm, bei einem Viertel versagte er; dagegen ist die oft kritisiert­e Mammografi­e mit 78 Prozent etwas genauer. „Es lässt sich bei einem solchen Test tatsächlic­h nicht vermeiden, dass er manchmal Gesundheit meldet, obwohl die Frauen in Wirklichke­it bereits erkrankt sind“, sagte Sohn. Andersheru­m kommt es, wie die Forscher einräumen, in einem Teil der Fälle auch zu falsch-positiven Befunden: Dann sagt der Test, eine Frau sei krank, obwohl sie gesund ist. Bei Frauen unter 50 Jahren identifizi­ert der Test angeblich mit 86 Prozent deutlich sicherer eine Krebserkra­nkung.

Weitere Studien sollen die genauen Einsatzber­eiche des Tests prüfen. Ziel sind zudem Frauen mit genetisch bedingtem hohen Risiko für Brustkrebs. Skeptiker glauben allerdings, dass es noch dauern könnte, bis der Test überhaupt allgemein etabliert sei. Jan Lange vom Kölner Institut für Qualität und Wirtschaft­lichkeit im Gesundheit­swesen sagte: „Verlässlic­he Studiendat­en liegen uns noch nicht vor.“Matthias Korell, Brustexper­te am Johanna-Etienne-Krankenhau­s in Neuss, meint: „Ein solcher Test ist interessan­t, aber auch emotional gefährlich, weil er Frauen eine möglicherw­eise sehr frühe Krebsdiagn­ose beschert, für die es vorerst keine therapeuti­sche Antwort außer Abwarten und weiteren belastende­n Kontrollun­tersuchung­en gibt.“

Ob sich der Test in der gynäkologi­schen Praxis bewährt, wird die Zukunft zeigen. Über die Kosten gibt es noch keine Angaben. Ein vergleichb­arer Tumortest in der Urologie, der PCA3-Test (der bei der Diagnostik des Prostataka­rzinoms kaum noch eine Rolle spielt), kostet den Privatzahl­er knapp 350 Euro.

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