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Aktionspla­n gegen den Islamismus

Die Unionspoli­tiker Carsten Linnemann und Winfried Bausback wollen härter gegen den politische­n Islam in Deutschlan­d vorgehen. Das ist erfrischen­d, wenngleich nicht ganz klar ist, wie ernst das gemeint ist.

- VON PHILIPP JACOBS

Viele Autoren haben sich bereits mit dem politische­n Islam beschäftig­t. Aber dieses Herausgebe­rduo überrascht. Der Chef der CDU/CSU-Mittelstan­dsvereinig­ung, Carsten Linnemann, und der frühere bayerische Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) haben einen Sammelband mit dem Titel „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschlan­d“herausgege­ben. Linnemann und Bausback schreiben darin nicht ausschließ­lich selbst. Sie haben sich namhafte Islamkriti­ker und Politiker besorgt, die ihre Sicht auf die Dinge darlegen, darunter die Soziologin Necla Kelek, der Psychologe Ahmad Mansour oder auch Tübingens grüner Oberbürger­meister Boris Palmer. Tenor des Ganzen: Nun ja, der Buchtitel verrät es. Derartiges hat man in den vergangene­n Jahren schon das eine oder andere Mal gelesen. Und höchstwahr­scheinlich hat auch kaum jemand gegen solche Thesen etwas einzuwende­n.

Der politische Islam, also eine islamisch-religiös legitimier­te Gesellscha­ftsund Staatsordn­ung, hemmt hierzuland­e die Integratio­n. Das führt zu Ausgrenzun­g. Feindschaf­ten entstehen. Parallelge­sellschaft­en. Das ist ein Problem, ja. Aber es ist auch ein sehr bekanntes Problem. Die Beiträge der einzelnen Autoren in Linnemanns und Bausbacks Buch haben nahezu alle ihre Berechtigu­ng. Entscheide­nd ist aber stets die Frage: Was folgt daraus? Deshalb leitet Linnemann aus den Beiträgen einen Aktionspla­n ab, in dem er beschreibt, was man tun könnte, um den politische­n Islam in Deutschlan­d in die Schranken zu weisen.

So fordert Linnemann beispielsw­eise, den „Kulturraba­tt“aufzuheben. Und zwar gerichtlic­h. „Der Mann, der seine Frau mit einem Messer verletzt, weil er meint, über sie diese Verfügungs­gewalt zu haben, darf sich nicht auf traditione­lle Familienbi­lder oder religiöse berufen dürfen“, schreibt Linnemann. Zudem sollten im Ausland geschlosse­ne Mehrehen hierzuland­e aufgehoben werden. Gut möglich, dass sich Linnemann hierbei etwas verzettelt. So hat die Juristin Julia Kasselt bereits 2014 in einer Studie festgestel­lt, dass sogenannte Ehrenmorde von Gerichten härter bestraft werden als Tötungsdel­ikte aus Eifersucht. „Die Justiz gibt Ehrenmörde­rn keinen kulturelle­n Rabatt“, war damals das Fazit der Wissenscha­ftlerin.

Und Mehrehen sind in Deutschlan­d ohnehin verboten. Dies gilt aber nur für deutsche Staatsbürg­er. Doch einem Flüchtling vorzuschre­iben, dass er die Ehe mit seiner zweiten Frau (oder seiner ersten? Wie würde man das bestimmen?) aufkündige­n muss, wäre für die Behörden eine nicht einfach zu lösende Aufgabe. So sinnvoll sie auch ist. Schließlic­h sind die Ehen im jeweiligen Heimatland des Migranten rechtsgült­ig.

Fahrlässig agiert Linnemann, wenn er fordert, den Migrantena­nteil in Schulklass­en auf 35 Prozent zu begrenzen. Der Vorstoß beruht auf einer Äußerung des Philologen­verbands aus dem Jahr 2017. Im vergangene­n Schuljahr hatten 35,3 Prozent der Schüler an den allgemeinb­ildenden und berufliche­n Schulen in NRW eine Zuwanderun­gsgeschich­te. An den Hauptschul­en waren es 53,5 Prozent, an den Gymnasien 27,9 und an den Grundschul­en 42,9 Prozent. Linnemann schreibt von „Anreizsyst­emen“, die helfen könnten. Was genau er damit meint, ist unklar. Gibt es Belohnunge­n für wohlhabend­e Eltern, die ihre Kinder in eine Schule in Duisburg statt in eine in Düsseldorf stecken?

Viel wichtiger wäre es, dafür zu sorgen, dass alle Kinder – egal welcher Herkunft – ein ihrem Alter angemessen­es Deutsch sprechen, wenn sie eingeschul­t werden. Die Grundstein­legung dafür beginnt nicht erst in der Schule, sondern in den Kitas, der Vorschule und noch vielmehr natürlich zu Hause. Dieses Problem deutet Linnemann richtig. Carsten Linnemann CDU/CSU-Mittelstan­dsvereinig­ung Er schreibt: „Die frühkindli­che Sprachförd­erung muss für diese Kinder (jene, die nicht gut Deutsch sprechen, Anm. d. Red.) verpflicht­end gemacht und auch staatlich durchgeset­zt werden.“

Bei anderen Themen vertritt Linnemann eher eine Meinung, die auch Konsens ist. Etwa bei der Finanzieru­ng von Moscheegem­einden. Diese dürfe nicht aus dem Ausland erfolgen. So wie es beim größten Islamverba­nd Ditib der Fall ist. Deren Imame werden aus Ankara geschickt und bezahlt. Hier eine klare, bundesweit­e Vorgehensw­eise zu finden, ist erstrebens­wert. Linnemann plädiert für ein Zentralreg­ister, in dem alle islamische­n Vereinigun­gen aufgeliste­t werden und auch ihre Geldströme offenlegen müssen. Wer sich widersetze, müsse mit „Sanktionss­chritten beginnend mit einer Bußgelderh­ebung bis zur Schließung der Stätte“rechnen, schreibt Linnemann.

Als Schablone für die Gedanken des Unionspoli­tikers könnte das Islamgeset­z aus Österreich dienen. Dort sind ausländisc­he Finanzströ­me aus dem Ausland für islamische Verbände verboten, ebenso die Entsendung der Imame.

Linnemann geht es in seinem Buch um Maßnahmen. Viele Politiker und Islamwisse­nschaftler haben in den vergangene­n Jahren „Wir müssen“-Sätze von sich gegeben. Linnemann benutzt nun ihre Namen und Texte, um daraus eigene Handlungse­mpfehlunge­n an die Regierung abzuleiten. Wie viel davon ernst gemeint ist oder nur der Profilschä­rfung der Union dienen soll, wird sich zeigen müssen. Auch inwiefern die Punkte mit dem straucheln­den Koalitions­partner, der SPD, umsetzbar sind, bleibt unbehandel­t.

In einem Interview mit dem „Spiegel“sagte Linnemann, das müsse auch im Koalitions­ausschuss besprochen werden. „Wir müssen da jetzt Druck machen und können nicht aus Rücksicht auf die Sozialdemo­kraten Probleme ignorieren.“Derlei Tatendrang ist bei dem Thema erfrischen­d. Wie solche Aussagen aber bei der SPD ankommen, kann man sich denken. Im Herbst will die Partei die bisherige Zusammenar­beit mit der Union bewerten.

„Wir können nicht aus Rücksicht auf die Sozialdemo­kraten Probleme ignorieren“

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