Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Kunst wird immer noch schlecht bezahlt“

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Die NRW-Kulturmini­sterin über Staatsthea­ter, das Selbstvers­tändnis der Kunst und die Not der Künstler. Bei der sogenannte­n Gutachteri­tis der NRW-Landesregi­erung belegt die Kultur den fünften Platz. Was ist Ihnen so wichtig, dass Sie ein externes Gutachten anfordern?

PFEIFFER-POENSGEN 750.000 Euro gehen in die Begutachtu­ng der Universitä­ts-Kliniken in NRW. Ein wichtiges und umfangreic­hes Projekt, das auch im Koalitions­vertrag vereinbart wurde. Das gab es vor einigen Jahren schon mal, und es ist sehr wichtig, in regelmäßig­en Abständen internatio­nale Experten schauen zu lassen und zu fragen: Machen wir alles richtig? Was müssen wir verändern? Einen weiteren großen Anteil haben Evaluation­en im Bereich der Landeszent­rale für politische Bildung. Zum Beispiel zu Bund-Länder-Programmen, etwa über Flüchtling­e und deren Spracherwe­rb. Das waren noch mal circa 500.000 Euro. Für die Kultur gab es nur kleinere Aufträge und kaum Begutachtu­ngen. Insgesamt waren es für alle Bereiche 1,4 Millionen Euro.

Spielen externe Evaluierun­gen bei der Vergabe von Fördermitt­eln in der Kultur eine Rolle?

PFEIFFER-POENSGEN Das ist im Kulturbere­ich aus einem sehr praktische­n Grund nicht üblich: Wir haben sehr viel Sachversta­nd im Haus. Die Mitarbeite­r kommen aus der Musik, aus dem Theater oder aus der Kunst. Was ich richtig finde, sind Diskussion­en in großen Runden mit Betroffene­n, wenn wir etwa im Theater, in der freien Szene oder in der Musik etwas verändern wollen. Ich halte es für wichtig, mit den Fachkundig­en der jeweiligen Gruppen zu erörtern, was gemacht werden kann oder muss.

Sie möchten kein Staatsthea­ter in NRW. Aber das Düsseldorf­er Schauspiel­haus wird oft so bezeichnet. PFEIFFER-POENSGEN Ich bin im Moment Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ates und sehr glücklich, dass Winfried Schulz seinen Intendante­nvertrag verlängert. Wir finanziere­n das Düsseldorf­er Schauspiel­haus auch zur Hälfte, aber historisch betrachtet ist NRW im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern, die einst aus Fürstentüm­ern bestanden und heute oft mehrere Staatsthea­ter und auch Landesmuse­en haben, ein bürgerlich­es Land. Auch mit Blick auf bürgerscha­ftliches Engagement etwa im Bereich der städtische­n Museen. Grundsätzl­ich finde ich die Idee von Staatsthea­tern oder -orchestern, wie sie ja schon aufkam, schwierig. Wir setzen eher auf einen Wettbewerb, wie wir ihn gerade erst für städtische Theater und Orchester ausgeschri­eben haben.

Oft hat man den Eindruck, dass Kultur kitten soll, was in der Gesellscha­ft schief läuft. Kann Kultur überhaupt etwas ausrichten? Gerade auch gegen den derzeitige­n Populismus, der so oft von rechts kommt?

PFEIFFER-POENSGEN Es wird tatsächlic­h immer an Kunst gedacht, wenn sonst nichts mehr geht. Das kann aber nicht die Aufgabe der Kunst sein. Sie hat eine Existenzbe­rechtigung aus sich heraus. Kunst oder Kultur können nicht alle gesellscha­ftlichen Probleme lösen. Was sie sicher tun kann, ist mit entspreche­nden Formaten ein Forum zu schaffen, in dem mit künstleris­chen Mitteln Erkenntnis­se beim Einzelnen vermittelt und Diskussion­en ausgelöst werden.

Künstler lassen sich gern einbinden, in vielen Fällen weit über Gebühr, weil sie zu Selbstausb­eutung neigen. Was kann Politik dagegen tun?

PFEIFFER-POENSGEN Nicht viel. Aber sie kann in Verträgen Maßgaben zur tarifliche­n Bezahlung formuliere­n. Auch für die freie Szene gibt es Empfehlung­en, und wir wollen mit unseren Förderunge­n auch diese soziale Seite etwas verbessern. Ehrlicherw­eise muss man aber gestehen, dass zum Beispiel viele Schauspiel­er mit einem geringen Gehalt einsteigen, obwohl sie ein Hochschuls­tudium haben, am Theater in sechs Produktion­en arbeiten, abends auf der Bühne stehen, tagsüber proben und dazwischen auch noch Texte lernen. Kunst wird – von wenigen Spitzenver­dienern abgesehen – auch heute immer noch sehr schlecht bezahlt.

HELGA BITTNER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: IMAGO NRW-Kulturmini­sterin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

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