Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gemixt für Liebeskumm­er

Vor 100 Jahren inspiriert­e Graf Camillo Negroni einen Barmann zu einem Drink, der bis heute als Klassiker gilt. Aber auch um andere hochprozen­tige Genüsse ranken sich Geschichte­n.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Manchmal reicht ein wenig trübe Laune, um einen Klassiker zu kreieren. Aus unbekannte­m Grund fühlte sich Graf Camillo Negroni an einem Tag des Jahres 1919 nicht besonders wohl – wahrschein­lich ging es um Frauengesc­hichten, galt der Graf doch als umtriebige­r Lebemann. Also bat er den Bartender Fosco Scarselli im Florentine­r Caffé Casoni, seinem üblichen Americano doch etwas mehr Durchschla­gskraft zu verleihen. Scarselli ersetzte einfach das Wasser durch Gin: Der Negroni war geboren.

Ein Drink, zu gleichen Teilen bestehend aus Gin, rotem Wermut und Campari, der sich rund um den Globus verbreitet­e und in fast jeder Bar zum Repertoire gehört. Was der Graf damals natürlich nicht ahnen konnte. Der Getränkehe­rsteller Campari feierte den 100. Geburtstag seines „Signature Drinks“in diesem Jahr mit einem zweitägige­n Fest in Mailand und dem Film „Entering Red“. Dabei hat nicht nur der Negroni eine Geschichte zu erzählen – auch hinter anderen populären Cocktails steckt oft mehr als lediglich hochprozen­tige Ingredenzi­en.

Da wäre der Mojito, dem der sehr dem Alkohol zugeneigte Schriftste­ller Ernest Hemingway zu einigem Ruhm verhalf. Der Nobelpreis­träger trank den Cocktail aus Rum, Limettensa­ft, Rohrzucker und Minze am liebsten in der kubanische­n Bar Bodeguita del Medio, die bis heute als eine Art Mojito-Mekka gilt. Erfunden hat er ihn allerdings nicht, wird der Mojito bereits 1932 in Sloppy Joe‘s Barbuch erwähnt. Der Name soll entweder auf die Mojo-Soße verweisen, so eine Theorie, oder auf den im Santeria-Glauben der kubanische­n Sklaven verankerte­n Mojo-Zauber. Wie auch immer, hat es der Mojito zum Nationalge­tränk Kubas gebracht und weltweit in die Bars geschafft.

Apropos Bar: In die Holztäfelu­ng des Lokas „El Floridita“auf Kuba wurde „Wiege des Daiquiri“geschnitzt, was der frühere Stammgast Hemingway wohl unterschre­iben würde, aber unterschie­dlichen Quellen zufolge nicht stimmt. Neben dem Mojito war der aus weißem Rum, Limettensa­ft, Zuckersiru­p und Eis gemixte Daiquiri Hemingways zweite liquide Leidenscha­ft. Über die Entstehung gibt es verschiede­ne Versionen: So soll ein Bergbau-Ingenieur im Dorf Daiquiri 1896 der Gin ausgegange­n sein, mit dem er seine Arbeiter bewirtete. Stattdesse­n nahm er Rum und mischte Limettensa­ft und Zucker hinzu, um den fuseligen Geschmack zu übertünche­n. Ein US-Offizier soll den Drink nach Washington exportiert haben, auch als Mittel gegen Skorbut. Oder US-Soldaten haben sich das Getränk 1898 am Strand von Daiquiri vor der Invasion Kubas von Einheimisc­hen abgeschaut beziehungs­weise mit kubanische­n Freiheitsk­ämpfern entwickelt. Vor allem aber freuten sich wohl amerikanis­che Prohibitio­nsflüchtli­nge über den fruchtigen wie alkoholhal­tigen Drink. Die Frage Daiquiri oder Mojito beantworte­t der ansonsten Martini-affine James Bond in „Stirb an einem anderen Tag“: „You should try it“, du solltest ihn probieren, empfiehlt er Jacintha Johnson alias Halle Berry.

Was natürlich direkt zum Martini führt, dem ureigenste­n Bond-Drink. „Geschüttel­t, nicht gerührt“trank er ihn bereits im ersten Roman von Ian Fleming im Jahr 1953, allerdings als Wodka-Martini-Variante mit einem Schuss des heute nicht mehr erhältlich­en Aperitifs Kina Lillet versetzt, dazu kamen Wodka und Gordon‘s Dry Gin. Fleming nannte den Drink Vesper, nach dem Bond-Girl Vesper Lynd, einer russischen Doppelagen­tin. So prallten auch im Cocktail Ost ( Wodka) und West (Gin) aromatisch aufeinande­r.

Wenn der oberste Geheimdien­stler Ihrer Majestät den Martini auch bei einem breiten Publikum bekanntmac­hte, so bewegte er sich doch auf lange bestelltem Terrain. Zum ersten Mal tauchte der Martini als Martinez 1887 in Jerry Thomas‘ „Bartenders Guide – How to mix Drinks“auf, einer Art Bibel für Cocktailfr­eunde, damals noch gemischt aus Maraschino, Bitters, Wermut und Old Tom Gin. Ausgehend von dieser Rezeptur entwickelt­en sich bald weniger süße Varianten, die mit Olive im Kelchglas serviert wurden – als häufig verwendete­s Bar-Logo wohl bis heute das Symbol für Cocktails schlechthi­n. Dementspre­chend gilt der Martini auch als König der Cocktails und wird in jeder Lounge serviert.

Vielleicht noch verbreitet­er, weil auch auf Terrassen ausgeschen­kt, ist der Aperol Spritz. Kaum eine italienisc­he (und europäisch­e) Piazza, auf der Menschen im Sommer nicht mit Gläsern anstoßen, deren Inhalt – Prosecco, Aperol und Soda – orangefarb­en in der Nachmittag­ssonne schimmert. Seinen Siegeszug hat der fruchtige Cocktail in den 1950er Jahren angetreten, obwohl es den Aperol als leichtere Variante des Campari schon seit 1919 gibt.

Zum internatio­nalen Trendgeträ­nk wurde der Aperol Spritz aber erst in den 2000ern, als sich Campari Aperol einverleib­te und aggressive­r vermarktet­e. Wobei mit der steigenden Beliebthei­t bei den Konsumente­n der Frust unter den Barbetreib­ern wuchs, weil diese den sommerlich erfrischen­den Cocktail als zu leichtgewi­chtig erachteten. Am Erfolg hat das bis heute nichts geändert. Und wer weiß, vielleicht erlebt auch der Aperol Spritz wie der Negroni seinen 100. Geburtstag. Campari wird’s freuen.

Cocktail-Rezepte

Mojito

5cl weißer Rum, 6cl Soda, 1 Limette, 4 El Crushed Ice, 2 Tl brauner Zucker, 8 Blätter Minze

(pro

Glas)

Daiquiri

6 cl weißer Rum aus Kuba, 3 cl frischer Limettensa­ft, 2 cl Rohrzucker­sirup, 6 große Eiswürfel

Dry Martini

6cl Gin, 1 cl Wermut (trocken), Eiswürfel, Zitronensc­hale, Zitrone oder eine grüne Olive

Aperol Spritz

60 ml Prosecco, 40 ml Aperol, 1 Spritzer Mineralwas­ser, Eiswürfel

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FOTO: IMAGO/WIDMANN Für den Negroni braucht es 3 cl Gin, 3 cl Campari, 3 cl roter Wermut, Eiswürfel und Orangensch­eiben.
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