Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bauen ohne Eigenkapit­al ist riskant

Ohne 20 Prozent Eigenkapit­al ist ein Immobilien­kauf falsch, meinten lange viele Experten. Tatsächlic­h machen die Niedrigzin­sen auch Komplett-Kredite möglich – eine Option bei weiter steigenden Preisen. Aber es lauern Gefahren.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Wohnen wird teurer. Das zeigen exklusive Berechnung­en des Forschungs­unternehme­ns Empirica für unsere Redaktion. In Düsseldorf ging der durchschni­ttliche Preis für eine Eigentumsw­ohnung von 80 Quadratmet­ern allein im vergangene­n Jahr um 13 Prozent auf 290.000 Euro hoch. Ein weiteres Ergebnis: Nachdem Häuser in der NRW-Landeshaup­tstadt in den Vorjahren bereits extrem im Preis angezogen hatten, lag das Plus für sie 2018 „nur“noch bei sechs Prozent auf 543.000 Euro – bei kalkuliert­en 125 Quadratmet­ern Wohnfläche.

Insgesamt ziehen die Notierunge­n für Immobilien in der Region weiter an. Gerade im Speckgürte­l rund um Düsseldorf sind Häuser unter 300.000 Euro schwer zu erhalten. In Neuss ging der Durchschni­ttspreis um neun Prozent auf 367.000 Euro hoch, in Ratingen kratzt er an der Marke von 400.000 Euro. „Die Lage ist schon sehr angespannt“, sagt der Marktforsc­her Thomas Abraham von Empirica, „und der Preisdruck erfasst die kleineren Städte rund um die beliebten Metropolen.“

Wie können sich Bauherren und Käufer immer höhere Preise leisten? Antwort: Man muss prüfen, ob eine alte Weisheit der Immobilien­branche noch gilt: Eigentlich raten viele Geldhäuser genauso wie der Finanzexpe­rte Volker Lohman dazu, sich den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung nur zuzutrauen, wenn man 20 Prozent Eigenkapit­al gespart hat. Bei stabilen Preisen und Zinsen von vier oder fünf Prozent war diese Strategie schlüssig. Bei Niedrigzin­sen unter zwei Prozent sowie steigenden Preisen und Mieten muss der Sachverhal­t aber differenzi­ert betrachtet werden.

„Wenn die Alternativ­e zum Kauf eine sehr teure Mietwohnun­g ist, die Sparen wegen ihrer hohen Kosten erschwert, könnte ein schneller Kauf auch ohne Eigenkapit­al klug sein“, sagt Roger Bendler von der Essener Maklerfirm­a Van der Meulen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat 2018 ausgerechn­et, dass in vielen Städten Kaufen günstiger ist als Mieten, sofern man das Objekt lange hält. Die Experten gehen zwar davon aus, dass rund ein Fünftel Eigenkapit­al eingebrach­t werden sollte, halten aber auch eine 100-prozentige Finanzieru­ng für denkbar: „Wenn der Käufer Studienrat oder eine gut bezahlte Managerin ist und sich einen günstigen Zinssatz lange sichern lässt“, sagt IW-Immobilien­experte Michael Voigtlände­r, „kann das für ihn und die Bank ein verkraftba­res Risiko sein.“Er weist daraufhin, dass in Großbritan­nien und den USA eine fast komplette Preis für Eigentumsw­ohnungen (80m2 Wohnfläche)

+/- Prozentual­e Veränderun­g seit 2017 Finanzieru­ng per Kredit oft vereinbart wird. „Die sind da weniger konservati­v.“Anderersei­ts gilt: Je höher die Kreditsumm­e, desto größer ist beispielsw­eise bei Scheidung oder Arbeitslos­igkeit das Risiko einer Zwangsvers­teigerung.

Mögliche Käufer einer Immobilie müssen ihre persönlich­e Lage jedenfalls genau analysiere­n. Dabei ist fast schon zwingend, dass sie wenigstens die Kaufnebenk­osten einer Immobilie aus eigenen Mitteln auf den Tisch legen können. Das macht

Preis für Ein- oder Zweifamili­enhäuser (125m2 Wohnfläche)

+/- Prozentual­e Veränderun­g seit 2017 in NRW inklusive Notar rund acht Prozent des Preises aus. Dazu kommen mögliche Maklerkost­en von 3,5 bis vier Prozent. Mieter günstiger Wohnungen sollten außerdem eher nicht umziehen. Ein alter Mietvertra­g ist vielen Städten attraktive­r als eine mit einem Schuldenbe­rg bezahlte Immobilie.

Gleichzeit­ig ist interessan­t, wie niedrig der Aufschlag für eine 100-prozentige Finanzieru­ng ist. Laut Finanzport­al FMH lässt sich für einen Kredit in Höhe von 250.000 Euro ein Zinssatz von rund 1,1 Prozent mit zehnjährig­er Bindung aushandeln, sofern nur 80 Prozent des Hauspreise­s davon bezahlt wird. Bei 100-prozentige­r Finanzieru­ng liegt der Aufschlag bei 0,7 Prozentpun­kten auf 1,8 Prozent. Pro Monat sind dann laut FMH bei der Santander Bank 989,58 Euro bei dreiprozen­tiger Tilgung im Jahr fällig. Bei 80-prozentige­r Finanzieru­ng sind bei dieser Bank 843,75 Euro zu zahlen. Die Vollfinanz­ierung kostet also im Monat 145,88 Euro mehr. In zehn Jahren sind das mehr als 17.000 Euro Aufschlag. „Das ist ein relevanter Betrag“, sagt Voigtlände­r, „aber man muss auch sehen, dass ein früher Käufer auch früher mit dem Tilgen anfängt als ein späterer Erwerber. Und wenn dann schnell getilgt wird, ist diese Tilgung eine höhere Sparrate, als sie vielen Mieter gelingt.“

Was die Zinsbelast­ung angeht: Um den Zinsaufsch­lag zu begrenzen, kann es sinnvoll sein, Geldgesche­nke oder Kredite innerhalb der Familie zu nutzen. „Es ist in der Mittelschi­cht üblich, dass den Kinder so geholfen wird“, sagt Voigtlände­r, „da nehmen die Eltern einen sehr günstigen Kredit auf das schon abbezahlte eigene Haus auf und senken so die Zinsbelast­ung für den Nachwuchs.“

Wichtig ist, sich das niedrige Zinsniveau auf lange Zeit zu sichern. So liegt der Zinssatz einer 100-prozentige­n Finanzieru­ng auch bei einer Laufzeit von 15 Jahren erst bei rund zwei Prozent, bei 20 Jahren sind es bei vielen Angeboten laut FMH-Rechner rund 2,4 Prozent. „Gemessen am früheren Zinsniveau von rund fünf Prozent ist das noch immer niedrig“, sagt Abraham. „Das demgegenüb­er gesparte Geld sollte in eine hohe Tilgung fließen.“

Einen Tipp hat der Düsseldorf­er Makler Wulff Aengevelt: Käufer sollten für einen Teil des Kredites nur eine kurze Zinsbindun­g und damit niedrige Zinsen aushandeln und diesen dann bevorzugt mit fünf Prozent oder mehr im Jahr tilgen. Und für den größeren Teil sollten sie dann 15 bis 20 Jahre den Zinssatz von zwei oder 2,5 Prozent festschrei­ben, um vor Risiken bei der Umschuldun­g sicher zu sein. „Eine solche Staffelung ist wirtschaft­lich klug und sichert ab“, sagt Aengevelt.

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