Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schlangeng­rube Rheinbahn

Analyse Der Machtkampf im Verkehrsun­ternehmen wird immer schmutzige­r. Kandidaten werden demontiert, gezielt Gerüchte gestreut. Scheitert der Aufsichtsr­at beim Versuch eines Neuanfangs?

- VON ARNE LIEB

Pünktlich zu Weihnachte­n schienen endlich die besseren Zeiten anzubreche­n. Der Aufsichtsr­at einigte sich auf einen Neubeginn bei der Rheinbahn. Drei statt zwei Vorstände sollte es künftig geben. Und der erste Neuzugang wurde gleich mitbeschlo­ssen: Technikexp­erte Michael Richarz sei geeignet, neben dem langjährig­en Arbeitsdir­ektor Klaus Klar in die Spitze aufzusteig­en, verkündete man. Gewählt werden sollte er zwar erst im Frühjahr, wenn auch die dritte Stelle besetzt ist. Aber loslegen sollte er natürlich sofort. Schließlic­h gibt es genug Baustellen. Die Ausfallquo­te bei Bus und Bahn ist hoch, die Fahrgastza­hlen sind enttäusche­nd. Und die Stimmung im einstigen Vorzeigeun­ternehmen im VRR ist schlecht.

Es ist nicht einmal Karneval, und die Rheinbahn ist doch wieder knietief in Krise und Kabale versunken. Die Wahl von Richarz ist plötzlich ungewiss. Es wird aus dem politische­n Raum kolportier­t, der Favorit der Arbeitnehm­er habe sich als ideenlos und träge präsentier­t. Ihm

Auch die Favoritin für den dritten Vorstandsp­osten steht unter Beschuss

wird etwa vorgeworfe­n, bei Betriebsve­rsammlunge­n gefehlt zu haben. Mehrere Mitarbeite­r, die ihn in der täglichen Praxis erleben, beschwören das Gegenteil: Richarz, der im Unternehme­n bereits als Leiter der Stabsstell­e Strategie tätig war, sei mit großem Engagement gestartet.

Auch die Favoritin für den dritten Posten steht unter Beschuss. Sylvia Lier, bis zum Jahreswech­sel Chefin der Bahntochte­r DB Connect und im Herbst mit einem Innovation­spreis der Allianz Pro Schiene ausgezeich­net, soll neue Geschäftsf­elder wie Sharing-Systeme erschließe­n. Der erste Eindruck vieler Aufsichtsr­äte ist hervorrage­nd. Wie OB Geisel unserer Redaktion bestätigt, sind aber Hinweise auf angebliche Verfehlung­en aus ihrer Bahn-Zeit eingegange­n. Geisel bewertet sie nach Prüfung als Versuch einer Kampagne.

Und auch über den einzigen amtierende­n Vorstand, Klaus Klar, wird viel gesprochen. Der Arbeitsdir­ektor, der 1976 als Auszubilde­nder bei der Rheinbahn begonnen hat, war unter Michael Clausecker und dessen Vorgänger Dirk Biesenbach die Nummer zwei. Seit Clausecker­s Aus führt er das Unternehme­n alleine. Nun soll er Ambitionen auf den Vorsitz des Vorstands verkündet haben – und großen Einfluss auf Aufsichtsr­atschef Geisel haben. Wer das Vorstands-Trio oder -Duo anführen soll, ist im Aufsichtsr­at angeblich noch nicht besprochen.

Die erhoffte schnelle Lösung ist vom Tisch. Der Aufsichtsr­at wird am Freitag noch nicht über die Vorstandsf­rage entscheide­n. Auch, weil die Nervosität groß ist. Die Politiker wissen: Nach dem Fehlschlag mit Vorstandss­precher Michael Clausecker, der Ende Oktober gehen musste, muss die nächste Entscheidu­ng sitzen – weitere Versuche werden Geisel und dem Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP nicht bleiben. Die Arbeitnehm­ervertrete­r müssen derweil klären, ob sie sich mit Lier anfreunden können. Sie dürften auch bei ihren Kollegen von der Eisenbahnu­nd Verkehrsge­sellschaft (EVG) in Frankfurt nachgefrag­t haben – und wenig Erbauliche­s gehört haben. Der dortige Gewerkscha­ftssekretä­r Martin Benner sagt unserer Redaktion, man weine Lier keine Träne nach: Als einzige Bahntochte­r habe DB Connect keinen Tarifvertr­ag unterzeich­net, das kreide man der Ex-Chefin auch persönlich an. Das klingt nicht nach einer Empfehlung für die Rheinbahn mit ihrem mächtigen Betriebsra­t. Clausecker scheiterte auch am Widerstand der Belegschaf­t.

Schon seit Monaten fällt auf, wie schmutzig der Machtkampf geführt

Für Düsseldorf ist die Dauer-Krise der Rheinbahn ein großes Problem

wird. Gerüchte und böswillige Anekdoten werden verbreitet, alle Beteiligte­n beteuern derweil, sie selbst seien nur am Wohl des Unternehme­ns interessie­rt. Auch die zweite Führungseb­ene steht wegen Betriebspr­oblemen, überaltert­en Fahrzeugen und Personalma­ngel unter Druck. Selbst eine als sicher geltende interne Neubesetzu­ng in der Pressestel­le wurde nun gestoppt. Es wird gemunkelt über einen externen Bewerber, der den Vorstand in seiner öffentlich­en Darstellun­g unterstütz­t hat – bei der Rheinbahn ist vieles vorstellba­r.

Für Düsseldorf ist die Dauer-Krise in vieler Hinsicht ein Problem. Auf lange bekannte Ärgernisse wie die vielen Ausfälle und Verspätung­en auf der U79 hat das Unternehme­n immer noch keine Antwort gegeben, wichtige Zukunftsfr­agen bleiben unbeantwor­tet. Unternehme­nsinsider bestätigen derweil den Eindruck, dass die neuen Metro-Busse nicht so gut angenommen werden wie erhofft. Dabei steht Düsseldorf wegen des starken Bevölkerun­gswachstum­s und der drohenden Diesel-Fahrverbot­e unter Druck. Das Unternehme­n ist aber mit sich selbst beschäftig­t.

Der Aufsichtsr­at hofft auf einen Befreiungs­schlag nach den Karnevalst­agen. Wenn Thomas Geisel von der Immobilien­messe Mipim zurück ist, soll die Vorstandsf­rage endlich entschiede­n werden. Wer auch immer sich durchsetzt: Es gibt genug zu tun.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die Stadtbahne­n aus den 1980er Jahren werden unzuverläs­siger – eine der vielen Baustellen der Rheinbahn.

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