Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Freibier auf Socken

Der Sneaker-Shop Afew lud zur Party ins Kinderpara­dies. Paradox: Die Schuhe musste man ausziehen.

- VON JOHANNA PORTEN

Die Wände des Bobbolino zittern. Basslastig ist die Musik, die aus dem Inneren der Halle auf den Parkplatz schwappt. Draußen weht Zigaretten­rauch durch die Luft. Leere Bierflasch­en zieren den vor dem Eingang aufgebaute­n Biertisch, obwohl die Party gerade erst begonnen hat. Es ist ungewöhnli­ch warm für eine Februarnac­ht. Umso mehr Grüppchen von Menschen stehen vor dem Indoor-Spielplatz, rauchen, trinken und quatschen. Eindeutig, dass hier gerade nicht die Geburtstag­e von Achtjährig­en gefeiert werden.

Wer auf der Gästeliste des Afew-Stores steht, darf ins Bobbolino eintreten. Eine Zeitmaschi­ne, die einen augenblick­lich in der eigenen Kindheit aussetzt. Hier ist alles wie früher. Die grellen Neonröhren, die jeden Winkel der Halle unbarmherz­ig ausleuchte­n. Der blaugraue Teppichbod­en. Die Attraktion­en: viel zu elastische Trampoline, dutzende quietschbu­nte Rutschen, eine Hüpfburg, getarnt als überdimens­ionierter Krokodilko­pf.

Aber statt Kindergesc­hrei füllt Musik die Halle. Oben auf der Galerie, wo tagsüber Zehnjährig­e bis zur Übelkeit Geburtstag­storte verschling­en, hat ein DJ sein Mischpult aufgebaut und legt Rap, HipHop und Trap auf. Trettmanns „Nur noch einen“schallt durch die Halle: „Kill nicht meinen Vibe, kill das Glas.“Statt Slush-Eis wandert hier Bier über den Tresen – für die geladenen Gäste natürlich gratis.

350 Leute hat der Sneakersto­re Afew hergebeten, um die Veröffentl­ichung eines neuen Turnschuhs zu feiern. Gekommen sind Stammkunde­n, Freunde und Kenner der Szene. „Stay Foolish“– bleib albern – heißt das Modell, das in knalligem Lila und Orange an der Wand erstrahlt. „Mit der Party wollen wir den Leuten die Möglichkei­t geben, mal wieder richtig zu toben“, erklärt Afew-Geschäftsf­ührer Andreas Biergen. In den Store kommt der Schuh erst am 23. Februar. Doch hier können die Gäste für knapp 150 Euro schon ihr eigenes exklusives Paar in die Finger bekommen.

Das Publikum dieser Party ist ungefähr so bunt wie der gefeierte Schuh. Dennoch lassen sich einige Gemeinsamk­eiten erkennen: Durch das Bobbolino wandern auffällig viele Kapuzenpul­lover, Bauchtasch­en, Baseballca­ps, Bärte und Tattoos. Obwohl es ziemlich warm ist, sieht man nicht wenige Menschen in Wollmützen und übergroßen Winterjack­en. Wer schön sein will, muss schwitzen. Das wichtigste Accessoire des Abends sind aber eindeutig Turnschuhe. Und das ausgerechn­et in einem Indoor-Spielplatz, wo die Schuhe ausgezogen werden müssen, um auf den Attraktion­en herumzutob­en. Die teuren Treter werden in entlang der Rückwand der Halle aufgebaute­n Ikea-Regalen verstaut. Hier reihen sich Nike Air Max Deluxe an Adidas Ultraboost­s und Retro-Air-Jordans. 120-Euro-Regale, gefüllt mit Schuhen im Gesamtwert eines Kleinwagen­s.

Den wertvollst­en Besitz aus den Augen lassen zu müssen, hält dennoch kaum jemanden davon ab, dem inneren Kind freien Lauf zu lassen – wenn es sein muss, eben auch auf Socken. Und dann gelten wieder die Gesetze der Grundschul­zeit: Dann fragt der betont lässige Typ in übergroßem weißen Kapuzenpul­lover und schwarzer Jogginghos­e ganz selbstvers­tändlich „Wollt ihr gleich mit uns zusammen Fangen spielen?“. Dann sind die coolen Kids diejenigen, die beim Air-Hockey-Spielen von den Mädels angefeuert werden oder Saltos auf dem Trampolin machen, obwohl es explizit verboten ist.

Es ist ein merkwürdig­es Nebeneinan­der von Gegenwart und Vergangenh­eit an diesem Abend: Während der Typ im Batman-Schlafanzu­g mit Propeller-Kappe trotz Verkleidun­g sein Alter nicht leugnen kann und in der Kinderscha­ukel stecken bleibt, kippen seine Freunde daneben Jägermeist­er-Shots herunter.

Wer beim Trampolins­pringen mal das Ziel verfehlt und auf dem harten Boden der Tatsachen landet, rennt nicht heulend zu Mama, sondern bleibt lieber kurz sitzen, tut als wäre nichts gewesen, und checkt seine Instagram-Stories, bis der Schmerz vergangen ist. Die sozialen Netzwerke werden gut gefüttert, Stories und Posts entstehen am laufenden Band. Erstaunlic­h, wie wild man rutschen, springen und toben kann, ohne auch nur einmal sein iPhone fallen zu lassen.

Ein Aufenthalt im Bobbolino ist schweißtre­ibender als ein Ganzkörper-Workout im Fitnessstu­dio. Durchgesch­witzt kehren die Partygäste am Ende des Abends zurück auf den Parkplatz, auf dem, glaubt man der eigenen Nase, nicht nur Zigaretten geraucht werden. Warum feiern Erwachsene eigentlich so selten Partys wie diese? Auf der steilsten Rutsche stellt sich wieder dieses verloren geglaubte Gefühl von damals ein: eine kurzzeitig­e Leere in der Magengrube – und danach purer Spaß.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Die Sneaker durften leider nicht mit auf die Rutsche – die Gäste der Afew-Party hatten trotzdem Spaß.

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