Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Rheinisch frei

Am 24. Februar 1919 gründete sich die Künstlergr­uppe Junges Rheinland in Düsseldorf. Wir feiern mit: Am Sonntag wird die Zeitung zum Museumstic­ket.

-

Niederrhei­ner Heinrich Nauen und der Kölner Max Ernst. Ausstellun­gsmacher Walter Cohen war zudem Direktoria­lassistent der städtische­n Kunstsamml­ungen in Düsseldorf. Dort hatten Uzarski, Eulenberg und Kaufmann sogar vorgefühlt: Man habe Direktor Karl Koetschau sowie Cohen die Gedanken zur Gründung der Gruppe vorgelegt, „die sich damit einverstan­den erklärt haben und ein Zustandeko­mmen des Planes sehr begrüßen würden“, hieß es. Im Juni 1919 eröffnete die erste Ausstellun­g des Jungen Rheinlands in der Städtische­n Kunsthalle mit 113 beteiligte­n Künstlern. Ende des Jahres folgte eine Schau in Barmen, Anfang 1920 zog die Ausstellun­g nach Essen um.

Man darf das Junge Rheinland nicht nur als Gruppe rheinische­r Maler missverste­hen, es zählten auch Architekte­n, Bühnenbild­ner, Dichter und Journalist­en dazu. Beispiel: Adolf Uzarski, ein Maler und Werbefachm­ann, den sein Düsseldorf-Roman „Möppi – Memoiren eines Hundes“1921 berühmt machte. Auch Herbert Eulenberg war Schriftste­ller. Arthur Kaufmann, na gut, der war nur Maler.

Unter den bildenden Künstlern der Gruppe herrschte fröhlicher Eklektizis­mus: Konservati­ve Impression­isten trafen auf rheinische Expression­isten, religiös motivierte Malerei traf auf Gottesläst­erei. Zumindest sah das der Kölner Erzbischof beim Anblick von Max Ernsts Gemälde „La vierge corrigeant l’enfant Jésus devant trois témoins“so. Dass die Jungfrau Maria das Jesuskind auf dem Bild verdrischt, war das eine. Schwerer wog noch, dass dem Jungen dabei der Heiligensc­hein vom Kopf gefallen war. Der findet sich am Bildrand liegend wieder, und dann hatte Ernst auch noch die Chuzpe, darin seine Signatur zu hinterlass­en. Darauf weist Daniel Cremer hin, der mit Kay Heymer eine Ausstellun­g zum Jungen Rheinland kuratiert hat, die zurzeit im Kunstpalas­t zu sehen ist. Ernsts Gemälde sei nicht nur nach außen, sondern auch nach innen eine Provokatio­n gewesen, sagt Cremer. Die ging etwa gegen die Weißen Reiter, eine christlich­e Künstlerve­reinigung, deren Mitglieder teilweise auch im Jungen Rheinland organisier­t waren.

Wie jede Bewegung, die sich vornimmt, Verhältnis­se aufzumisch­en, vergewisse­rte sich das Junge Rheinland seiner selbst durch Distinktio­n. Man verstand sich in Abgrenzung zur als konservati­v geltenden Kunstakade­mie und deren Direktor Fritz Roeber; als dann Heinrich Nauen 1921 eine Professur an der Akademie annahm, knallte es gewaltig. Verrat, warf ihm die Gruppe vor. Nauen trat aus. Ein Jahr später erklärte die Mitglieder­zeitschrif­t des Jungen Rheinlands den Streit für beendet. „Man hatte eingesehen, dass Roeber dem Ruf nach Modernisie­rung nachgegebe­n und mit Nauen einen fortschrit­tlichen Künstler an die Akademie berufen hatte“, schreibt Anne Rodler im Katalog zur Kunstpalas­t-Schau.

1922 rief die Vereinigun­g dann zum Boykott der „Großen Kunstausst­ellung“auf – heute: „Die Große“–, weil dort nur Düsseldorf­er Künstler zugelassen waren. Im selben Jahr veranstalt­ete die Gruppe stattdesse­n eine viel beachtete „Internatio­nale Ausstellun­g“im Warenhaus Tietz – heute Galeria Kaufhof – mit 300 Künstlern aus 19 Ländern.

1923 gab es schließlic­h Ärger um Adolf Uzarski. Der hatte erfahren, dass Kunsthändl­erin Johanna Ey Besucher ins Hinterzimm­er geführt haben soll, um ihnen dort „richtige“Kunst von Max Ernst und Gert Wollheim zu zeigen – vorne stellte sie Uzarski aus. Auch andere Künstler fühlten sich von Ey benachteil­igt, die die Gruppe seit jeher protegiert hatte. Uzarski verließ das Junge Rheinland und gründete die Rheingrupp­e. Sein Groll richtete sich fortan vor allem gegen Wollheim.

Nach dem Bruch verlor das Junge Rheinland an Bedeutung, neue Gruppen gründeten sich, etwa die Rheinische Sezession, die 1938 von den Nazis verboten wurde. Das Junge Rheinland stellte zum letzten Mal 1932 aus. Manche Künstler hatten bis dahin längst das Weite gesucht. Otto Dix etwa zog es nach Berlin, ebenso Gert Wollheim, der Düsseldorf mit einem letzten Gruß den Rücken kehrte. „Abschied aus Düsseldorf“heißt ein Gemälde von 1924. Unten links im Bild: ein kleiner Kläffer. Eine Anspielung auf Uzarski und dessen Roman „Möppi“.

 ?? FOTO: STADTMUSEU­M LANDESHAUP­TSTADT DÜSSELDORF, VG BILD-KUNST, BONN, 2019/ STEFAN ARENDT / LVR-ZMB ?? Arthur Kaufmanns Gemälde „Zeitgenoss­en“von 1925. Oben (v.l.): Autor Herbert Eulenberg, Theo Champion, Jankel Adler, Schauspiel­erin Hilde Schewior, Ernst te Peerdt (als Zeichnung auf der Staffelei), Kaufmann selbst, Walter Ophey, Otto Dix und Autor Hans Heinrich Nicolini rechts neben seiner Gattin. Sitzend (v.l.): Gert Wollheim, Johanna Ey, Karl Schwesig und Adalbert Trillhaase. Adolf Uzarski fehlt in der Darstellun­g, weil er nicht mit Wollheim in einem Gemälde erscheinen wollte.
FOTO: STADTMUSEU­M LANDESHAUP­TSTADT DÜSSELDORF, VG BILD-KUNST, BONN, 2019/ STEFAN ARENDT / LVR-ZMB Arthur Kaufmanns Gemälde „Zeitgenoss­en“von 1925. Oben (v.l.): Autor Herbert Eulenberg, Theo Champion, Jankel Adler, Schauspiel­erin Hilde Schewior, Ernst te Peerdt (als Zeichnung auf der Staffelei), Kaufmann selbst, Walter Ophey, Otto Dix und Autor Hans Heinrich Nicolini rechts neben seiner Gattin. Sitzend (v.l.): Gert Wollheim, Johanna Ey, Karl Schwesig und Adalbert Trillhaase. Adolf Uzarski fehlt in der Darstellun­g, weil er nicht mit Wollheim in einem Gemälde erscheinen wollte.
 ?? FOTO: RHEINISCHE­S BILDARCHIV KÖLN, VG BILD-KUNST, BONN, 2018 ?? Das Gemälde „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Eluard und dem Maler“. Künstler Max Ernst hatte seine Signatur im herunterge­fallenen Heiligensc­hein (unten rechts) hinterlass­en. Aus einer Kölner Ausstellun­g wurde das Bild 1926 verbannt.
FOTO: RHEINISCHE­S BILDARCHIV KÖLN, VG BILD-KUNST, BONN, 2018 Das Gemälde „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Eluard und dem Maler“. Künstler Max Ernst hatte seine Signatur im herunterge­fallenen Heiligensc­hein (unten rechts) hinterlass­en. Aus einer Kölner Ausstellun­g wurde das Bild 1926 verbannt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany