Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Unbeirrt am Kunstmarkt vorbei

Unter dem Titel „d - polytop“stellen in der Kunsthalle 14 Düsseldorf­er aus, die fast im Verborgene­n arbeiten. Ihre Werke sind originell.

- VON BERTRAM MÜLLER

Schon seit 40 Jahren arbeitet das Künstlerdu­o „Strafe für Rebellion“in Düsseldorf, doch wirklich bekannt sind die beiden nur anderen Künstlern. Sie teilen dieses Schicksal mit den übrigen zwölf Beiträgern der Ausstellun­g „d - polytop“in der Kunsthalle – Außenseite­r, die sich oft durch einen Nebenjob über Wasser halten und froh sind, dass sie in ihrer künstleris­chen Arbeit keine Kompromiss­e einzugehen brauchen.

Hinter „Strafe für Rebellion“stecken Siegfried Michail Syniuga und Bernd Kastner. Im Emporensaa­l der Kunsthalle haben sie einen fast barocken Balkon an die Wand geschraubt, von dem ihre mit bewegliche­r elektronis­cher Mimik ausgestatt­eten Doppelgäng­er verstörend in den Raum blicken. Gezwitsche­r erklingt aus Lautsprech­ern, auf dem Boden sind dem Ensemble zwei Blasinstru­mente, ein Klavier-Fragment und ein ausgestopf­ter Eichelhähe­r beigegeben. Auf den Betrachter wirkt das witzig bis irritieren­d, der Kunstmarkt hat für so etwas keine Verwendung, wohl aber die auch Abseitigem stets offene Kunsthalle.

Nebenan zeigt Jörg Paul Janka Fotografie­n von halb verfallene­n, in Teilen abgerissen­en Architektu­ren einerseits und einen Baustellen-Zyklus anderersei­ts. Die Bilder schärfen den Blick für Dinge, über die man üblicherwe­ise hinwegsieh­t. Auch diese Arbeiten wird sich niemand ins Wohnzimmer hängen.

Eine Etage tiefer, im Kinosaal, begeistert sich ebenso der Fotograf Ulrich Hensel für Baustellen. Schutt, Sand, Bewehrunge­n, Holzlatten und Eisenstäbe spiegeln in seinem Verständni­s eine technische, konstrukti­v abstrakte Welt. Fast wirken diese Bilder wie Malerei, doch sind die Fotografie­n nicht digital geglättet, wie man das von Andreas Gursky kennt. Mit ihm hat Hensel lediglich gemein, dass die beiden einst zur selben Wohngemein­schaft zählten.

Im Zentrum des Kinosaals und der gesamten Ausstellun­g steht eine Installati­on aus teilweise begehbaren weißen Modellen, die auf ausgeklüge­lte Weise die Innenarchi­tektur der Kunsthalle spiegeln. Ralf Werner geht es um „Dimensions- und Blickwinke­lerweiteru­ngen“. Ein wenig wirklichke­itsfern, aber Kunst darf sich diese Freiheit nehmen.

Noch stärker als Werners Spiel mit Formen genügen Christine Erhards Fotografie­n an der Wand nebenan sich selbst. Sie verfremdet architekto­nische Darstellun­gen des Konstrukti­vismus von Laszlo Moholy-Nagy so, dass die Elemente sich verschiebe­n, zersplitte­rn und eine neue Wirklichke­it entwerfen.

Im Foyer präsentier­t Michel Sauer die in ihrer Schlichthe­it eindrucksv­ollsten Werke der Schau. Vor einem wandfüllen­den Lochplatte­nbild, das geometrisc­he Muster in Brauntönen aneinander­reiht und in die Unendlichk­eit schickt, erheben sich hölzerne Skulpturen, die zugleich einen Blick in ihr Inneres zulassen. Man mag darin Berge erkennen, Höhlen oder sakrale Räume. Sauer hat in diese Plastiken architekto­nische Elemente der Kunsthalle einfließen lassen - ein dreidimens­ionales Formenpano­ptikum von hohem ästhetisch­en Reiz, das sich im benachbart­en, kunsthalle­neigenen Großspiege­l von Gerhard Richter wiederholt.

Der Seitenlich­tsaal ist der spielerisc­hste der drei Räume. Darin bieten Andreas Fischers Maschinens­kulpturen auf hohen Tischchen einen Blick in die Welt von morgen, wenn es üblich sein wird, dass Maschinen untereinan­der kommunizie­ren. Fischer setzt sie als Schauspiel­er ein und lässt sie über Lautsprech­er einander zurufen: „Sieh zu, dass alles gut wird.“„Jetzt ist aber gut.“„Gut soll‘s werden.“In ihrer Mitte tanzt ein silberner Anker.

Wie sehr die Künstler ihre Themen aus Düsseldorf schöpfen, zeigt sich besonders bei Gabriele Horndasch. Während sie in einer Neon-Installati­on an der Seitenfass­ade der Kunsthalle über die Laufzeit der Ausstellun­g wöchentlic­h jeweils eines ihrer fast tausend Annagramme aus „Elektroeis­enbahnenwa­ffenmuniti­on“in Neonbuchst­aben leuchten lässt, hat sie im Inneren Leuchtbuch­staben in eine neue Reihenfolg­e gebracht, die in ursprüngli­cher Folge den untergegan­genen „Stern Verlag“ergaben. Dass derlei Kunst einmal Käufer findet, ist so unwahrsche­inlich wie seinerzeit bei van Gogh, der angeblich nur ein einziges Bild zu Geld machte. Kommt Zeit, kommt Anerkennun­g.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER „Strafe für Rebellion“von Bernd Kastner (links) und Siegfried Michael.

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