Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Trumps Entzauberu­ng

Der US-Präsident ist im Fall Nordkoreas auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Vorerst wird ihm diese Pleite bei seinen Fans freilich nicht schaden – genauso wenig wie die Aussagen seines Ex-Anwalts. Eine Analyse.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON/HANOI Wäre es nach Donald Trumps Drehbuch gelaufen, stünde er jetzt als nobelpreis­würdiger Friedensst­ifter auf dem Siegertrep­pchen. Als kühner Staatsmann, dem die Gegner daheim zwar in die Parade zu fahren versuchen, was aber nicht anders gewirkt hätte als ein kleinliche­s, parteiisch­es Manöver von Leuten, die ihm den Ruhm nicht gönnen. Ein Gipfeltriu­mph in Hanoi sollte hell überstrahl­en, was er in Washington, wo sein einstiger Ausputzer Michael Cohen auspackte, an Schlägen einstecken musste. Damit hat er sich gründlich verrechnet, das Drehbuch ist nur noch Makulatur.

Trump, der bisweilen von seiner Freundscha­ft zu Kim Jong Un schwärmt, als wäre der Diktator sein Ziehsohn und er der gütige Mentor, ist auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Der selbsterna­nnte Künstler des Deals musste lernen, dass der Acker der Diplomatie erst gründlich gepflügt werden muss, bevor sich die Ernte einfahren lässt. So blumig er dem Nordkorean­er schmeichel­t, es ändert nichts am Grundwider­spruch der Gespräche. Kim sieht in Atomwaffen eine Überlebens­garantie für sein Regime, während Trump glaubt, ihn mit der prospektbu­nt ausgemalte­n Aussicht auf blühende Landschaft­en zum Verzicht auf sein Arsenal bewegen zu können, ohne ganz auf den Druck von Sanktionen zu verzichten. Auflösen lässt sich der Widerspruc­h vorläufig nicht, dazu sitzt das Misstrauen zu tief. Insofern steht Hanoi für die Stunde der Wahrheit, während Cohens Anhörung im US-Kongress den Beginn der Entzauberu­ng symbolisie­ren könnte.

Nicht nur, dass der Ex-Anwalt seinem früheren Idol zur Last legte, Schweigege­lder angewiesen und vorab von Wikileaks-Enthüllung­en zum Nachteil Hillary Clintons gewusst zu haben. Haften bleibt ein Satz, der Erinnerung­en an den Watergate-Skandal weckt. An Richard Nixon, der immer tiefer im Sumpf seiner Lügen versank, bis er 1974 zurücktret­en musste. „Auch ich bin verantwort­lich für Ihre Dummheiten“, entgegnete Cohen den republikan­ischen Abgeordnet­en, die stundenlan­g nicht eine Frage zu Trumps Verhalten gestellt und umso aggressive­r die Glaubwürdi­gkeit des Zeugen in Zweifel gezogen hatten. „Ich habe getan, was Sie heute tun, und zwar zehn Jahre lang. Ich habe Herrn Trump zehn Jahre gedeckt.“Er könne nur davor warnen, dem Mann blind zu folgen. Wer sich darauf versteife, habe – genau wie er – irgendwann die Konsequenz­en zu tragen.

Zu verstehen war es als Appell an die Konservati­ven, nicht länger aus falsch verstanden­er Lagerdiszi­plin zu deckeln, was nicht mehr zu deckeln ist. Als ein Aufruf zur Absetzbewe­gung, lieber früher als später. Ob es die so bald geben wird, muss allerdings bezweifelt werden.

Zu tief sitzt der Respekt der Republikan­er vor einem Meister der populistis­chen Zuspitzung, der sich nach wie vor auf einen verlässlic­hen Kern glühender Anhänger stützen kann. Diese Basis scheint noch immer mächtig. Sie kann Republikan­er, die sich gegen Trump stellen, bei den nächsten Vorwahlen durchfalle­n lassen, was das vorläufige Ende politische­r Karrieren bedeutet.

Auch für die Demokraten, die seit den Kongresswa­hlen des Novembers die Macht haben, einen Insider wie Cohen zwangsvorz­uladen, ist die Lage kniffliger, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Der linke Parteiflüg­el dürfte sie demnächst voller Angriffslu­st wiederhole­n, die zwischenze­itlich zurückgest­ellte Forderung, ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen den Präsidente­n einzuleite­n. Das moderatere Zentrum dagegen umschifft das Wort Impeachmen­t einstweile­n wie eine gefährlich­e Klippe.

Beim herbstlich­en Votum war es gut beraten, eine Weile ganz darauf zu verzichten, im Wissen darum, dass es die Wähler der Mitte vorziehen, 2020 selber über Trumps politische Zukunft zu entscheide­n, statt ihn schon vor Ablauf seiner vier Amtsjahre in die Wüste zu schicken. Nur so konnte es den Demokraten gelingen, Trumps Kandidaten Sitze in Wahlkreise­n abzunehmen, in denen es traditione­ll auf der Kippe steht. Der potenziell schwierige Spagat erklärt denn auch, warum es die Spitzen der Partei fürs Erste vermeiden, sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Zum Beispiel Nancy Pelosi, die Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses. „Lassen Sie es mich so sagen“, erklärte sie salomonisc­h nach Cohens Auftritt. „Mich interessie­rt die schlechte Politik Donald Trumps weit mehr als seine schlechte Persönlich­keit.“

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FOTO: REUTERS Donald Trump bei einer Pressekonf­erenz nach dem Gipfel von Hanoi.

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