Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Trumps Entzauberung
Der US-Präsident ist im Fall Nordkoreas auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Vorerst wird ihm diese Pleite bei seinen Fans freilich nicht schaden – genauso wenig wie die Aussagen seines Ex-Anwalts. Eine Analyse.
WASHINGTON/HANOI Wäre es nach Donald Trumps Drehbuch gelaufen, stünde er jetzt als nobelpreiswürdiger Friedensstifter auf dem Siegertreppchen. Als kühner Staatsmann, dem die Gegner daheim zwar in die Parade zu fahren versuchen, was aber nicht anders gewirkt hätte als ein kleinliches, parteiisches Manöver von Leuten, die ihm den Ruhm nicht gönnen. Ein Gipfeltriumph in Hanoi sollte hell überstrahlen, was er in Washington, wo sein einstiger Ausputzer Michael Cohen auspackte, an Schlägen einstecken musste. Damit hat er sich gründlich verrechnet, das Drehbuch ist nur noch Makulatur.
Trump, der bisweilen von seiner Freundschaft zu Kim Jong Un schwärmt, als wäre der Diktator sein Ziehsohn und er der gütige Mentor, ist auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet. Der selbsternannte Künstler des Deals musste lernen, dass der Acker der Diplomatie erst gründlich gepflügt werden muss, bevor sich die Ernte einfahren lässt. So blumig er dem Nordkoreaner schmeichelt, es ändert nichts am Grundwiderspruch der Gespräche. Kim sieht in Atomwaffen eine Überlebensgarantie für sein Regime, während Trump glaubt, ihn mit der prospektbunt ausgemalten Aussicht auf blühende Landschaften zum Verzicht auf sein Arsenal bewegen zu können, ohne ganz auf den Druck von Sanktionen zu verzichten. Auflösen lässt sich der Widerspruch vorläufig nicht, dazu sitzt das Misstrauen zu tief. Insofern steht Hanoi für die Stunde der Wahrheit, während Cohens Anhörung im US-Kongress den Beginn der Entzauberung symbolisieren könnte.
Nicht nur, dass der Ex-Anwalt seinem früheren Idol zur Last legte, Schweigegelder angewiesen und vorab von Wikileaks-Enthüllungen zum Nachteil Hillary Clintons gewusst zu haben. Haften bleibt ein Satz, der Erinnerungen an den Watergate-Skandal weckt. An Richard Nixon, der immer tiefer im Sumpf seiner Lügen versank, bis er 1974 zurücktreten musste. „Auch ich bin verantwortlich für Ihre Dummheiten“, entgegnete Cohen den republikanischen Abgeordneten, die stundenlang nicht eine Frage zu Trumps Verhalten gestellt und umso aggressiver die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel gezogen hatten. „Ich habe getan, was Sie heute tun, und zwar zehn Jahre lang. Ich habe Herrn Trump zehn Jahre gedeckt.“Er könne nur davor warnen, dem Mann blind zu folgen. Wer sich darauf versteife, habe – genau wie er – irgendwann die Konsequenzen zu tragen.
Zu verstehen war es als Appell an die Konservativen, nicht länger aus falsch verstandener Lagerdisziplin zu deckeln, was nicht mehr zu deckeln ist. Als ein Aufruf zur Absetzbewegung, lieber früher als später. Ob es die so bald geben wird, muss allerdings bezweifelt werden.
Zu tief sitzt der Respekt der Republikaner vor einem Meister der populistischen Zuspitzung, der sich nach wie vor auf einen verlässlichen Kern glühender Anhänger stützen kann. Diese Basis scheint noch immer mächtig. Sie kann Republikaner, die sich gegen Trump stellen, bei den nächsten Vorwahlen durchfallen lassen, was das vorläufige Ende politischer Karrieren bedeutet.
Auch für die Demokraten, die seit den Kongresswahlen des Novembers die Macht haben, einen Insider wie Cohen zwangsvorzuladen, ist die Lage kniffliger, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Der linke Parteiflügel dürfte sie demnächst voller Angriffslust wiederholen, die zwischenzeitlich zurückgestellte Forderung, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten. Das moderatere Zentrum dagegen umschifft das Wort Impeachment einstweilen wie eine gefährliche Klippe.
Beim herbstlichen Votum war es gut beraten, eine Weile ganz darauf zu verzichten, im Wissen darum, dass es die Wähler der Mitte vorziehen, 2020 selber über Trumps politische Zukunft zu entscheiden, statt ihn schon vor Ablauf seiner vier Amtsjahre in die Wüste zu schicken. Nur so konnte es den Demokraten gelingen, Trumps Kandidaten Sitze in Wahlkreisen abzunehmen, in denen es traditionell auf der Kippe steht. Der potenziell schwierige Spagat erklärt denn auch, warum es die Spitzen der Partei fürs Erste vermeiden, sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Zum Beispiel Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses. „Lassen Sie es mich so sagen“, erklärte sie salomonisch nach Cohens Auftritt. „Mich interessiert die schlechte Politik Donald Trumps weit mehr als seine schlechte Persönlichkeit.“