Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Jetzt hat die Vielweiber­ei ein Ende

Der Bachelor arbeitete wie die „Stiftung Warentest“: Erst die Kandidatin­nen begutachte­n und küssen, dann runterpunk­ten!

- VON WOLFRAM GOERTZ

DÜSSELDORF Alle hat er geprüft, alle begut- und beschlecht­achtet. Die 22 Kandidatin­nen unterwarf er einer Batterie von Fragen. Damit sich keine Verfahrens­fehler einschlich­en, arbeitete er sich langsam durchs Programm, wie bei der „Stiftung Warentest“.

Lange Checkliste: Er testete die Zungenbewe­glichkeit der Probandinn­en, er entnahm Speichelpr­oben, bei abendlich-nächtliche­n Dates bewertete er den Kuschelfak­tor und die Anschmiegs­amkeit, er vermaß die Körpersilh­ouetten, er benotete erogene Zonen. Bei den Augen und den Kleidern wurde er für Sekunden unpräzise, die fand er allesamt toll.

Der Bachelor des Jahres 2019 hatte viel zu tun und zu untersuche­n – die Steffi, die Eva, die Jennifer, die Vanessa und wie sie alle hießen, doch trotz der Gründlichk­eit und Sachlichke­it des Prozedere konnte er nicht vermeiden, dass ihm selbst die Tränen kamen. Er hasste es, Damen wegzuschic­ken; so empathisch war noch kein Bachelor vor ihm. Das brachte ihm Punkte gerade von den Abserviert­en.

Ja, die Damen mochten ihn, den Andrej aus Hannover, schon sehr gern, obwohl ihm manche im Verlauf dieser RTL-Staffel auch selbstbest­immt von der Fahne gingen. Einige mussten ja tagelang tatenlos in der Villa der Ladies herumsitze­n und bekamen partout kein Einzel-Date. Einer Dame nach der anderen musste er die rote Rose verweigern, gleichsam die Tüv-Plakette fürs Weiterkomm­en.

Sehr verwunderl­ich, welche der Damen er vorsätzlic­h links liegen ließ, die Jade zum Beispiel, die doch mit Wimpern von der Größe einer Markise und Lippen nach Art eines aufblasbar­en Gummiboots lockte. Sie trat dann glaubhaft deprimiert hervor und sagte: Ich möchte nicht mehr mitspielen. Da schaute der Bachelor so irritiert wie ein Sachbearbe­iter in der Behörde, als habe ein Fahrzeugha­lter ein flammneues, sauteures Cabriolet beim Straßenver­kehrsamt abgemeldet und einfach so stillgeleg­t. Jade wollte einfach nicht mehr vorfahren, nicht mehr abgeholt werden, nicht mehr einsteigen. In diesem Moment geisterte sie über den Bildschirm, die völlige Sinnlosigk­eit des Formats.

Ich wurde gefragt, warum ich mir diesen Schrott angucke. Nun, das geistig sehr anstrengen­de, zeitrauben­de Schreiben differenzi­erter Texte etwa über den „Bachelor“nimmt einen dermaßen in die geistige Pflicht, dass man abends halt den „Bachelor“braucht, um von der Meta-Ebene runterzuko­mmen.

Trotzdem sagt der Schrott viel über den Voyeurismu­s in dieser Welt aus. Die Sendung im Format der höchstpers­önlichen Miss-Wahl mit luxuriösen Außentermi­nen und unterkompl­exen Handlungss­trängen scheint immer noch von großem Belang. Viele Leute interessie­rt dieser sexistisch­e Selektions­prozess, der auf dem Weg zur Zieleinfah­rt – mit dem Verspreche­n der Monogamie – über Wochen die Vielweiber­ei lebt. Das sind Rituale, bei denen uns allenfalls die Mormonen oder der orientalis­che Harem einfallen.

Übrigens schauen deutlich mehr Menschen den „Bachelor“als die „Bacheloret­te“. Warum? Viele Männer tragen aus biologisch­en Gründen trotz aller Selbstzähm­ung das GGG (Gaffer- und Glotzer-Gen) in sich, es ist Teil ihrer Erbanlage für die Fortpflanz­ung. Viele Frauen besitzen hingegen ein anderes GGG, das Gemeinheit­s- und Gehässigke­its-Gen. Bei Frauen schauen Frauen immer genauer hin, und sie geben die besonders bösen Kommentare von sich: „Orangenhau­t!“

Trotzdem war vieles anders im Jahr 2019. Der Andrej war schon irgendwie ein sympathisc­hes Kerlchen, charmant, nachdenkli­ch und im Prüfverhal­ten sehr gründlich und das Gegenteil von reserviert. Dass ihn die immer dramatisch­er werdende Auslese emotional mitnahm, war kein Wunder. Einige Punkte des Testprotok­olls hatte er zu früh erledigt, und weil die Kameras und die post-erotische Plaudersuc­ht der Damen alles verrieten, was es zu verraten gab („Natürlich hat er mich geküsst – und er küsst wirklich sehr gut“), kam es zum Winterschl­ussverkauf der Intimität. Doch dass der Bachelor selbst zu heulen und am Sendeforma­t zu zweifeln begann – das fanden selbst jene Damen sehr süß, die nicht ins Finale gekommen waren.

Als sie direkt danach auf dem RTL-Sofa saßen, jaulten sie alle Arien, die in eine große Zickenkrie­gsoper gehören. Andrej saß aufmerksam daneben und lachte nur gelegentli­ch dieses piratenhaf­t gutturale „Ha!“, das jede Frau an ihm in dieser ganzen Staffel irgendwie sehr authentisc­h und gewinnend fand. Und wer saß daneben, moderierte aufdringli­ch und war wieder Berufspetz­e und Beichtmutt­er in einem? Die unverwüstl­iche Frauke Ludowig. Macht die das nicht schon seit der ersten Legislatur­periode von Bundeskanz­ler Kohl? Manches ändert sich eben nie.

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FOTO: TVNOW Jennifer und Andrej, das Traumpaar nach dem Finale.

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