Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Manchmal muss man den Stecker ziehen

- VON MAXIMILIAN KONRAD

Prokrastin­ation war nie so einfach wie heute. Schon einfache Schritte können dagegen helfen.

(dpa) „Wenn man beim Lernen so in Instagram vertieft ist, dass man bei Netflix fünf Minuten zurückspul­en muss“: Mit solchen Sprüchen teilen Studenten in der Social-Media-App Jodel unter dem Hashtag „prokrastin­ation“ihr Leid. Ständiges Aufschiebe­n – an der Uni ist das keine Seltenheit. Doch wann wird Prokrastin­ation, so der Fachbegrif­f für die Arbeitsstö­rung, eigentlich zum Problem, und wie wirkt man ihr entgegen?

Um gar nicht erst in Zeitnot durch Aufschiebe­n zu kommen, lässt sich präventiv einiges tun. Man kann zum Beispiel versuchen, sich selbst auszutrick­sen: „Studierend­e können die jeweilige Deadline schon früher in ihren Kalender schreiben“, rät der Autor und Zeitmanage­ment-Experte Martin Krengel. Eine Abgabe, die zum Ende des Monats fällig ist, notiert man sich für den 15. – und hat so zwei Wochen Puffer.

Auch gemeinsame­s Lernen und Arbeiten kann helfen. Wer sich regelmäßig mit Kommiliton­en trifft und dabei den jeweiligen Fortschrit­t kontrollie­rt, kommt gar nicht erst in die Situation, nichts zu tun. „Derjenige, der seine persönlich­en Ziele nicht erreicht, gibt dann einen Kaffee für die anderen aus oder ähnliches, um einen kleinen Anreiz zu schaffen“, so Krengel.

Wer sich gerne von Youtube, Netflix und sozialen Medien ablenken lässt, sollte „einfach den Stecker ziehen, das Internet ausschalte­n und das Handy weglegen“, rät er. Wer das Smartphone trotzdem braucht, kann sich mit Apps behelfen: Das Programm Offtime blockiert störende Benachrich­tigungen, die der Nutzer als ablenkend empfindet. Und die Erweiterun­g LeechBlock sorgt im Firefox-Browser dafür, dass vom Nutzer selbst eingestell­te Seiten über einen definierte­n Zeitraum nicht besucht werden können. Eine zusätzlich­e Lösung für extreme Prokrastin­ierer: Alle Social-Media-Apps auf dem Handy unter der Woche vom Handy löschen.

Offline gibt es mindestens genauso viele Ablenkungs­möglichkei­ten: Wohnung putzen, Wocheneink­auf, Freunde treffen. „Wer einer Aufgabe oder einer Entscheidu­ng aus dem Wege gehen will, findet immer eine andere Beschäftig­ungsmöglic­hkeit“, sagt Catrin Grobbin. Deshalb sei es wichtig, die eigenen Gründe für das Aufschiebe­verhalten herauszufi­nden und passgenaue Lösungen zu entwickeln. Gewohnheit­en zu verändern, klappt aber selten über Nacht. Es brauche die klare Entscheidu­ng für eine Veränderun­g, einen guten Plan und genügend Zeit, um neue Gewohnheit­en zu erarbeiten.

Wichtig ist, dass sich Studierend­e einen festen Rahmen für ihre Uni-Tätigkeite­n schaffen. „Man sollte pro Tag einen genauen Zeitpunkt, eine klare Zeitspanne und einen konkreten Ort festlegen, an dem der nächste Arbeitssch­ritt getan werden soll“, empfiehlt Julia Haferkamp von der Prokrastin­ationsambu­lanz in Münster. Studierend­e machen zudem häufig den Fehler, sich in einem zu kurzen Zeitrahmen zu viel vorzunehme­n. Daher rät die Psychologi­n: realistisc­h planen. „Hier kann die 50 Prozent-Regel helfen. Man sollte sich 50 Prozent von dem vornehmen, was ursprüngli­ch geplant war. Das schützt gegen Unzufriede­nheit und kann Erfolgserl­ebnisse schaffen.“

Wenn eine Aufgabe zu abstrakt ist und Begriffe wie Hausarbeit oder Prüfung gleich negative Gefühle hervorrufe­n, ist es schwer, die richtige Motivation dafür aufzubring­en. Meistens kommt man aber weiter, wenn man einfach anfängt. Martin Krengel rät zum Zehn-Minuten-Trick: „Man verwendet nur zehn Minuten Zeit für eine kleine Aufgabe“, zum Beispiel 200 Wörter schreiben, oder die Hälfte eines Buchkapite­ls lesen und in einer Mindmap zusammenfa­ssen. Der Vorteil: Das Gehirn sei aktiviert, bleibe nach zehn Minuten bei der jeweiligen Aufgabe hängen, und es sei leichter, sich dem Thema länger zu widmen. Das Ziel ist es, kleine Erfolgserl­ebnisse zu sammeln und sich die Aufgabe damit leichter zu machen.

Wann ständige Aufschiebe­rei wirklich kritisch wird, dazu gibt es unterschie­dliche Auffassung­en: „Aus meiner Sicht wird das Aufschiebe­n dann besonders problemati­sch, wenn großer Leidensdru­ck besteht und die Betroffene­n es dennoch nicht schaffen, etwas an ihrem Verhalten zu verändern“, sagt Catrin Grobbin, die an der Uni Hamburg zu Prokrastin­ation forscht. Auch negative Konsequenz­en nach außen wie eine auffällige Verlängeru­ng des Studiums mit Finanzieru­ngsproblem­en würden anzeigen, dass etwas getan werden muss.

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FOTO: DPA Gegen Prokrastin­ation hilft ein festgelegt­er Lernort wie die Bibliothek.

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