Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Ende einer Erfolgssto­ry

Eine neue Studie der OECD warnt: Die Lebenserwa­rtung in den Industriel­ändern wächst nicht mehr, in den USA sinkt sie sogar. Die Experten rätseln über die Gründe.

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Die Geschichte der Menschheit der vergangene­n 200 Jahre könnte in einem Satz zusammenge­fasst werden:

Die Menschen werden ständig älter und reicher. Das wird oft vergessen, wenn von Gefahren für die Menschheit die Rede ist, vom Klimawande­l oder den Risiken eines Atomkriegs. In Deutschlan­d hatte eine Frau 1875 eine Lebenserwa­rtung von 38 Jahren, ein Mann von 35. Rund 150 Jahre später wird ein männliches Baby im Schnitt 78 Jahre und sieben Monate alt, ein weibliches Baby sogar 83 Jahre und sechs Monate. Gleichzeit­ig ist das Pro-Kopf-Einkommen um mehr als das Zehnfache gewachsen.

Diese Erfolgssto­ry verdirbt die jüngste Studie der Industriel­änderorgan­isation OECD. Seit 2010 stagniert der Zuwachs an Lebenserwa­rtung, in den USA sinkt sie sogar leicht. In Deutschlan­d gab es in den vergangene­n zehn Jahren weder bei Männern noch bei Frauen statistisc­h signifikan­te Veränderun­gen. Interessan­t ist, dass das reiche Deutschlan­d sich bei der Lebenerwar­tung nur im Mittelfeld hält. Länder wie die Niederland­e, Schweden, Italien und auch Griechenla­nd schneiden besser ab.

Aber auch sie lassen beim Wachstum der Lebenserwa­rtung nach. Die OECD-Forscher rätseln ein wenig über die Gründe. Denn der Kampf gegen die beiden größten Killer, Herz-Kreislauf-Krankheite­n und Krebs, ist recht erfolgreic­h. Fettleibig­keit und Bewegungsa­rmut werden aber als Wachstumsb­remse gesehen.

Ein Grund könnte freilich auch darin liegen, dass die Produktivi­tät und das Realeinkom­men seit längerer Zeit stagnieren. Offenbar wachsen die Bäume nicht in den Himmel – trotz aller Versprechu­ngen der Medizin und der Pharmaindu­strie. Für die Gesundheit­spolitiker sollten die neuesten Zahlen jedoch eine Warnung sein. Es gibt offenbar Defizite im System.

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