Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„In mir brodelt es förmlich“

In einem Haka-Workshop lernen die Teilnehmer, dass der rituelle Tanz selbst den vernunftbe­tontesten Menschen im Innern berührt.

- VON TINO HERMANNS

„Upoko ki raro“, sagt Kane Harnett-Mutu. Neun Köpfe gehen nach unten, der Blick ist auf den Boden gerichtet. „Titiro“– neun Köpfe heben sich, die Augen scannen die Umgebung. „Tuturu whakamaua kia tina“, sagt Harnett-Mutu. „Verstärkt, was wir sind.“Damit beginnt der Bewegungst­eil des Haka. Drehungen, Klopfen mit den Händen auf die Oberschenk­el, Unterarme und die Brust, Heben und Senken der Hände, all das zum Gesang von Harnett-Mutu, der sich manchmal zu wohltönend­em Gebrüll steigert. Der Rhythmus der Gruppe wird bei jedem Durchlauf sicherer, der Tanz intensiver.

„Wer bei sich selbst ist, ist glücklich“

Kane Harnett-Mutu

Kane Harnett-Mutu ist Maori vom Stamm der Ngati Kahu auf der Nordinsel Neuseeland­s und leitet im Zentrum Freigeist in Pempelfort den Haka-Lehrgang. Was er in der Maori-Sprache sagt, hat er vorher auf englisch erklärt. „Ich war zwei oder drei Jahre alt, als ich meinen ersten Haka getanzt habe. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ohne Haka gelebt zu haben“, erläutert der Neuseeländ­er.

Haka, bekannt als Kriegstanz der neuseeländ­ischen Ureinwohne­r, ist für die Maori aber viel mehr. „Der Haka ist durch die neuseeländ­ische Rugby-Nationalma­nnschaft, die vor den Länderspie­len tanzt, verbreitet worden“, so Harnett-Mutu. „Weil dabei aggressive Gesten in Richtung des Gegners benutzt werden, denken jetzt alle, es wäre nur ein Kriegstanz, aber es ist das genaue Gegenteil.“Die Maori wissen, dass der Tanz in der Gruppe das eigene Selbstbewu­sstsein stärkt, man dem Leben mit mehr Mut entgegen tritt, den Zusammenha­lt fördert, Vertrauen und Respekt vergrößert. „Der Haka gehört in Neuseeland zur Alltagskul­tur. Er wird bei Geburten benutzt, bei Beerdigung­en oder einfach, um einen neuen Kollegen im Job zu begrüßen. Es gibt Tausende verschiede­ner Haka“, erläutert der Maori. So hat er für den Kurs im Zentrum Freigeist einen eigenen Haka entwickelt.

Unübersehb­ar entsteht schnell eine Dynamik und ein Vertrauens­verhältnis in dieser Gruppe von Menschen, die sich vorher noch nie gesehen haben, weil sie aus unterschie­dlichen Städten kommen – Essen, Bochum, Düsseldorf, Rossbach in Hessen. Durch Bewegung und Gesang werden Energieque­llen freigesetz­t. „Ich habe gemerkt, dass sich durch die Laute und die Bewegung einige Blockaden gelöst haben“, erläutert Maria Gall. „Es hat mir viel Kraft gegeben. In mir brodelt es förmlich.“Und das, obwohl der Haka-Kurs geistig und körperlich durchaus anstrengen­d ist. Man muss konzentrie­rt sein, um innerhalb von zweieinhal­b Stunden eine gut zweieinhal­b Minuten dauernde Choreograp­hie zu erlernen. Der Schweiß rinnt jedenfalls in Strömen.

Auch der klar rational gesteuerte Vincent Barthel kann sich der Faszinatio­n nicht entziehen. „Ich bin ein Mann der Aufklärung. Mit dem ganzen esoterisch­en Zeugs kann ich nichts anfangen. Aber Kane hat ein paar Weisheiten der Maori-Kultur mitgebrach­t. Die sind nicht immer falsch“, so der 38-jährige Essener. „Ich habe viel gelernt, auch über mich selber. Beim Haka muss man aus sich herausgehe­n, das Format

selber ist aber sehr kontrollie­rt.“

Auch Andrea Schütz ist über die Nebenwirku­ng des Haka überrascht. „Man merkt, wie es aus einem herausbric­ht, wenn man es zulässt“, so Schütz. „In der Gruppe gab es keine Berührungs­ängste. Es ist ein Zusammenge­hörigkeits­gefühl entstanden, das einen selber stark macht. Es hat Spaß gemacht. Das mache ich gerne nochmal.“Harnett-Mutu hat erreicht, was er wollte. „In unserem Leben gibt es so viele erziehungs- und gesellscha­ftlich bedingte Hinderniss­e. Ich zeige Wege auf, wie man zu sich selbst findet, wie man mit der eigenen Natur in engeren Kontakt tritt und die Hinderniss­e überwindet. Und wer bei sich selbst ist, ist glücklich.“Kein Wunder, dass der Düsseldorf-Haka mit „Whakamutu“(es ist vollbracht) endet.

 ?? RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Kane Harnett-Mutu ist Maori vom Stamm der Ngati Kahu auf der Nordinsel Neuseeland­s. Er leitet den Workshop und kann sich nicht erinnern, jemals ohne Haka gelebt zu haben.
RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Kane Harnett-Mutu ist Maori vom Stamm der Ngati Kahu auf der Nordinsel Neuseeland­s. Er leitet den Workshop und kann sich nicht erinnern, jemals ohne Haka gelebt zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany