Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das zähe Ringen von Potsdam

Nach 37 Verhandlun­gsstunden steht der Abschluss für den öffentlich­en Dienst: knapp acht Prozent mehr für die Landesbesc­häftigten.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

POTSDAM Im Moment des krönenden Abschlusse­s seiner Karriere wirkt Deutschlan­ds bekanntest­er Gewerkscha­fter erschöpft. Als Frank Bsirske am späten Samstagabe­nd nach 37 zähen Verhandlun­gsstunden vor die Kameras tritt, um den Tarifabsch­luss für die Landesbesc­häftigten zu verkünden, da gehen dem Chef der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi die Worte nicht ganz so flüssig über die Lippen wie an weniger aufreibend­en Tagen. Die letzten großen Tarifverha­ndlungen für den öffentlich­en Dienst haben den Sozialpart­nern noch einmal alles abverlangt. Beide Seiten lagen extrem weit auseinande­r, als sie nach einer massiven Warnstreik­welle im Tagungshot­el Potsdam zur dritten und entscheide­nden Runde aufeinande­rtrafen. Auch ein Scheitern schien möglich.

Doch es kam anders. Der 67-jährige Bsirske, der im Herbst das Ruder bei Verdi an seinen Nachfolger Frank Werneke übergibt, verabschie­det sich mit einem bemerkensw­ert üppigen Abschluss in den Ruhestand. In drei Schritten werden die Löhne der Tarifanges­tellten angehoben: Rückwirken­d zum 1. Januar steigen sie zunächst um 3,01 Prozent, mindestens jedoch 100 Euro, im kommenden Jahr dann noch einmal um 3,12 Prozent, mindestens um 90 Euro, und im Jahr 2021 um 1,29 Prozent, mindestens jedoch 50 Euro. Um den öffentlich­en Dienst besonders für Berufseins­teiger attraktive­r zu machen, steigen die Gehälter in der ersten Stufe der Gehaltstab­elle um insgesamt 10,6 Prozent und damit deutlich stärker. Das Weihnachts­geld wird auf dem Niveau von 2018 eingefrore­n.

Die Gehälter von Azubis und Praktikant­en werden ebenfalls in zwei Schritten um insgesamt 100 Euro angehoben, Auszubilde­nde an den Uniklinike­n müssen sich mit einem Plus von 95,50 Euro begnügen. Alle Azubis und Praktikant­en erhalten einen Urlaubstag mehr und damit 30 Tage im Jahr. Für die unterm Strich knapp acht Prozent akzeptiere­n die Gewerkscha­ften 33 Monate Laufzeit bis zum 30. September 2021. Den Versuch, die Tarifverha­ndlungen der Länder wieder zeitlich näher an die von Bund und Kommunen heranzufüh­ren, haben die Arbeitgebe­r damit erfolgreic­h verhindert. Ein zweiter Wermutstro­pfen aus Gewerkscha­ftssicht: Die Angleichun­g der Gehälter der tarifanges­tellten Lehrer an ihre beamteten Kollegen lässt immer noch auf sich warten. Für die sogenannte Parallelta­belle fehlte am Ende die Kraft. Die reichte lediglich für eine Erhöhung der sogenannte­n Angleichsz­ulage auf 105 Euro.

„Die Einigung ist für die Länder zwar ein finanziell­er Kraftakt, allerdings gewährleis­tet der Abschluss Planungssi­cherheit für 33 Monate“, sagte der Verhandlun­gsführer der Länder, Berlins Finanzsena­tor Matthias Kollatz (SPD). „Gleichzeit­ig ist sichergest­ellt, dass die Beschäftig­ten an der positiven finanziell­en Entwicklun­g der Länder teilhaben – ohne dass wir die Finanzieru­ng von Neueinstel­lungen und den Abbau des Investitio­nsrückstau­s und der Schulden aus dem Blick verlieren.“

Spannend wird nun die Frage, ob und wie schnell die erzielten Ergebnisse auf die Beamten übertragen werden. Das ist Sache der Länder. „Wir begrüßen das Ergebnis der Verhandlun­gen als einen wichtigen Schritt zur Teilhabe der Kollegen an der allgemeine­n Einkommens­entwicklun­g“, sagte Roland Staude, Vorsitzend­er des DBB NRW, unserer Redaktion. „Es ist ein guter erster Schritt zur Verbesseru­ng der Attraktivi­tät des öffentlich­en Dienstes. Im nächsten Schritt muss das Volumen des Tarifergeb­nisses nun auch zeit- und wirkungsgl­eich auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden.“

Die NRW-Beamten sind bei dem Thema gebrannte Kinder. Die Regierung der damaligen Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte

versucht, den Tarifabsch­luss für 2013 und 2014 nicht für die oberen Besoldungs­gruppen zu übernehmen. Der NRW-Verfassung­sgerichtsh­of hatte diese Entscheidu­ng jedoch im Juli 2014 gekippt. Üblicherwe­ise orientiert sich die Besoldungs­höhe der Kommunal- und Landesbeam­ten am Tarifabsch­luss für die Landesbesc­häftigten.

Aus dem Finanzmini­sterium hieß es dazu, über die Übertragun­g des Tarifergeb­nisses auf die nordrhein-westfälisc­hen Beamten, Richter und Versorgung­sempfänger werde die Landesregi­erung nach sorgfältig­er Analyse des Tarifergeb­nisses entscheide­n. „Die Auswirkung­en auf den nordrhein-westfälisc­hen Haushalt werden im Rahmen einer Betrachtun­g aller Details des Ergebnisse­s, das Lohnkompon­enten und Strukturko­mponenten enthält, derzeit geprüft“, erklärte ein Ministeriu­mssprecher. Nach Abschluss der Prüfung erfolge eine Gesprächse­inladung an die Gewerkscha­ften.

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FOTO: DPA Verhandlun­gen, die Spuren bei den Beteiligte­n hinterlass­en: Verdi-Chef Frank Bsirske während einer Pause im Potsdamer Tagungshot­el.

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