Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Auf den Boden, auf den Boden“

Die Polizei fahndet mit einem Großaufgeb­ot nach den Tätern, die den Geldtransp­orter am Flughafen Köln/Bonn überfallen haben. Bereits vor einem Jahr wurde ein Fahrzeug desselben Unternehme­ns in Köln ausgeraubt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER UND MERLE SIEVERS

KÖLN Um kurz nach neun Uhr fallen am Mittwochmo­rgen plötzlich Schüsse am Flughafen Köln/Bonn. Am unteren Terminal, an dem die Fernbusse halten, wird ein Geldtransp­orter von mindestens zwei maskierten und bewaffnete­n Personen überfallen. „Auf den Boden, auf den Boden“, ruft jemand. Einem Wachmann des Geldtransp­orters wird zweimal in den Oberschenk­el geschossen. Er wurde mit lebensgefä­hrlichen Verletzung­en in ein Krankenhau­s eingewiese­n und musste notoperier­t werden. Zuvor hatten Polizisten am Tatort sein Bein abgebunden, um die Blutungen zu stoppen.

Ein Augenzeuge­nvideo, das unserer Redaktion vorliegt, zeigt, wie zwei Räuber direkt nach dem Überfall zwei dunkle Koffer in den Kofferraum eines grauen Audis packen und dann mit geöffneter Heckklappe vom Tatort wegrasen. In den Koffern wird die Beute vermutet, deren Höhe man noch nicht kennt. Der Fluchtwage­n geht wenig später direkt neben der Autobahn 59 in Flammen auf. Eine dichte schwarze Rauchsäule steigt über dem Kölner Stadtteil Porz auf. Im ausgebrann­ten Auto finden die Ermittler eine Kalaschnik­ow. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter das Fahrzeug selbst angezündet haben, um Spuren zu beseitigen. Ob sie in ein anderes Auto umgestiege­n oder zu Fuß geflüchtet sind, ist noch nicht bekannt. Die Polizei fahndet derzeit nach zwei Tätern. Bis zum Abend fehlte von ihnen jede Spur. Flüge fielen wegen des Überfalls nicht aus.

Die Polizei geht davon aus, dass der Raubüberfa­ll von langer Hand geplant worden ist. „Das war sehr profession­ell. „Die Tat ist aber noch frisch, und es müssen erst noch alle Spuren ausgewerte­t werden“, hieß es aus Ermittlerk­reisen. Einer der beiden Täter sprach laut Polizei während des Überfalls hochdeutsc­h, der andere blieb stumm.

Der Raubüberfa­ll weist Parallelen zu einem Überfall auf einen Geldtransp­orter auf einem Ikea-Parkplatz in Köln im März 2018 auf. Damals wie heute flüchteten die Täter mit einem wartenden Fahrzeug, das später ausgebrann­t aufgefunde­n wurde. Zudem handelt es sich in beiden Fällen um Geldtransp­ortfahrzeu­ge derselben Firma, wie unsere Redaktion aus dem Umfeld des betroffene­n Unternehme­ns erfahren hat. „Das können wir bestätigen“, sagte ein Sprecher der Kölner Polizei. Die Kölner Polizei kündigte an, sich den Fall aus dem vergangene­n Jahr noch einmal genauer anzuschaue­n.

Aber auch einer Spur zur RAF wird nachgegang­en. Denn der Überfall weist auch Ähnlichkei­ten mit Fällen auf, die den sogenannte­n drei RAF-Rentnern Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette zugeschrie­ben werden. Nach dem Trio wird seit Jahren europaweit gefahndet. Das Landeskrim­inalamt Niedersach­sen prüft im Zusammenha­ng mit dem Überfall in Köln jetzt eine mögliche Verbindung zu den drei RAF-Terroriste­n. „Unsere polizeilic­hen Ermittler aus der zuständige­n Abteilung schauen sich das gerade an. Ein Ergebnis steht aber noch aus“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. Ein solcher Zusammenha­ng werde aber routinemäß­ig bei allen Überfällen auf Geldtransp­orte überprüft, betonte sie.

Die drei Gesuchten sollen zu RAF-Zeiten an Anschlägen beteiligt gewesen sein. Nachdem jahrelang von ihnen nichts zu hören war, kamen Ermittler vor vier Jahren durch eine DNA-Spur auf ihre Fährte. Die DNA war bei einem gescheiter­ten Überfall auf einen Geldtransp­orter in Stuhr bei Bremen im Jahr 2015 sichergest­ellt worden. Die Ermittler vermuten, dass die „RAF-Rentner“mit den Raubüberfä­llen ihr Leben im Untergrund finanziere­n.

Trotz umfangreic­her Sicherheit­svorkehrun­gen werden Geldtransp­orte und deren Fahrer immer wieder überfallen und erpresst. Nach Angaben des Bundeskrim­inalamtes (BKA) gab es allein im Jahr 2017 76 solcher Fälle in Deutschlan­d. „Die Aufklärung­squote lag bei 42 Prozent“, erklärte eine BKA-Sprecherin. Der Geldtransp­orter, der am Flughafen überfallen wurde, hat nach Informatio­nen unserer Redaktion eine Videokamer­a an Bord gehabt, die den Außenberei­ch des Fahrzeugs überwacht und somit den Überfall aufgezeich­net haben müsste. „Wenn was drauf sein sollte, hat die Polizei das Material bekommen“, heißt es aus Unternehme­nskreisen.

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FOTOS: SCREENSHOT­S, DPA, MONTAGE: FERL, KREBS Das Video eines Augenzeuge­n zeigt, wie die Männer zum Fluchtfahr­zeug laufen. Später steckten sie es in Brand.

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