Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wie riskant sind Reisen in die Türkei?
Schon am Flughafen sollen missliebige Türkei-Touristen festgenommen werden – diese Drohung von Innenminister Soylu belastet erneut das deutsch-türkische Verhältnis. Ankara bemüht sich um Schadensbegrenzung.
ANKARA Hüseyin M. aus Braunschweig wollte an der türkischen Ägäisküste Urlaub machen – vergangenen August, im Ferienhaus seiner Schwiegereltern. Doch dann kam die türkische Polizei, Hüseyin M. musste in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Er habe Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf Facebook als „Diktator“und „Kindermörder“bezeichnet. M. ist deutscher Staatsbürger, erst im Oktober kam er aus der Haft frei und konnte das Land verlassen.
Die Türkei ist beliebt bei deutschen Urlaubern, nach einigen Jahren der Flaute steigen die Besucherzahlen wieder. Aber wie riskant sind Reisen an die türkische Riviera? Eine Äußerung des türkischen Innenministers Süleyman Soylu löste jetzt erneut Verunsicherung aus. Es gebe Leute, „die in Deutschland an den Veranstaltungen der Terrororganisation (gemeint ist vermutlich die PKK, d. Red.) teilnehmen, und dann in Antalya, Bodrum und Mugla urlauben“. Solche Besucher werde man künftig am Flughafen bei der Einreise festnehmen. „Von nun an wird es nicht mehr so einfach sein, draußen Verrat zu begehen und sich dann in der Türkei zu amüsieren“, drohte der Innenminister laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.Dass Ankara nach einer Phase der Entspannung gegenüber Deutschland wieder schärfere Töne anschlägt, zeigt auch der Umgang mit deutschen Journalisten. Das direkt Staatschef Erdogan unterstellte Presseamt entzog jetzt drei deutschen Medienvertretern in der Türkei die Arbeitserlaubnis. Die Journalisten, die unter anderem für den „Tagesspiegel“, das ZDF und den NDR tätig sind, müssen damit laut Gesetz das Land verlassen.
Was die drohenden Festnahmen angeht, bemüht sich das türkische Außenministerium inzwischen um Schadensbegrenzung. Die Äußerungen des Innenministers seien in deutschen Medien „verzerrt“worden. Touristen aus Deutschland seien in der Türkei willkommen. Auch der deutsch-türkische Abgeordnete der Regierungspartei AKP, Mustafa Yeneroglu, beschwichtigt: Innenminister Soylu habe nicht deutschen Urlaubern mit Festnahme gedroht, sondern solchen Besuchern, „die aufgrund von Straftaten gesucht werden“, twitterte er. Die Grenze der Strafbarkeit ist allerdings am Bosporus schnell überschritten.
Dass Erdogans Türkei kein Reiseland wie jedes andere ist, geht aus den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes hervor. Erst im vergangenen Oktober verschärfte das Amt diese Angaben. In der Türkei seien zuletzt vermehrt deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert worden, heißt es da. Es sei „weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen“, etwa im Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien. Anlass zu einem Strafverfahren könnten dabei auch Äußerungen geben, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Schon das Teilen oder „Liken“eines fremden Beitrags könne für eine Strafverfolgung reichen.
Auf „Terrorpropaganda“stehen in der Türkei mehrjährige Haftstrafen. Als Terrororganisation gilt nicht nur die kurdische PKK, sondern auch die Bewegung des Exil-Predigers und Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen. Besonders gefährdet sind laut Auswärtigem Amt „deutsche Staatsangehörige mit engen privaten und persönlichen Bindungen in die Türkei sowie Personen, die neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzen“.
Nicht nur Sympathiebekundungen für verbotene Organisationen, auch respektlose Bemerkungen über Staatschef Erdogan in den sozialen Medien oder an der Hotelbar können unangenehme Folgen haben. Der Deutsche Hüseyin M. hat das bereits am eigenen Leibe erfahren. Sein Prozess geht am 9. April weiter – wohl in Abwesenheit des Angeklagten. Ihm drohen wegen Präsidentenbeleidigung bis zu sechs Jahre Haft.