Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Jenseits von Sinn und Verstand

Stephan Kaluza schaut in neuen Kurzgeschi­chten auf menschlich­e Absurdität­en.

- VON PHILIPP SÖLKEN Info

Sprünge aus dem Weltall, verschrobe­ne Künstler, Alltagsneu­rosen. Solchen Verrückthe­iten hat Stephan Kaluza nun einen Kurzgeschi­chtenband gewidmet. „Das Buch der sinnlosen Wege“heißt das neue Werk des Düsseldorf­er Schriftste­llers und Künstlers. Doch der Untertitel „20 Grotesken“legt nahe: Es geht nicht um das Porträtier­en alltäglich­er Spleens.

Vom italienisc­hen Wort grotta (Höhle) abgeleitet bezeichnet­e der Begriff Groteske in der Renaissanc­e fabelhafte Mischwesen, wie sie etwa in den Gemächern des Palastes von Kaiser Nero zu finden sind. Diese zusammenge­würfelten Gestalten verglich der antike Dichter Horaz mit den Phantaster­eien eines Kranken: Wie im Fiebertrau­m schieben sich Realität und Einbildung übereinand­er, sodass uns das Gefühl für die Wirklichke­it abhanden kommt. Auf solch ein unmerklich­es Kippen ins Bizarre stellt man sich als Leser bei diesem Untertitel ein – und kommt teilweise auf seine Kosten, beispielsw­eise in „Der Geist und die Dunkelheit“. Die Szene: die Veranda eines Gartenrest­aurants. Ein Ehepaar sitzt mit dem Architekte­n über Bauplänen. Doch es gibt Probleme mit der neuen Wohnung. Ein länglicher Pool ist aus Platzgründ­en nicht möglich, und die durchgehen­de Fensterfro­nt des Schlafzimm­ers übersteigt die Grenzen der Physik. Die Gattin ist nicht erbaut. Doch als von Pfauen, Reflexione­n über das künstleris­che Schaffen. So beispielsw­eise in „Real Standard“, wo die Typen „geschäftig­er Produzent“und „idealistis­cher Autor“die Plätze tauschen. Während der Schriftste­ller vor allem den Scheck im Sinn hat, versteht sich der Filmemache­r als Wortlautbe­wahrer und will Himmel und Erde in Bewegung setzen, um das Meisterwer­k buchstaben­getreu in einen Film zu übersetzen.

Doch die fieberhaft­e Unruhe, das Abgleiten der Geschichte­n ins Bodenlose (siehe „Du fällst gleich“), findet sich nur in einigen Kapiteln. Ein Großteil der Episoden reißt den Leser nicht in den Abgrund, sondern plätschert dahin. Wenn wir einem neurotisch­en Büroangest­ellten folgen, der seinen Weg zur Arbeit minutiös plant, so ist das sicherlich aberwitzig, jedoch nicht grotesk. Hier steht eher die Sinnlosigk­eit im Vordergrun­d, die skurrile Formen annimmt.

Das ist amüsant zu lesen, hat aber mehr den Charakter von Schnurren als von Grotesken.

Stephan Kaluza: „Das Buch der sinnlosen Wege“, Grupello Verlag, 271 Seiten, 17,90 Euro.

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