Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Architekten gestalten das Gesicht einer Stadt mit und tragen damit eine große Verantwortung zu. Gefragt sind aber viele Akteure, wenn es darum geht, das Stadtbild der Zukunft schon heute zu planen. Für eine bessere Nutzung der knappen Ressource Fläche hab
In die Höhe bauen, Brachen reaktivieren, verdichten: Angesichts des großen Andrangs auf Düsseldorf werden derzeit sowohl im Wohnbau wie auch bei gewerblichen Projekten unterschiedliche Lösungen diskutiert, wie Flächen im Stadtgebiet optimal genutzt werden können. Ein Problem, das viele boomende Städte kennen. Bei den Überlegungen spielt eine Berufsgruppe eine zentrale Rolle, die auf das Äußere der Projekte und damit auf das Gesicht einer Stadt großen Einfluss hat: die Architekten.
„Ihnen kommt bei der Gestaltung eine große Verantwortung zu“, sagt Dieter Schmoll, der zu den renommiertesten Vertretern der Branche zählt. Seit 1998 ist er Geschäftsführender Gesellschafter des Düsseldorfer Büros RKW Architektur + und hat zahlreiche Büro- und Gewerbeparks, Verwaltungsgebäude, Einkaufsgalerien und andere – oftmals preisgekrönte – Handelsimmobilien geprägt. Verantwortung tragen indes alle Akteure, also auch Immobilienbesitzer und -investoren, Projektentwickler und nicht zuletzt die Politik.
Düsseldorf hat ein kleines Stadtgebiet und muss sich daher im Zentrum noch enger aufstellen. Und das bei wachsender Nachfrage. Unternehmen drängen in die Stadt, aber auch die Menschen. Unter ihnen viele, die früher ins Umland gezogen waren und nun wieder die Vorteile des Zentrums suchen. Sie zählen häufig zu den eher wohlhabenden Schichten und finden zum Beispiel im neuen Andreasquartier in der Altstadt, was sie suchen. Dazu kommen die Familien der Menschen, die hier Arbeit gefunden haben. Das hat gesellschaftliche Konsequenzen. Mit zunehmendem Druck steigen die Preise. In Städten wie Düsseldorf gibt es einen Verdrängungswettbewerb: Frühere Arbeiterviertel wie Flingern oder Bilk sind plötzlich gefragt, die bislang dort lebenden Menschen können sich die Preise nicht leisten und ziehen ins Umland – woher einige Rückkehrer eben kommen. Ein Austauschprozess. „Wir brauchen aber eine Mischung der Bevölkerungsgruppen“, umreißt Schmoll die Aufgabe, die indes zunächst in Gesellschaft und Politik zu lösen ist, bevor Architekten Lösungen bieten können.
Fläche ist ein knappes Gut in Düsseldorf. Zumindest ein wenig Entspannung könnte eine originelle Idee bringen, die der Architekt in den Ring wirft: Man müsste einfach mehr in Doppelflächen denken: „Warum nicht einen Sportplatz auf ein Shopping Center platzieren?“ Umgesetzt haben die Düsseldorfer Architekten das bereits in Stuttgart und erhielten für das Projekt „Milaneo Stuttgart“den Mipim-Award 2013 in der Kategorie „Best Futura Mega Projects“.
In Düsseldorf könnte man noch viel weiter denken und zum Beispiel große Flächen über dem Bahnhof für eine weitere Nutzung schaffen. Gleichzeitig verlören die Schienen ihre trennende Wirkung in Bereiche vor dem Bahnhof und dahinter. Eine aktuelle Studie hat jetzt die Potenziale dieses Ansatzes für Deutschland analysiert (siehe Text unten).
Noch weiter in die Höhe richtet sich der Blick bei den gerade diskutierten Hochhaus-Ideen. „Wir brauchen ein Konzept dafür“, ist auch Schmoll überzeugt, sowohl für gewerbliche Zwecke wie fürs Wohnen. Beim Wohnbau sieht der Architekt indes die Gefahr der Anonymisierung. Ihr könne mit Mischnutzungen begegnet werden, die hochwertiges und einfaches Wohnen, Einkauf, Hotel, Büro und Parken verbinden. Hochhäusern kommt im Stadtbild meist eine Leuchtturmfunktion zu. Leuchttürme müssen aber nach der Überzeugung des Architekten an der richtigen Stelle stehen, etwa einem Ringkonzept folgen. Sie könnten dort gebaut werden, wo sich Verkehrsringe und -Tangenten kreuzen.
„In gewachsenen Strukturen wirken sie aber zerstörerisch“, mahnt der Gestaltungsexperte. Damit stellt er sich konkret gegen Vorschläge, am jetzigen Opernstandort ein Hochhaus zu bauen. „Man muss das Stadtbild in Ordnung halten.“Dazu gehöre, Städtebaulinien, Traufhöhen und andere Rahmenbedingungen einzuhalten.
Generell ist die Kompetenz gefragt, wenn es um Vorstellungen für stadtplanerische Projekte geht, die das Stadtbild beeinflussen. Zumindest was bisherige Großprojekte betrifft, stößt vieles auf Anklang in Fachkreisen und der Bevölkerung. Dass man zum Beispiel in den 90er-Jahren am Rheinufer mit der Tunnellösung und der Promenade neue Räume geschaffen hat, wird heute als mutige, weitsichtige Entscheidung gewertet.
Allerdings hört mit solchen Weichenstellungen das Gestalten nicht auf. „Das Rheinufer könnte mit weiteren Highlights besetzt und belebt werden“, sagt der Architekt. Diskutiert werden ja manche Ideen – von der Oper bis zur Fortsetzung der Rheinuferpromenade im Norden. Jedenfalls sieht der Experte hier noch ein „immenses Potenzial für die Stadtentwicklung“. Einige Aufgaben sind sogar liegengeblieben. So habe der Kö-Bogen das Schwergewicht der Düsseldorfer Vorzeigestraße Richtung Norden verlagert. „Wir müssten nun über das Südende der Königsallee nachdenken und dort ein neues Gegengewicht etablieren“, fordert Schmoll, der aber hier – wie an manchen anderen Stellen – das Fehlen neuer Visionen beklagt.
Um knappe Flächen optimal zu nutzen, geht es auch darum, Bestehendes effizient zu gestalten und hier Neues zu bieten. Innenstädte müssen interessant sein, wenn sie Besucher Gebäude des Einzelhandels zum Beispiel durch die vorhandene Haustechnik mitversorgt werden.
Außerdem – so die Studie weiter – könnten haushaltsnahe Dienstleistungsangebote angesiedelt werden, was neben einer architektonischen und städtebaulichen Aufwertung die Attraktivität des Quartiers und die langfristige Vermarktbarkeit erhöhen würde. Durch die neue Mieterschaft verbessere sich zudem die soziale Durchmischung. anziehen wollen: Neue Angebote machen neugierig. Gestalterisch umgesetzt haben die Architekten dies zum Beispiel im Einzelhandelskonzept „Crown“(Zurheide/Edeka) an der Graf-Adolf-Straße/ Ecke Berliner Allee. Dafür erhielt RKW Architektur + den „polis award“2018 in der Kategorie „Reaktivierte Zentren“. Das Projekt ist zugleich wiederum ein Beispiel, wie Mischnutzung aussehen kann: Der Gebäudekomplex umfasst auch Büros und ein Hotel.
Viel Potenzial also für kreative Ideen. An der Umsetzung beteiligen müssen sich alle Akteure. Architekten können zumindest Steine ins Wasser werfen, die dann weitere Kreise ziehen.
„Warum nicht einen Sportplatz auf ein Shopping Center platzieren?“
„Das Rheinufer könnte mit weiteren Highlights besetzt und belebt werden“
Neuer Wohnraum durch Aufstockungen könne der Verdrängung des unteren Mittelstands entgegenwirken. „Sensible und qualitätsvolle Nachverdichtung im Zusammenhang mit der Deckung des Wohnungsbedarfs und der Akzeptanz des Umfeldes steigert die lokale baukulturelle Qualität, verbessert die Standorteigenschaften und die Lebensqualität und erhält oder erhöht die Wettbewerbsfähigkeit des Quartiers“, heißt es in der Studie.