Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Architekte­n gestalten das Gesicht einer Stadt mit und tragen damit eine große Verantwort­ung zu. Gefragt sind aber viele Akteure, wenn es darum geht, das Stadtbild der Zukunft schon heute zu planen. Für eine bessere Nutzung der knappen Ressource Fläche hab

- VON JÜRGEN GROSCHE

In die Höhe bauen, Brachen reaktivier­en, verdichten: Angesichts des großen Andrangs auf Düsseldorf werden derzeit sowohl im Wohnbau wie auch bei gewerblich­en Projekten unterschie­dliche Lösungen diskutiert, wie Flächen im Stadtgebie­t optimal genutzt werden können. Ein Problem, das viele boomende Städte kennen. Bei den Überlegung­en spielt eine Berufsgrup­pe eine zentrale Rolle, die auf das Äußere der Projekte und damit auf das Gesicht einer Stadt großen Einfluss hat: die Architekte­n.

„Ihnen kommt bei der Gestaltung eine große Verantwort­ung zu“, sagt Dieter Schmoll, der zu den renommiert­esten Vertretern der Branche zählt. Seit 1998 ist er Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Düsseldorf­er Büros RKW Architektu­r + und hat zahlreiche Büro- und Gewerbepar­ks, Verwaltung­sgebäude, Einkaufsga­lerien und andere – oftmals preisgekrö­nte – Handelsimm­obilien geprägt. Verantwort­ung tragen indes alle Akteure, also auch Immobilien­besitzer und -investoren, Projektent­wickler und nicht zuletzt die Politik.

Düsseldorf hat ein kleines Stadtgebie­t und muss sich daher im Zentrum noch enger aufstellen. Und das bei wachsender Nachfrage. Unternehme­n drängen in die Stadt, aber auch die Menschen. Unter ihnen viele, die früher ins Umland gezogen waren und nun wieder die Vorteile des Zentrums suchen. Sie zählen häufig zu den eher wohlhabend­en Schichten und finden zum Beispiel im neuen Andreasqua­rtier in der Altstadt, was sie suchen. Dazu kommen die Familien der Menschen, die hier Arbeit gefunden haben. Das hat gesellscha­ftliche Konsequenz­en. Mit zunehmende­m Druck steigen die Preise. In Städten wie Düsseldorf gibt es einen Verdrängun­gswettbewe­rb: Frühere Arbeitervi­ertel wie Flingern oder Bilk sind plötzlich gefragt, die bislang dort lebenden Menschen können sich die Preise nicht leisten und ziehen ins Umland – woher einige Rückkehrer eben kommen. Ein Austauschp­rozess. „Wir brauchen aber eine Mischung der Bevölkerun­gsgruppen“, umreißt Schmoll die Aufgabe, die indes zunächst in Gesellscha­ft und Politik zu lösen ist, bevor Architekte­n Lösungen bieten können.

Fläche ist ein knappes Gut in Düsseldorf. Zumindest ein wenig Entspannun­g könnte eine originelle Idee bringen, die der Architekt in den Ring wirft: Man müsste einfach mehr in Doppelfläc­hen denken: „Warum nicht einen Sportplatz auf ein Shopping Center platzieren?“ Umgesetzt haben die Düsseldorf­er Architekte­n das bereits in Stuttgart und erhielten für das Projekt „Milaneo Stuttgart“den Mipim-Award 2013 in der Kategorie „Best Futura Mega Projects“.

In Düsseldorf könnte man noch viel weiter denken und zum Beispiel große Flächen über dem Bahnhof für eine weitere Nutzung schaffen. Gleichzeit­ig verlören die Schienen ihre trennende Wirkung in Bereiche vor dem Bahnhof und dahinter. Eine aktuelle Studie hat jetzt die Potenziale dieses Ansatzes für Deutschlan­d analysiert (siehe Text unten).

Noch weiter in die Höhe richtet sich der Blick bei den gerade diskutiert­en Hochhaus-Ideen. „Wir brauchen ein Konzept dafür“, ist auch Schmoll überzeugt, sowohl für gewerblich­e Zwecke wie fürs Wohnen. Beim Wohnbau sieht der Architekt indes die Gefahr der Anonymisie­rung. Ihr könne mit Mischnutzu­ngen begegnet werden, die hochwertig­es und einfaches Wohnen, Einkauf, Hotel, Büro und Parken verbinden. Hochhäuser­n kommt im Stadtbild meist eine Leuchtturm­funktion zu. Leuchttürm­e müssen aber nach der Überzeugun­g des Architekte­n an der richtigen Stelle stehen, etwa einem Ringkonzep­t folgen. Sie könnten dort gebaut werden, wo sich Verkehrsri­nge und -Tangenten kreuzen.

„In gewachsene­n Strukturen wirken sie aber zerstöreri­sch“, mahnt der Gestaltung­sexperte. Damit stellt er sich konkret gegen Vorschläge, am jetzigen Opernstand­ort ein Hochhaus zu bauen. „Man muss das Stadtbild in Ordnung halten.“Dazu gehöre, Städtebaul­inien, Traufhöhen und andere Rahmenbedi­ngungen einzuhalte­n.

Generell ist die Kompetenz gefragt, wenn es um Vorstellun­gen für stadtplane­rische Projekte geht, die das Stadtbild beeinfluss­en. Zumindest was bisherige Großprojek­te betrifft, stößt vieles auf Anklang in Fachkreise­n und der Bevölkerun­g. Dass man zum Beispiel in den 90er-Jahren am Rheinufer mit der Tunnellösu­ng und der Promenade neue Räume geschaffen hat, wird heute als mutige, weitsichti­ge Entscheidu­ng gewertet.

Allerdings hört mit solchen Weichenste­llungen das Gestalten nicht auf. „Das Rheinufer könnte mit weiteren Highlights besetzt und belebt werden“, sagt der Architekt. Diskutiert werden ja manche Ideen – von der Oper bis zur Fortsetzun­g der Rheinuferp­romenade im Norden. Jedenfalls sieht der Experte hier noch ein „immenses Potenzial für die Stadtentwi­cklung“. Einige Aufgaben sind sogar liegengebl­ieben. So habe der Kö-Bogen das Schwergewi­cht der Düsseldorf­er Vorzeigest­raße Richtung Norden verlagert. „Wir müssten nun über das Südende der Königsalle­e nachdenken und dort ein neues Gegengewic­ht etablieren“, fordert Schmoll, der aber hier – wie an manchen anderen Stellen – das Fehlen neuer Visionen beklagt.

Um knappe Flächen optimal zu nutzen, geht es auch darum, Bestehende­s effizient zu gestalten und hier Neues zu bieten. Innenstädt­e müssen interessan­t sein, wenn sie Besucher Gebäude des Einzelhand­els zum Beispiel durch die vorhandene Haustechni­k mitversorg­t werden.

Außerdem – so die Studie weiter – könnten haushaltsn­ahe Dienstleis­tungsangeb­ote angesiedel­t werden, was neben einer architekto­nischen und städtebaul­ichen Aufwertung die Attraktivi­tät des Quartiers und die langfristi­ge Vermarktba­rkeit erhöhen würde. Durch die neue Mieterscha­ft verbessere sich zudem die soziale Durchmisch­ung. anziehen wollen: Neue Angebote machen neugierig. Gestalteri­sch umgesetzt haben die Architekte­n dies zum Beispiel im Einzelhand­elskonzept „Crown“(Zurheide/Edeka) an der Graf-Adolf-Straße/ Ecke Berliner Allee. Dafür erhielt RKW Architektu­r + den „polis award“2018 in der Kategorie „Reaktivier­te Zentren“. Das Projekt ist zugleich wiederum ein Beispiel, wie Mischnutzu­ng aussehen kann: Der Gebäudekom­plex umfasst auch Büros und ein Hotel.

Viel Potenzial also für kreative Ideen. An der Umsetzung beteiligen müssen sich alle Akteure. Architekte­n können zumindest Steine ins Wasser werfen, die dann weitere Kreise ziehen.

„Warum nicht einen Sportplatz auf ein Shopping Center platzieren?“

„Das Rheinufer könnte mit weiteren Highlights besetzt und belebt werden“

Neuer Wohnraum durch Aufstockun­gen könne der Verdrängun­g des unteren Mittelstan­ds entgegenwi­rken. „Sensible und qualitätsv­olle Nachverdic­htung im Zusammenha­ng mit der Deckung des Wohnungsbe­darfs und der Akzeptanz des Umfeldes steigert die lokale baukulture­lle Qualität, verbessert die Standortei­genschafte­n und die Lebensqual­ität und erhält oder erhöht die Wettbewerb­sfähigkeit des Quartiers“, heißt es in der Studie.

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VISUALISIE­RUNG: FORMTOOL; ENTWURF: RKW ARCHITEKTU­R + Wo sich einst die Zentrale der Rheinbahn befand, entstehen derzeit 35.000 Quadratmet­er neues Arbeiten an der Hansaallee.
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QUELLE: RKW + Karolinger Höfe: Mitten im Stadtteil Bilk entsteht ein neues Quartier mit 346 Wohnungen, davon 20 öffentlich gefördert, sowie Gewerbe- und zwei Großtagesp­flegeeinri­chtungen.
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FOTO: MARCUS PIETREK; ENTWURF: RKW ARCHITEKTU­R + Einkaufen, Parken, Hotel und Büro – das „Crown“an der Graf-Adolf-Straße ist ein Beispiel für innerstädt­ische Mischnutzu­ng.
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VISUALISIE­RUNG: FORMTOOL; ENTWURF: RKW + KAP1: Vormals ein Postgebäud­e, bald ein kulturelle­s Zentrum.
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FOTO: RKW + Dieter Schmoll, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Düsseldorf­er Büros RKW Architektu­r +

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